Die Waffen nieder. Bertha von Suttner
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Название: Die Waffen nieder

Автор: Bertha von Suttner

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

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isbn: 9783966512114

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СКАЧАТЬ ziehen mir Männer ja in den Krieg.«

      Ich weiß nicht, warum mir diese Worte, welche ich in ähnlicher Fassung doch schon oft zustimmend gehört und gelesen hatte, diesmal einigermaßen als »Phrase« klangen ... Es war ja kein bedrohter Herd da, keine Barbarenhorden standen vor den Toren – einfach politische Spannung zwischen zwei Kabinetten ... Wenn also mein Mann begeistert in den Krieg ziehen wollte, so war es doch nicht so sehr das dringende Bedürfnis, Weib und Kind und Vaterland zu schützen, als vielmehr die Lust an dem abenteuerlichen, Abwechslung bietenden Hinausmarschieren – der Drang nach Auszeichnung – Beförderung ... Nun ja, Ehrgeiz ist es – schloß ich diesen Gedankengang – schöner berechtigter Ehrgeiz, Lust an tapferer Pflichterfüllung!

      Es war schön von ihm, daß er sich freute, wenn er zu Felde ziehen mußte; aber noch war ja nichts entschieden. Vielleicht würde der Krieg gar nicht ausbrechen, und selbst für den Fall, daß man sich schlage, Wer weiß, ob gerade Arno wegkommandiert würde – es geht ja doch nicht immer die ganze Armee vor den Feind. Nein, dieses so herrliche, abgerundete Glück, welches mir das Schicksal zurecht gezimmert hatte, konnte doch dieses selbe Schicksal nicht so roh zertrümmern. – O Arno, mein vielgeliebter Mann – dich in Gefahr zu wissen, es wäre entsetzlich! ... Solche und ähnliche Ergüsse füllen die in jenen Tagen beschriebenen Tagebuchblätter.

      Von da ab sind die roten Hefte eine Zeitlang voll Kannegießerei: Louis Napoleon ist ein Intrigant ... Österreich kann nicht lange zuschauen ... es kommt zum Kriege ... Sardinien wird sich vor der Übermacht fürchten und nachgeben ... Der Friede bleibt erhalten ... Meine Wünsche – trotz aller theoretischen Bewunderung vergangener Schlachten – waren natürlich inbrünstig nach Erhaltung des Friedens gerichtet, doch der Wunsch meines Gatten rief offenbar die andere Alternative herbei. Er sagte es nicht grad' heraus, aber Nachrichten über die Vergrößerung des »schwarzen Punktes« teilte er immer leuchtenden Auges mit; die hier und da, leider immer spärlicher werdenden Friedensaussichten hingegen konstatierte er stets mit einer gewissen Niedergeschlagenheit.

      Mein Vater war auch ganz Feuer und Flamme für den Krieg. Die Besiegung der Piemontesen würde ja nur ein Kinderspiel sein, und zur Bekräftigung dieser Behauptung regneten wieder die Radetzky-Anekdoten. Ich hörte von dem drohenden Feldzug immer nur vom strategischen Standpunkt sprechen, nämlich ein Hin- und Herwägen der Chancen, wie und wo der Feind geschlagen würde und die Vorteile, welche »uns« daraus erwachsen mußten. Der menschliche Standpunkt – nämlich daß, ob verloren oder gewonnen, jede Schlacht unzählige Blut- und Tränenopfer fordert, – kam gar nicht in Betracht. Die hier in Frage stehenden Interessen würden als so sehr über alle Einzelschicksale erhaben dargestellt, daß ich mich der Kleinlichkeit meiner Auffassung schämte, wenn mir bisweilen der Gedanke aufstieg: »Ach, was frommt den armen Toten, was den armen Verkrüppelten, was den armen Witwen der Sieg?« Doch bald stellten sich als Antwort auf diese verzagten Fragen wieder die alten Schulbuchdithyramben ein: Ersatz für alles bietet der Ruhm. Doch wie, wenn der Feind siegte? Diese Frage ließ ich einmal im Kreise meiner militärischen Freunde laut werden – wurde aber schmählich niedergezischt. Das bloße Erwähnen von der Möglichkeit eines Schattens eines Zweifels ist schon antipatriotisch. Im voraus seiner Unüberwindlichkeit sicher sein, gehört mit zu den Soldatenpflichten. Also gewissermaßen auch zu den Pflichten einer loyalen Leutnantsfrau.

      Das Regiment meines Mannes lag in Wien. Von unserer Wohnung hatte man die Aussicht auf den Prater, und wenn man da ans Fenster trat, wehte es sommerlich verheißend herein. Es war ein wundervoller Frühling. Die Luft war lau und veilchenduftend, und zeitiger als in anderen Jahren sproßte das junge Laub hervor. Auf die im kommenden Monat bevorstehenden großen Praterfahrten freute ich mich unbändig. Wir hatten uns zu diesem Zweck ein kokettes »Zeugel« angeschafft, nämlich einen Kutschierwagen mit einem Viererzug von ungarischen Judern. Schon jetzt, in diesen herrlichen Apriltagen, fuhren wir beinahe täglich in den Prateralleen spazieren, aber das war nur ein Vorkosten des eigentlichen Maigenusses. Ach, wenn nur bis dahin nicht etwa der Krieg ausbräche! ...

      »Na, Gott sei Dank – jetzt hat die Unentschiedenheit ein Ende!« – rief mein Mann, als er am Morgen des neunzehnten April vom Exerzieren nach Hause kam. »Das Ultimatum ist gestellt.«

      Ich erschrak. »Wie – was – was heißt das?«

      »Das heißt, das letzte Wort der diplomatischen Verhandlungen, welches der Kriegserklärung vorausgeht, ist gesprochen. Unser Ultimatum an Sardinien fordert, daß Sardinien entwaffne – was dieses natürlich bleiben läßt, und wir marschieren über die Grenze.«

      »Großer Gott! – Vielleicht aber entwaffnen sie?«

      »Nun dann wäre der Streit auch beigelegt und es bleibt Frieden.«

      Ich fiel auf die Knie – ich konnte nicht anders. Lautlos und dennoch heftig wie ein Schrei, schwang sich aus meiner Seele die Bitte zum Himmel: »Frieden, Frieden!« Arno hob mich auf: »Du närrisches Kind!«

      Ich schlang meine Arme um seinen Hals und fing zu weinen an. Es war kein Schmerzensausbruch, denn noch war ja das Unglück nicht entschieden – aber die Nachricht hatte mich so erschüttert, daß meine Nerven zitterten und diesen Tränensturz verursachten.

      »Martha, Martha, du wirft mich böse machen,« schau Arno. »Bist du denn mein braves Soldatenweiblein? Vergissest du, daß du Generalstochter, Oberleutnantsfrau und« – schloß er lächelnd – »Korporalsmutter bist?«

      »Nein, nein, mein Arno ... Ich begreife mich selber nicht ... Das war nur so ein Anfall... ich bin ja doch selber für militärischen Ruhm begeistert ... aber ich weiß nicht – vorhin, als du sagtest, alles hänge von einem Worte ab, das jetzt gesprochen werden soll – ein Ja oder Nein auf das sogenannte Ultimatum – und dieses Ja oder Nein solle entscheiden, ob Tausende bluten und sterben sollen – sterben in diesen sonnigen, seligen Frühlingstagen – da war mir, als müßte das Friedenswort fallen und ich konnte nicht anders als betend niederknien –«

      »Um dem lieben Gott die Sachlage mitzuteilen, du Herzensnärrchen?«

      Die Hausglocke ertönte. Schnell trocknete ich meine Tränen. Wer konnte das sein – so früh?

      Es war mein, Vater. Er kam heftig hereingestürzt.

      »Nun Kinder,« rief er atemlos, indem er sich in einen Lehnsessel warf. »Wißt ihr schon die große Nachricht – das Ultimatum ...«

      »Soeben habe ichs meiner Frau erzählt ...«

      »Sag' Papa, was meinst du,« fragte ich bange, »wird der Krieg dadurch abgewendet?«

      »Ich wüßte nicht, daß ein Ultimatum jemals einen Krieg abgewendet hätte. Vernünftig wäre es wohl von diesem italienischen Jammerpack, wenn es nachgeben würde und sich keinem neuen Novara aussetzte ... Ach, wäre der gute Vater Radetzky nicht voriges Jahr gestorben, ich glaube, er hätte, trotz seiner neunzig Jahre, sich noch einmal an die Spitze seines Heeres gestellt und ich wäre, bei Gott, auch wieder mitmarschiert ... Wir zwei haben's ja schon gezeigt, wie man mit dem welschen Gesindel fertig wird. Sie haben aber noch nichts genug daran, die Katzelmacher – sie wollen eine zweite Lektion haben! Auch recht: unser lombardisch-venetianisches Königreich wird sich durch das piemontesische Gebiet ganz schön vergrößern lassen – ich sehe schon den Einzug unserer Truppen in Turin.«

      »Aber Papa, du sprichst ja, als wäre der Krieg schon erklärt und als wärst du darüber froh. Doch wie, wenn Arno mitgehen muß?« Es standen mir schon wieder die Tränen in den Augen.

      »Das wird er auch – der beneidenswerte Junge.«

      »Aber meine Angst – die Gefahr –«

      »Ach was, Gefahr! Man kommt vom Kriege auch nach Hause, СКАЧАТЬ