Die Waffen nieder. Bertha von Suttner
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Название: Die Waffen nieder

Автор: Bertha von Suttner

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

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isbn: 9783966512114

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СКАЧАТЬ Auffassung, die sich in Neid, nicht mittun zu dürfen, und in Bewunderung für den Militärstand auflöst. Was uns zarten Jungfräulein, die wir doch in allem übrigen zu Sanftmut und Milde ermahnt werden, für Schauderbilder aus allen Schlachten der Erde, von den biblischen und makedonischen und punischen bis zu den dreißigjährigen und napoleonischen Kriegen vorgeführt werden, wie wir da die Städte brennen und die Einwohner »über die Klinge springen« und die Besiegten schinden sehen – das ist ein wahres Vergnügen. ... Natürlich wird durch diese Aufhäufung und Wiederholung der Greuel das Verständnis, daß es Greuel sind, abgestumpft; alles, was in die Rubrik Krieg gehört, wird nicht mehr vom Standpunkte der Menschlichkeit betrachtet – und erhält eine ganz besondere, mystisch-historisch-politische Weihe. Es muß sein – es ist die Quelle der höchsten Würden und Ehren – das sehen die Mädchen ganz gut ein: haben sie doch die kriegsverherrlichenden Gedichte und Tiraden auch auswendig lernen müssen. Und so entstehen die spartanischen Mütter und die »Fahnenmütter« und die zahlreichen, dem Offizierkorps gespendeten Kotillonorden während der »Damenwahl«.

      Ich bin nicht, wie so viele meiner Standesgenossinnen, im Kloster, sondern unter der Leitung von Gouvernanten und Lehrern im Vaterhause erzogen worden. Meine Mutter verlor ich früh. Mutterstelle an uns Kindern – ich hatte noch drei jüngere Geschwister – vertrat unsere Tante, eine alte Stiftsdame. Wir verbrachten die Wintermonate in Wien, den Sommer auf einem Familiengute in Niederösterreich.

      Meinen Erzieherinnen und Lehrern habe ich viel Freude gemacht, dessen erinnere ich mich –, denn ich war eine fleißige, mit gutem Gedächtnis begabte, und namentlich ehrgeizige Schülerin. Da ich meinen Ehrgeiz, wie schon bemerkt nicht damit befriedigen konnte, als Heldenjungfrau Schlachten zu gewinnen, so begnügte ich mich damit, in den Lektionen gute Zensuren davonzutragen und durch meinen Lerneifer der Umgebung Bewunderung abzuzwingen. In der französischen und englischen Sprache brachte ich es nahezu zur Vollkommenheit; von Erd- und Himmelskunde, von Naturgeschichte und Physik machte ich mir so viel zu eigen, als mir in dem Programm einer Mädchenerziehung überhaupt zugänglich war; aber von dem Gegenstand »Geschichte« lernte ich noch mehr, als von mir gefordert wurde. Aus der Bibliothek meines Vaters holte ich mir dickbändige Historienwerke hervor, in welchen ich in meinen Mußestunden studierte. Ich glaubte mich jedesmal um ein Stück gescheiter geworden, wenn ich ein Ereignis, einen Namen, ein Datum aus vergangenen Zeiten meinem Gedächtnis neu einverleibt hatte. Gegen Klavierspielerei – welche doch auch im Erziehungsplan aufgezeichnet stand – habe ich mich standhaft zur Wehr gesetzt. Ich besaß weder Talent noch Lust zur Musik und fühlte, daß mir darin keine Ehrgeizbefriedigung winkte. Ich bat solange und inständig, mir die kostbare Zeit, die ich an meine anderen Studien wenden wollte, nicht für das aussichtslose Geklimper zu kürzen, daß mich mein guter Vater von der musikalischen Fronarbeit freisprach. Zum großen Leidwesen der Tante, welche meinte, ohne Klavierspiel gäbe es keine eigentliche Bildung mehr.

      Am 10. März 1857 feierte ich meinen siebzehnten Geburtstag. »Schon siebzehn« lautet unter jenem Datum die Eintragung ins Tagebuch. Dieses »schon« ist ein Poem. Es steht kein Kommentar daneben, aber vermutlich wollte ich damit sagen: »und noch nichts für die Unsterblichkeit getan«. Diese roten Hefte leisten mir heute, da ich meine Lebenserinnerungen aufzeichnen will, gar gute Dienste. Sie ermöglichen mir, die vergangenen Ereignisse, welche nur als verschwommene Umrißbilder im Gedächtnis haften geblieben, bis in die kleinsten Einzelheiten zu schildern, und ganze längst vergessene Gedankenfolgen oder längst verklungene Gespräche wörtlich wiederzugeben.

      Im nächstfolgenden Fasching sollte ich in die Gesellschaft eingeführt werden. Diese Aussicht entzückte mich aber nicht so außerordentlich, wie dies gewöhnlich bei jungen Mädchen der Fall ist. Mein Sinn strebte nach Höherem als nach Ballsaaltriumphen. Wonach ich strebte? Diese Frage hätte ich mir wohl selber nicht beantworten können. Vermutlich nach Liebe ... doch das wußte ich nicht. Alle diese glühenden Sehnsuchts- und Ehrgeizträume, welche im Jünglings- und Jungfrauenalter die Menschenherzen schwellen, und welche unter allerlei Formen – Wissensdurst, Reiselust, Tatendrang – sich verwirklichen wollen, sind doch zumeist nur die unbewußten Bestrebungen des erwachenden verliebten Triebes.

      In diesem Sommer wurde meiner Tante ein Kurgebrauch in Marienbad verordnet. Sie fand es für gut, mich mitzunehmen. Obgleich meine offizielle Einführung in die sogenannte Welt erst in der kommenden Winterszeit stattfinden sollte, so wurde mir doch gestattet, einige kleine Kurhausbälle mitzumachen; – gleichsam als Vorübung im Tanzen und Konversieren, damit ich in meiner ersten Faschingssaison nicht gar zu schüchtern und ungelenk auftreten möge.

      Doch was geschah auf der ersten »Reunion«, die ich besuchte? Ein großes, sterbliches Verlieben. Natürlich war's ein Husarenleutnant. Die im Saale anwesenden Zivilisten schienen mir neben den Militärs wie Maikäfer neben Schmetterlingen. Und unter den anwesenden Uniformträgern waren die Husaren jedenfalls die glänzendsten; unter den Husaren schließlich war Graf Arno Dotzky der blendendste. Über sechs Fuß groß, schwarzes Kraushaar, aufgezwirbeltes Schnurbärtchen, weißglitzernde Zähne, dunkle Augen, welche so durchdringend und zärtlich schauen konnten – kurz, auf seine Frage: »Haben Sie den Kotillon noch frei, Gräfin?« fühlte ich, daß es noch andere, ebenso erhebende Triumphe geben kann, wie das Bannerschwingen der Jungfrau von Orleans, oder das Szepterschwingen der großen Katharina. Und er, der Zweiundzwanzigjährige, hat wohl ähnliches empfunden, als er mit dem hübschesten Mädchen des Balles (nach dreißig Jahren kann man schon so etwas konstatieren) im Walzertakt durch den Saal flog; da dachte er wohl auch: Dich besitzen Du süßes Ding, das wöge alle Marschallstäbe auf.

      »Aber Martha – aber Martha!« brummte die Tante, als ich atemlos auf meinen Sessel an ihrer Seite zurückfiel, ihr mit den schwingenden Tüllwolken meines Kleides um den Kopf wirbelnd.

      »O pardon, pardon, Tanti!« bat ich und setzte mich zurecht. »Ich kann nichts dafür ...«

      »Davon ist auch nicht die Rede – mein Vorwurf galt deinem Benehmen mit diesem Husaren – du darfst dich beim Tanzen nicht so anschmiegen ... und schaut man denn einem Herrn so in die Augen?«

      Ich errötete tief. Hatte ich etwas Unmädchenhaftes verbrochen? Mochte der Unvergleichliche etwa eine schlechte Meinung von mir gefaßt haben? ...

      Von diesen bangen Zweifeln wurde ich noch im Verlauf des Balles befreit, denn während des Souperwalzers flüsterte der Unvergleichliche mir zu:

      »Hören Sie mich an – ich kann nicht anders.– Sie müssen es erfahren – heute noch: ich liebe Sie.«

      Das klang ein bißchen anders angenehm als Johannas famose »Stimmen« ... Aber so im Weitertanzen konnte ich doch nichts antworten. Das mochte er einsehen, denn jetzt hielt er inne. Wir standen in einer leeren Ecke des Saales und konnten die Unterhaltung unbelauscht fortführen:

      »Sprechen Sie, Gräfin, was habe ich zu hoffen?«

      »Ich verstehe Sie nicht,« log ich.

      »Glauben Sie vielleicht nicht an ›Liebe auf den ersten Blick‹? Bis jetzt hielt ich es selber für eine Fabel, aber heute habe ich die Wahrheit davon erprobt.«

      Wie mir das Herz klopfte! Aber ich schwieg.

      »Ich stürze mich kopfüber in mein Schicksal,« fuhr er fort ... »Sie oder keine! Entscheiden Sie über mein Glück oder über meinen Tod ... denn ohne Sie kann und will ich nicht leben ... Wollen Sie die Meine werden?«

      Auf eine so direkte Frage mußte ich doch etwas erwidern. Ich suchte nach einer recht diplomatischen Phrase, die – ohne jegliche Hoffnung abzuschneiden – meiner Würde nichts vergäbe, brachte aber weiter nichts hervor als ein zitternd gehauchtes »Ja«.

      »So darf ich morgen bei Ihrer Tante um Ihre Hand anhalten und dem Grafen Althaus schreiben?«

      Wieder »ja« – diesmal СКАЧАТЬ