Lebendige Seelsorge 1/2022. Verlag Echter
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Название: Lebendige Seelsorge 1/2022

Автор: Verlag Echter

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783429065515

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СКАЧАТЬ der Missbrauchsproblematik – für sehr wichtig erachte und auf die ich nun in meiner Antwort noch etwas genauer eingehen möchte:

      Du schilderst, wie der Klerikalismus von verschiedenen Gläubigen an Dich herangetragen, ja geradezu eingefordert wird. Dies verweist auf einen großen Problembereich, der bei der Aufarbeitung des Missbrauchsabgrundes nach wie vor viel zu wenig Beachtung findet und für den noch viel stärker sensibilisiert werden muss: der Co-Klerikalismus unter den Lai*innen.

      Den inzwischen zahlreichen Studien zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche und den erschreckenden Zeugnissen Betroffener ist immer wieder zu entnehmen, dass die Täter zwar in der Regel Kleriker waren, es daneben aber auch zahlreiche stumme Kompliz*innen, Ermöglicher*innen und Vertuscher*innen unter den Nichtgeweihten gab: Eltern, die ihren Kindern nicht glauben konnten oder wollten, weil es doch der Pfarrer war, der da beschuldigt wurde. Erwachsene Bezugspersonen, die die Hilferufe der Kinder einfach ignorierten. Leiter*innen, die ihre Schützlinge für ihre Aussagen ohrfeigten. Kirchenverantwortliche, die sich ebenfalls an der Vertuschung der Taten beteiligten. Oder, um den Bostoner Betroffenenanwalt aus dem Film Spotlight zu zitieren: “If it takes a village to raise a child, it takes a village to abuse one.” Man muss also, was die Sensibilisierung und die dringend notwendigen Veränderungen angeht, an beiden Seiten der ‚Klerikalismus-Medaille‘ ansetzen: Bei den Klerikern selbst UND bei den Lai*innen. Natürlich müssen die priesterliche Macht beschränkt und kontrolliert, das Priesterbild entgiftet und die Kleriker dazu bewegt werden, ihr Amtsverständnis immer wieder zu reflektieren und den Versuchungen des Klerikalismus zu widerstehen. Aber darüber hinaus muss man auch die Lai*innen zu einer kritischen Reflexion animieren, das Priesterbild in den Köpfen mancher Nicht-Geweihten abwandeln, sie zu mehr Mündigkeit, Selbstbestimmtheit und Freiheit im Glaubensleben ermutigen und sie vor allem immer wieder an die heikle Rolle des Co-Klerikalismus im Missbrauchskontext erinnern.

      Auch die von Dir beschriebene Tendenz der Lai*innen, die immer weniger werdenden Priester zu ‚pampern‘ halte ich für äußerst problemverstärkend. Umso notweniger ist es auch, dass es Priester – wie Dich – gibt, die auf solche Tendenzen mit Befremden reagieren und sich ihnen bewusst widersetzen (auch wenn sie manchmal geradezu in diese Richtung gedrängt werden, wie Du schreibst).

      Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt in Deinem Beitrag, auf den ich etwas intensiver eingehen möchte, denn wir kommen tatsächlich zu einer sehr ähnlichen Schlussfolgerung: Wenn es um Macht- und Umgangsformen (bzw. deren Reformen) in der katholischen Kirche geht, müssen wir radikal vom Evangelium her denken! Alle – egal welchen Titel sie tragen oder welches Amt sie innehaben – müssen ihre Macht der Botschaft des Evangeliums gemäß ausüben. Es geht, wie Du auch betonst, um eine Grundhaltung und ein Verhalten „im jesuanischen Sinne“, um eine Liebe zum Nächsten, die sich auch aus dem eigenen Geliebt- und Angenommensein durch Gott speist.

      Aber ein bisschen Widerspruch muss natürlich auch sein: Wenn Maria 2.0-Vertreterinnen in der Öffentlichkeit selbstbewusst, klar und ruhig Forderungen stellen, dann empfinde ich das nicht als eine dem Klerikalismus ähnliche Machtdemonstration, sondern vielmehr als einen wichtigen und guten Akt der Selbstermächtigung, mit der deutlich gegen eben jene klerikalistischen Glasdecken angehämmert wird. Mir ist jedoch bei Deinen Schilderungen eines ‚bischöflichen‘ Maria 2.0-Interviews ein Gedanke gekommen: Ich habe das von Dir angeführte Bild einfach einmal umgekehrt, weitergesponnen und mir vorgestellt, wie ein Bischof in einem Fernsehinterview klar, ruhig und bestimmt die Forderungen von Maria 2.0 verkündet – und DAS würde einer Kirche und einem Bischof, wie ich sie mir wünschen würde, doch SEHR nahekommen! Ich freue mich jedenfalls auf einen weiteren Austausch und auf weitere Diskussionen mit Dir. Liebe Grüße

      Johanna

       Ja, stürzt die Mächtigen vom Thron, aber setzt euch bitte nicht selbst darauf

      Die Replik von Wolfgang Metz auf Johanna Beck

      Liebe Johanna,

      danke für das Teilen deiner sehr persönlichen und schmerzhaften Erfahrungen.

      Danke auch für deine Gedanken, Überlegungen und Forderungen.

      Ich kann vieles davon gut nachvollziehen und glaube, dass wir an vielen Stellen dasselbe wollen und hoffen, nur von verschieden Standpunkten aus.

      Wo soll ich anfangen? Vielleicht genau dort, wo du auch angefangen hast. Bei der Situation, wenn du einen Kleriker mit Kollar triffst und dich das „ultimativ triggert“. Meine Frage wäre nun: Wäre es eine Hilfe, wenn kein Kleriker mehr ein Kollarhemd tragen würde? Oder lass es mich ein wenig überspitzt sagen: Was dürfte ich als Kleriker noch anziehen und sagen, wenn ich alles weglassen müsste und würde, was irgendjemand aus verschiedensten Gründen antriggern könnte?

      Wie gesagt, ich weiß, es ist überspitzt und ich bin nicht objektiv, weil ich Kollarhemdenträger bin. Nicht immer, aber immer wieder. Über die Jahre hinweg ist mir in diesem Zusammenhang alles Mögliche und Unmögliche begegnet. Es gibt die Leute, die mich schief anschauen und innerlich gleich in die rechte Ecke stellen, und die, die mich ansprechen, warum ich nicht im Kollar als Priester erkenntlich bin, und innerlich sogleich als liberalen Wischiwaschi-Typ abstempeln.

      Das sind natürlich erst einmal nur Äußerlichkeiten, es ist erst einmal nur die Verpackung. Aber egal, was oder wer da drinsteckt, diese Verpackung bewirkt schon etwas. So wie auch bei dir. Hätte der besagte Priester aus deiner Kindheit immer Karohemd und Jeans getragen (auch eine beliebte und ganz eigene Uniformität bei manchen Priestern), dann wäre das vielleicht jetzt für dich ein Trigger.

      Aber so ist es nicht und es ist wahrscheinlich auch nicht so einfach vergleichbar. Deine Worte zeigen mir aber, mit was für einer großen Sensibilität und Wachheit ich als Kleriker mit meiner Kleidung, meinen Gesten und Worten umgehen muss. Ich bin mir nicht sicher, ob es hilfreich ist, immer alles gleich wegzulassen. Aber es ist sicherlich notwendig, dass ich verantwortungsvoll mit dem umgehen muss, was ich nicht weglasse. Gewiss gelingt mir dies nicht immer, aber ich übe mich darin. Versprochen!

      Aber egal, was ich anhabe oder nicht: Ich bin und bleibe ein ganz normaler Mensch. Ich stimme dir voll und ganz zu, dass die Überhöhung und Sakralisierung von Priestern, wie deine Geschichte zeigt, viel Unheil gebracht haben und sehr gefährlich für alle Beteiligten sein können. Manche Menschen hätten immer noch gerne Priester, die sakrosankt sind, die immer noch die letzten Bastionen und die letzten tragenden Säulen der societas perfecta darstellen und die für eine Heiligkeit stehen, die sie selbst gerne erreichen würden. In diesem Spiel wird die eine Seite Gefahr laufen, hochmütig zu werden, weil sie alles kann und darf und scheinbar perfekt ist, und die andere Seite ist deprimiert, weil sie ja scheinbar nie so perfekt sein wird. Ist Gott nicht Mensch geworden, um als Mensch unter Menschen zu leben und zu lieben, um gerade dieses Spiel nicht zu spielen?

      Natürlich werden wir weiterhin als Kirche eine Institution sein und darin auch eine Struktur mit gewissen Hierarchien haben, und natürlich wird es auch weiterhin Kleriker (vielleicht auch Kleriker:innen) in Leitungsämtern geben. Das ist ja nicht die Frage. Aber die Frage ist, wie wir in diesen Strukturen miteinander umgehen, wie wir mit diesen Strukturen umgehen und wie wir in (möglichst naher) Zukunft diese Leitungsämter nicht in Flaschenhälsen produzieren, sondern auf breite Schultern verteilen. Demokratischer, kontrollierter, transparenter, gleichberechtigter und menschlicher!

      Du zitierst Mk 10,43: „Bei euch aber soll es nicht so sein.“ Ich glaube, genau das ist der Punkt und das Maß, an dem wir uns messen müssen. Und zwar alle! Ich würde dahingehend auch noch die Fußwaschung (Joh 13,15) dazulegen wollen: „Ich habe euch ein Bespiel gegeben.“ Ich glaube nicht, dass das heißt, wir müssen dem oder der anderen gegenüber in jeder Begegnung in Ehrfrucht zerfließen. Aber ich frage mich, was wäre, wenn wir unseren СКАЧАТЬ