Lebendige Seelsorge 1/2022. Verlag Echter
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Название: Lebendige Seelsorge 1/2022

Автор: Verlag Echter

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783429065515

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СКАЧАТЬ einfach nicht mehr herausfinden und leider über die Zeit hinweg auch nicht besser mit ihren Mitmenschen umgehen und dadurch ihre schlechten Erfahrungen einfach weitertragen.

      Diese Liste könnte ich noch lange weiterführen und wahrscheinlich kennt jede:r, wenn sie oder er nachdenkt, solche Bespiele. Wenn wir all diese Erfahrungen und Situationen zusammentragen würden, würden sich vielleicht viele davon ähneln, aber noch mehr würden sich unterscheiden, weil es sich hierbei meistens um ein Konglomerat aus Überzeugungen, Erfahrungen und Gefühlen handelt. Vielleicht ist das auch ein Haken in der ganzen Diskussion um Klerikalismus. Jede:r denkt, dass es doch völlig klar ist, um was es da geht. In Wirklichkeit vermischen viele einfach die eigenen Erfahrungen mit ihren Idealen und nennen den Frust, den sie dann anderen (manchmal auch vorschnell) vor die Füße werfen, so.

      ‚Klerikalismus‘: Dieses Wort ist ein Kofferwort. Jede:r packt das hinein, was er oder sie will, kann und meint: Machtgehabe, fehlende Augenhöhe, Klerikergedöns, verletzter Stolz, Kirchenpolitik, manchmal auch nur die eigene Befindlichkeit, weil man den Pfarrer oder die Mesnerin oder die fromme, schlesische Kirchenbesucherin nicht mag bzw. was er oder sie zu einem gesagt hat oder sagt oder getan hat oder tut. Ja, es gibt Klerikalismus, aber genauso gibt es Laiismus, Ehrenamtswichtigtuerei und pastorale Enge, die daraus resultieren. Es gibt die Menschen, die hinter jedem gesprochenen Wort eines Klerikers eine unerhörte Aussage suchen und es gibt die, die so verängstigt sind, dass sie sich auf gar keine Diskussion mehr einlassen können. Dies alles wird im gleichen Koffer zusammengeworfen, der unter dem Stichwort ‚Klerikalismus‘ zugeklappt, abgeschlossen und umhergetragen wird.

       ES KLINGT EINFACH, IST ABER KOMPLIZIERT

      Viele von uns haben ganz persönliche Verletzungen, haben ihre ganz persönlichen Schutzmechanismen und ihre persönlichen Sockelerlebnissen. Nach all dem Geschriebenen ist und bleibt aber die Frage, ob mich diese Verletzungen, Schutzmechanismen und Sockelerlebnisse vor einer Form des Klerikalismus bewahren oder ihn steigern? Ich weiß nicht, ob es auf diese Frage eine einfache und pauschale Antwort gibt. Aber ich weiß, dass es in alldem darum geht, wie wir grundsätzlich in dieser Kirche und auch sonst miteinander umgehen.

      Dafür nochmals eine beispielhafte Begebenheit: Als ich Geistlicher Diözesanleiter der KjG (Katholischen jungen Gemeinde) Rottenburg-Stuttgart war, wurde ich anfangs immer wieder von einer lieben, ehrenamtlichen Kollegin in der Diözesanleitung darauf hingewiesen, dass es total wichtig sei, dass ich mit den Ehrenamtlichen immer freundlich und korrekt umgehe. (Ich hoffe und glaube, dass dies eine allgemeine Information war, weil es ihr wichtig war, dass ich von Anfang an richtig eingespurt werde. Aber vielleicht täuscht mich hier auch meine eigene Selbstwahrnehmung.)

      Nachdem ich das von ihr dreimal gehört hatte, habe ich frech dagegengehalten und sie gefragt, was dies denn im Umkehrschluss dann heißt? Dass ihre wiederholte Aussage sowohl redundant und auch ziemlich einseitig sei. Ist es dann im Gegenzug egal, wie die Ehrenamtlichen mit mir als Hauptamtlicher umgehen? Entweder haben wir als Christ:innen eine grundlegende Art und Weise, wie wir miteinander umgehen oder eben nicht. Darüber hinaus sagte ich ihr dann auch, dass ich die Unterscheidung von Ehren- und Hauptamt in diesem Zusammenhang für grundsätzlich falsch halte.

      Wir werden nie aus der Nummer herauskommen, dass wir aus verschiedensten Anstellungsverhältnissen oder Leitungspositionen heraus aufeinandertreffen und zusammenarbeiten. Dies wird immer vorgegeben sein und dabei ist es egal, ob wir Lehrer:innen in der Schule sind oder im Fußballverein spielen oder mit der Familie unterwegs sind oder uns ehrenamtlich im kirchlichen Binnenraum engagieren. Wir haben einfach unsere unterschiedlichen Rollen und Positionen.

      Viele Menschen sind von ihren (leider oft schlechten) Erfahrungen geprägt und werden in ihren Begegnungen dadurch vorbelastet. Eine meiner Hauptfragen bleibt deshalb: Wie können wir es verhindern, dass unsere inneren Schubladen, die von diesen Erfahrungen angefüllt sind, unser Zusammentreffen und Zusammenarbeiten mit unterschiedlichsten Menschen von vornherein vergiften?

      Für mich ist die erste Frage nicht die nach der Unterschiedlichkeit, ob Kleriker oder Lai:in, Mann oder Frau, ehrenamtlich oder hauptamtlich, oder sonst irgendetwas. Sondern es geht, denke ich, erst einmal darum, was uns allen gemein ist. Auf welcher Grundlage und mit welcher Grundhaltung begegnen wir einander? Ich glaube, das folgende Gedicht legt hierfür im jesuanischen Sinne eine Spur und zeigt zugleich schon in seiner Überschrift eine Stolperfalle auf.

      Gehen die Worte nur Priester an? Ich denke nicht. So hatte ich sie zumindest nie intendiert. Wenn es ein gemeinsames Priestertum gibt, dann resultieren daraus nicht nur gemeinsame Rechte, sondern auch gemeinsame Grundsätze, wie ich den jeweils anderen, unabhängig von seiner Position und seinem Verhältnis zu mir, sehen und behandeln sollte.

      Was wäre, wenn ich die andere nicht oft, nicht manchmal, sondern immer spüren lassen sollte, dass sie geliebt ist. Wenn schon nicht von mir, dann zumindest von Gott.

      Das klingt jetzt nach einer hübschen pastoralen Floskel und nach einer einfachen und ein wenig billigen, frommen Antwort. Aber dies ist, wenn es ernst gemeint wird, alles andere als einfach und floskelhaft oder billig. Es klingt einfach, ist aber kompliziert. Aber es wäre, denke ich, ein guter erster Schritt gegen jegliche klare und unklare Form von Klerikalismus.

      Ein Versuch wäre es wert, fände ich …

       priesterlich

      du bist der fels

      um allen klar zumachen

      auf sie einzureden

      und sie erfahren zu lassen

      dass sie

      jenseits dessen

      was sie getan oder gesagt haben

      unabhängig

      ihrer herkunft

      sexualität oder hautfarbe

      in allem

      was sie sagen können

      oder verschweigen müssen

      trotz allem

      was andere ihnen eingeredet haben

      oder einreden werden

      in allem

      und durch alles hindurch

      ohne jede einschränkung

      felsenfest

      geliebt sind

      amen!

      (aus: Wolfgang Metz, brannte uns nicht das herz? Gedichte, Würzburg 2020, 77)

       Die zwei Seiten der ‚Klerikalismus-Medaille‘

      Die Replik von Johanna Beck auf Wolfgang Metz

      Lieber Wolfgang,

      ich war sehr gespannt, was Du schreiben würdest! Wir haben uns ja im Vorfeld unseres ‚gemischten Doppels‘ (zum Glück ohne Kollar) kennengelernt und uns über tausend interessante Dinge ausgetauscht – aber eigentlich gar nicht über unser Auftragsthema.

      Umso mehr freut es mich, dass wir zwar aus völlig unterschiedlichen Positionen, Rollen und Erfahrungen heraus schreiben, aber doch immer wieder auf ähnliche Punkte СКАЧАТЬ