Название: Narrenschwämme
Автор: Jochen Gartz
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783037884942
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Dagegen lässt sich das Baeocystin als biochemische Vorstufe des Psilocybins, bei dem die eine CH3-Gruppe der letzteren Substanz durch ein H-Atom ersetzt ist, in jedem Fruchtkörper der Psilocybe-Art nachweisen, durchschnittlich in Mengen um 0,2% in den Trockenpilzen. 1967 berichteten Leung und Paul über die Isolation des Baeocystins aus den Fruchtkörpern der nordamerikanischen Psilocybe baeocystis SINGER & SMITH. 1977 wiesen dann Repke und Leslie die Substanz auch in Psilocybe semilanceata der gleichen Herkunft nach.
In einigen Untersuchungen ließ sich auch eine Variation in einzelnen Fruchtkörpern von einem Standort zeigen (Tabelle 2).
Kleinere Pilze enthielten fast immer mehr Alkaloid als größere, wie an einem weitaus größeren Untersuchungsmaterial (40 Pilze) nachgewiesen werden konnte. Das Baeocystin wird besonders in den Pilzhüten akkumuliert. In den finnischen Pilzproben enthielt ein Pilz sogar 2,37% Psilocybin!
Schon in den früheren kontrollierten Studien zur Psychoaktivität verschiedener Arten in der früheren Tschechoslowakei konnte nachgewiesen werden, dass bei gleichem Gehalt an Psilocybin die Psilocybe semilanceata stärker wirkte als die Psilocybe bohemica (Kapitel 2.3.). Die dabei aufgestellte Hypothese, dass noch weitere Substanzen in den Pilzen zur psychotropen Wirkung zusätzlich beitragen müssten, wird durch den regelmäßigen Nachweis des Baeocystins in beachtlichen Mengen in Psilocybe semilanceata bestätigt. Mir ist ein Versuch bekannt, bei dem 4 mg Baeocystin eine milde Halluzinose von dreistündiger Dauer erzeugten und 10 mg waren etwa identisch mit der Wirkung der gleichen Menge Psilocybin.
Hohe Lagerungsbeständigkeit des Psilocybins
Die Lagerungsbeständigkeit des Psilocybins im Pilzmaterial ist erstaunlich. Es konnte in einem Pilzexsikkat von anno 1869 aus einem finnischen Herbar noch 0,014% Psilocybin nachgewiesen werden. Eine Probe von 1843 enthielt allerdings kein Alkaloid mehr. Jedoch lässt sich die Art der Trocknung zu dieser Zeit natürlich nicht mehr feststellen. Temperaturen über 50 °C bewirken Zersetzungen des Psilocybins und seiner Derivate. In den Laborversuchen wurden bei Zimmertemperatur getrocknete Pilze oder auch gefriergetrocknete Fruchtkörper untersucht. Hier muss aber darauf hingewiesen werden, dass durch die poröse Struktur der gefriergetrockneten Pilze bei einer längeren Lagerung über Wochen und Monate bei 20 °C eine relativ schnelle Zersetzung der Alkaloide eintritt. Deshalb werden so hergestellte Exsikkate für Naturstoffanalysen bis zur Extraktion und Chromatographie bei −10 °C trocken aufbewahrt. In der nordamerikanischen Literatur wird unabhängig von den finnischen Ergebnissen erwähnt, dass die Zersetzung des Psilocybins in Psilocybe semilanceata im Vergleich zu den andern Arten am langsamsten erfolgte.
In letzter Zeit werden vereinzelt Mythen kreiert, die angeblich neuentdeckte toxische Wirkungen der Psilocybe semilanceata jenseits der bekannten psychischen Symptomatik suggerieren. So sollen Milligrammspuren von Phenylethylamin im Pilz vermehrt „bad trips“ im Vergleich zu reinem Psilocybin induzieren. Diese Annahme, die aus sehr limitierten und unvergleichbaren Literaturdaten abgeleitet wurde, wird schon daher entkräftet, dass selbst 1,6 g (!) Phenylethylamin im klinischen Versuch völlig ohne Wirkung blieben (Shulgin). Außerdem zeigten Auert und Mitarbeiter in einem detaillierten Artikel aus der Tschechoslowakei von 1980, dass beim kontrollierten klinischen Vergleich von Psilocybin mit Pilzmaterial gleichen Alkaloidgehaltes die Arten Psilocybe semilanceata und Psilocybe bohemica generell einen mehr meditativen Bewusstseinszustand erzeugten als die Reinsubstanz! (vgl. auch Kapitel 9). Wir haben außerdem nachgewiesen, dass eine angeblich tödliche Wirkung der Psilocybe semilanceata, mit vorher total konfuser Symptomatik in Frankreich, mit Sicherheit nicht von der Einnahme der Pilzart herrührte. Eine weitere, kurze Mitteilung aus Polen beschrieb neuerdings eine völlig atypische Wirkung der Pilzart, die hier sogar einen durch Psilocybin bedingten Herzinfarkt bei einem Achtzehnjährigen induziert haben soll. Abgesehen davon, dass hunderttausende Versuche in allen Altersgruppen bis hin zu neunzigjährigen mexikanischen Heilern mit 80-jähriger Pilzerfahrung mit verschiedensten Arten und Dosierungen nie solche Komplikationen erzeugt haben, wurde von den polnischen Forschern nicht einmal der Versuch unternommen, toxikologisch verschiedene mögliche Gifte wie z. B. Abkömmlinge des Amphetamins, Atropin oder analoge Arzneimittel im Sinne einer Mischvergiftung zu finden. Sofort wurden die Pilze als ursächliches Agens postuliert und man wird den dringenden Verdacht nicht los, dass jenseits der Wissenschaft unbedingt bedrohliche toxische Nebenwirkungen gefunden werden sollen, unter Vernachlässigung der ethnopharmakologischen und klinischen Forschung mehrerer Jahrzehnte (vgl. auch Absatz 7 u. 8).
Es ist sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis die angeblichen Fenstersprünge nach LSD-Einnahme aus den sechziger Jahren journalistisch erneut reaktiviert und nun „modern“ auf die Pilze projiziert werden. Dies entgegen den pharmakologischen Eigenschaften, die eben kein Delirium à la Nachtschattengewächse beinhalten.
2.2. Psilocybe germanica
Der „neue“ Psilocybinpilz aus Deutschland
Der „Deutsche Kahlkopf“ ist eine Neuentdeckung aus dem Jahr 2014. Psilocybe germanica GARTZ & WIEDEMANN wurde von Jochen Gartz und Georg Wiedemann in Dippoldiswalde (Sachsen) entdeckt, im größten deutschen Herbarium in Berlin-Dahlem hinterlegt und wissenschaftlich beschrieben. Die neue Art wurde von den Erstbeschreibern nach den Elbgermanen benannt, die vor 2000 Jahren an dem Fundort gesiedelt hatten. Psilocybe germanica war bisher vollkommen unbekannt, sie ist bislang nur in Deutschland gefunden worden.
Die Art wächst häufig in Gruppen und tritt zuweilen in Büscheln auf. Der Deutsche Kahlkopf ist ein Holzzersetzer, gedeiht also auf Rinden und Mulch, auf Holzschnitzeln und -resten und auch auf einer Mischung aus Holz, Laub und Erde. Psilocybe germanica fruktifiziert von September bis in den Dezember und kann z. B. in Parks gefunden werden, jedoch erscheint eine Ausbreitung in Wäldern auch in höheren Lagen möglich. Die Pilze wuchsen am größten Standort in Massen bis hin zu büscheligen Aggregaten. Die Art erscheint im Wachstum ähnlich aggressiv wie die Myzelien von Psilocybe cyanescens und Psilocybe azurescens, eine zukünftige Ausbreitung wie bei diesen Arten kann daher künftig auch von Psilocybe germanica erwartet werden.
Die Pilze erscheinen von September bis November, vielleicht auch im Dezember. Kurze Schneefälle und mehrere Nächte mit kurz unter null Grad brachten das Pilzwachstum nicht zum Erliegen. Als neue Art zeigt Psilocybe germanica eine einzigartige Kombination aus Makro- und Mikromerkmalen sowie der Biochemie (GARTZ 2018).
Der Hut der Spezies ist 1 bis 4 cm breit und weist ähnlich dem Psilocybe semilanceata eine Mammille im Zentrum auf. Im feuchten Zustand ist er dunkelbraun und verfärbt sich beim Austrocknen zu weißlich hin. Die Lamellen sind zunächst bräunlich und verfärben sich bei zunehmender Reife der Sporen zu purpur-braun hin. Der weißliche und gebogen wachsende, nach oben hin dicker werdende Stengel wird 5 bis 9 cm lang und 0,3 bis 0,7 cm dick. Anfänglich ist er mit Myzelium gefüllt, später hohl. Außerdem weist der Stiel eine äußerliche Eigenart auf. Jochen Gartz beschreibt es im Magazin Lucys Rausch als „eindrucksvolle Verdickungen der neuen Art bei den Frischpilzen nach Art eines Gelenks, wobei bei älteren Pilzen tatsächlich der Hut ab dieser Stelle nach vorn knickte“ (GARTZ 2015). Hut und Stiel blauen bei Berührung, Frost und Regen können ebenso eine starke Blauung der Fruchtkörper bewirken. Die Mammille auf dem Hut verfärbt sich mit der Zeit meist von selbst in Richtung grau-bläulich. Die blaue Verfärbung ist weit größer als bei СКАЧАТЬ