Название: Gesammelte Werke
Автор: Sinclair Lewis
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4066338121103
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Am Abend verließ Fern die Stadt.
Carola brachte sie zum Zug. Die beiden Mädchen bahnten sich ihren Weg durch eine schweigende Menge, die sich die Lippen schleckte. Carola wollte sie mit Blicken einschüchtern, aber vor der Bosheit der Jungen und dem blöden Starren der Männer wurde sie verwirrt. Die Lehrerin sah nicht hin. Carola fühlte ihren Arm zittern, aber Fern weinte nicht, sie stapfte gleichgültig einher. Sie drückte Carola die Hand, sagte etwas Unverständliches und stolperte in den Waggon hinauf.
Carola dachte daran, daß Miles Bjornstam auch mit der Bahn weggefahren war. Wie würde es bei ihrer eigenen Abreise auf dem Bahnhof aussehen?
Den Rückweg nahm Carola durch eine Seitengasse. Sie kam an Cy Bogart vorbei. Vor einer Gruppe, die aus Nat Hicks, Del Snafflin, dem Mixer Bert Tybee und dem Winkeladvokaten A. Tennyson O'Hearn bestand, erzählte er gutgelaunt von seiner Heldentat.
Erst nach einer Woche bekam sie von Fern einen Brief, in dem unter anderem stand:
»… und selbstverständlich hat meine Familie die Geschichte nicht eigentlich geglaubt, aber sie war überzeugt, daß ich etwas Schlechtes getan haben muß, und hat mir deshalb eine allgemeine Pauke gehalten, sie haben mir so lange zugesetzt, bis ich in eine Pension gezogen bin. Die Lehrervermittlungsbüros müssen die Geschichte kennen, in dem einen wurde mir fast die Tür vor der Nase zugeschlagen, als ich um eine Stellung nachsuchte, und in einem anderen hat sich die Frau, die Dienst hatte, brutal und ekelhaft benommen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll …«
Zweiunddreißigstes Kapitel
1
An einem Novemberabend, als Kennicott über Land war, klingelte es; Carola öffnete und fand zu ihrer Verwirrung Erik an der Tür, gebeugt, ein Flehen in den Augen, die Hände in den Manteltaschen. Als hätte er es auswendig gelernt, beschwor er sie:
»Ich hab' Ihren Mann wegfahren sehen. Ich muß mit Ihnen sprechen. Ich kann es nicht aushalten. Gehen Sie mit mir spazieren. Ich weiß! Man wird uns vielleicht sehen. Aber vielleicht doch nicht, wenn wir weiter hinausgehen. Ich werde beim Speicher auf Sie warten. Und wenn's auch lange dauert – Oh, kommen Sie schnell!«
»In ein paar Minuten«, versprach sie.
Sie murmelte: »Ich werd' nur eine Viertelstunde mit ihm reden und wieder nach Haus gehen.«
Sie fand ihn im Schatten des Weizenspeichers, wie er verdrossen mit seiner Fußspitze das Gleis bearbeitete. Als sie sich ihm näherte, glaubte sie zu sehen, daß sein ganzer Körper sich dehnte. Aber sie sagten beide nichts; er streichelte ihren Ärmel, sie den seinen, sie überquerten den Eisenbahndamm, kamen auf eine Straße und gingen ins Land hinaus.
»Eine kalte Nacht, aber ich hab' dieses melancholische Grau gern«, sagte er.
»Ja.«
Sie kamen an einer traurigen Baumgruppe vorbei und stapften auf der nassen Straße weiter. Er nahm ihre Hand in die Seitentasche seines Mantels. Sie griff nach seinem Daumen und hielt ihn, seufzend, genau so, wie Hugh den ihren hielt, wenn sie spazierengingen. Sie dachte an Hugh. Das Mädchen, das sie gerade hatte, war wohl im Haus, aber war es ganz ungefährlich, ihr das Kind zu überlassen? Der Gedanke war ganz fern und flüchtig.
Erik begann langsam zu sprechen. Er entwarf ihr ein Bild von seiner Arbeit in einer großen Schneiderwerkstatt in Minneapolis: der Dampf, die Hitze, die Plackerei. »Aber ich bin immer in die Kunstsammlungen und in die Walker-Galerie gegangen, ich hab' Spaziergänge um den Harrietsee gemacht oder bin zu Gates hinaus und hab' mir vorgestellt, es wäre ein Schloß in Italien, in dem ich wohne. Ich war ein Marquis und sammelte Gobelins – das war, nachdem ich in Padua verwundet worden war. Nur einmal ist es wirklich schlimm geworden, das war, wie ein Schneider, Finkelfarb, ein Tagebuch, das ich geführt hab', gefunden und in der Werkstatt laut vorgelesen hat – das hat 'ne böse Keilerei gegeben.« Er lachte. »Fünf Dollar sind mir aufgebrummt worden. Aber das ist jetzt alles vorbei. Mir scheint, Sie stehen zwischen mir und den Gasöfen – den langen Flammen mit purpurroten Rändern, die um die Eisen lecken und den ganzen Tag dieses höhnende Geräusch machen – eeeeeeih! … Sagen Sie, äh – Carola, ich hab' ein Gedicht über Sie geschrieben.«
»Das ist nett. Lassen Sie mal hören.«
»Verdammt noch einmal, seien Sie nicht so gleichgültig! Können Sie mich denn nicht ernst nehmen?«
»Mein lieber Junge, wenn ich Sie ernst nähme –! Ich will nicht, daß wir uns noch mehr weh tun als – als wir ohnedies müssen. Sagen Sie mir das Gedicht. Es ist noch nie ein Gedicht über mich geschrieben worden!«
»Es ist eigentlich kein Gedicht. Es sind nur ein paar Worte, die ich liebe, weil ich glaube, daß sie erfassen, was Sie sind. Natürlich, auf andere Leute werden sie nicht so wirken, aber – Also –
›Klein und zärtlich und heiter und klug
Mit Augen, die in meine Augen sehen.‹
Verstehen Sie's so, wie ich?«
»Ja! Ich bin schrecklich dankbar!« Und sie war dankbar – während sie sachlich konstatierte, wie schlecht es war.
Die Lichter eines Automobils wuchsen zauberhaft schnell; waren über ihnen; blieben plötzlich stehen. Aus dem Dunkel hinter der Windschutzscheibe kam eine Stimme hervor, geärgert, scharf: »Heda, ihr!«
Sie merkte, daß es Kennicott war.
Der Ärger in seiner Stimme legte sich. »Spazieren gegangen?«
Sie gestanden es ein wie Schulkinder.
»Hübsch naß, was? Besser, ihr fahrt zurück. Kommen Sie da vorn rauf, Valborg.«
Wie er die Tür aufmachte, das war ein Befehl. Carola sah, daß Erik hineinstieg, daß sie wohl im Fond sitzen sollte, und daß man es ihr überlassen hatte, sich selbst den Schlag zu öffnen. Im Nu war das Wunder, das über den stürmischen Himmel geflammt hatte, erloschen, und sie war Frau W. P. Kennicott aus Gopher Prairie, fuhr in einem klappernden alten Automobil und hatte wahrscheinlich eine Predigt von ihrem Mann zu erwarten.
Sie hatte Angst davor, was Kennicott zu Erik sagen würde. Sie beugte sich vor. Kennicott bemerkte: »'s wird wohl regnen, bevor die Nacht vorüber ist.«
Als sie zu Hause waren, kam es:
»Also, Carrie, es wär' gescheiter« – er warf seinen Mantel auf einen Sessel, ging auf sie zu und sprach mit etwas lauterer, erregter Stimme weiter – »es wär' gescheiter für dich, jetzt Schluß zu machen. Ich will nicht den empörten Ehemann spielen. Ich hab' dich gern und СКАЧАТЬ