Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sinclair Lewis: Die großen Romane - Sinclair Lewis страница 81

Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

isbn:

СКАЧАТЬ will ich kein Schneider sein!«

      »Aber, Erik!« sagte sie im Ton einer gelinde empörten Mutter.

      Es fiel ihr ein, daß sie gar kein Kostüm brauchte, und daß es auch etwas schwierig gewesen wäre, diese Bestellung Kennicott zu erklären.

      Er sprang vom Tisch herunter. »Ich möchte Ihnen was zeigen.« Er durchstöberte den Zylinderschreibtisch Nat Hicks' und zog etwas heraus, das er ihr ängstlich zeigte. Es war eine Skizze für ein Kleid. Sie war nicht gut gezeichnet, zu manieriert; aber das Kleid hatte einen sehr originellen Rücken.

      »Das ist fabelhaft. Aber Frau Clark wäre einfach entsetzt!«

      »Ja, nicht wahr!«

      »Sie müssen sich mehr gehen lassen, wenn Sie zeichnen.«

      »Ich weiß nicht, ob ich kann. Ich hab' 'n bißchen spät angefangen. Aber hören Sie mal! Was, meinen Sie, hab' ich in den letzten zwei Wochen gemacht? Ich hab' eine Lateingrammatik fast ganz ausgelesen und so an die zwanzig Seiten Cäsar.«

      »Ausgezeichnet! Sie haben Glück. Sie werden von keinem Lehrer verkünstelt.«

      »Sie sind mein Lehrer!«

      In seiner Stimme klang etwas gefährlich Persönliches mit. Sie war beleidigt und erregt. Sie drehte ihm den Rücken zu, sah durch das Hinterfenster hinaus und beobachtete eine Zeitlang dieses typische Zentrum eines typischen Hauptstraßenblocks.

      Sie riß sich aus dem Mitleid mit sich selber und versetzte sich in Erik hinein. Sie drehte sich wieder um und sagte empört: »Es ist scheußlich, daß dieses hier Ihre ganze Aussicht ist.«

      Er dachte nach. »Das da draußen? Das seh' ich kaum. Ich lerne, nach innen zu sehen. Das ist nicht grade leicht!«

      »Ja … Ich muß mich tummeln.«

      Als sie heimging – ohne sich zu beeilen – fiel ihr ein, daß ihr Vater einmal zu einer zehn Jahre alten Carola gesagt hatte: »Mein Kind, nur ein Narr glaubt schöne Einbände verachten zu können, aber nur ein dreidoppelter Narr liest nichts außer Einbänden.«

      Es erschreckte sie, daß ihr Vater wiederkam, die plötzliche Überzeugung erschreckte sie, daß sie in diesem flachshaarigen Jungen den grauen, schweigsamen Richter wiedergefunden hatte, der die göttliche Liebe und vollkommenes Verstehen war. Sie stritt mit sich, sie leugnete es wütend, bestätigte es sich, machte es lächerlich. Nur einer Sache war sie voll Unbehagen sicher: in Will Kennicott war nichts von dem geliebten Bild des Vaters.

      4

      Frau Dyer schien nicht das Vorurteil der Stadt gegen Erik zu teilen. »Er ist ein hübscher Kerl; wir müssen ihn mal zu einem von unseren Picknicks mitnehmen.« Wider Erwarten hatte auch Dave Dyer ihn gern. Dieser filzige kleine Possenreißer empfand verwirrte Ehrfurcht vor allem, was ihm kultiviert oder klug vorkam. Auf Harry Haydocks Spötteleien antwortete er: »Jetzt ist's aber genug! ›Elizabeth‹ richtet sich vielleicht zu sehr her, aber er ist gescheit, das dürfen Sie nicht vergessen! Ich hab' überall rumgefragt, um rauszukriegen, wo diese Ukraine liegt, und ich will verdammt sein, wenn er mir's nicht gesagt hat. Was liegt schon dran, daß er so manierlich redet? Himmelherrgott noch einmal, Harry, höflich sein ist keine Sünde. Es gibt schon 'n paar richtige ganze Mannskerle, die genau so manierlich sind wie Weiber, so ziemlich.«

      Carola ertappte sich dabei, daß sie frohlockte: »Wie freundlich ist doch die Stadt!« Bekümmert dachte sie weiter: Verlieb' ich mich in den Jungen? Das ist lächerlich! Ich interessiere mich nur für ihn. Es macht mir Freude, daran zu denken, wie ich ihm zu Erfolg verhelfen kann.

      Aber während sie im Wohnzimmer Staub wischte, ein Hemdbündchen flickte, Hugh badete, malte sie sich aus, wie sie und ein junger Künstler – ein namenloser und zerfließender Apollo – ein Haus in den Berkshires oder in Virginien bauten; wie sie jubelnd vom ersten Scheck einen Sessel kauften; gemeinsam Gedichte lasen und öfters sich ernsthaft mit wertvollen Arbeiterstatistiken beschäftigten; früh aufstanden, um einen Sonntagsspaziergang zu machen und (wo Kennicott gegähnt hätte) bei Butter und Brot an einem See plauderten. Hugh war immer mit in den Phantasien und betete den jungen Künstler an, der aus Stühlen und Teppichen Schlösser für ihn baute. Außer diesen Spielereien sah sie, »was ich für Erik tun könnte« – und sie gestand sich ein, daß Erik zu dem Bild ihres ziemlich vollkommenen Künstlers gehörte.

      Erschrocken ließ sie nicht davon ab, Kennicott Aufmerksamkeiten zu erweisen, wenn dieser in Ruhe gelassen werden und seine Zeitung lesen wollte.

      Neunundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      1

      An einem Sonnabendvormittag im Anfang des Septembers kam Fern Mullins ins Haus gelaufen und rief Carola aufgeregt zu: »Am nächsten Dienstag fängt die Schule an. Bevor ich wieder eingesperrt bin, muß ich noch was Lustiges machen. Wir wollen doch sehen, daß wir für heute nachmittag ein Picknick am See zustande bringen. Wollen Sie nicht mit dem Doktor kommen, Frau Kennicott?«

      Das Picknick kam zustande, die Teilnehmer waren Carola, Fern, Erik, Cy Bogart und die Dyers.

      Als sie sich zum Abendessen ins Gras setzten, stieg Cy auf einen Baum und warf Eicheln hinunter.

      Allein Carola konnte nicht lustig werden.

      Sie hatte sich jung gemacht, mit gescheiteltem Haar, mit Matrosenbluse und großer blauer Schleife, mit weißen Leinenschuhen und kurzem Waschkleid. Aber sie war gehemmt. Sie wartete darauf, daß Erik zu ihr käme. Er kam nicht. Anscheinend hatten ihn die Dyers seiner Fröhlichkeit wegen liebgewonnen.

      Carola versicherte sich: »Was für Fehler ich auch habe, eifersüchtig könnte ich bestimmt nie sein. Ich habe Maud gern; sie ist immer so nett. Aber ich weiß nicht, ob sie nicht doch ganz gern nach Männern angelt? Sie spielt mit Erik, und dabei ist sie verheiratet – Na – Ekelhaft!«

      Carola blieb Dave überlassen, der sie mit humoristischen Berichten über Ella Stowbodys Vorliebe für Pfefferminzpralinés zu unterhalten suchte. Sie sah, wie Maud Dyer die Hand auf Eriks Schulter lehnte, um sich zu stützen.

      »Ekelhaft!« dachte sie.

      Cy Bogart nahm Ferns sehnige Hand in seine rote Tatze, und als sie halb geärgert aufsprang und rief: »Lassen Sie los, sag' ich Ihnen!« grinste er und fuchtelte mit seiner Pfeife herum – ein tölpischer zwanzigjähriger Satyr.

      »Ekelhaft!«

      Dann ruderte sie mit Erik über den See. Sie gingen an Land und setzten sich auf einen Baumstumpf. Ringsum raschelten Lindenblätter. Er flüsterte:

      »Ich wollte – Ist Ihnen kalt?«

      »Ein bißchen.« Sie zitterte. Aber es war nicht vor Kälte.

      »Ich wollte, wir könnten uns dort in das Laub legen, uns ganz zudecken und ins Dunkel hinaussehen.«

      »Ich wollte, wir könnten.« Als ob es in selbstverständlicher Tröstlichkeit klar wäre, daß sie nicht ernst genommen zu werden wünschte.

СКАЧАТЬ