Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
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Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

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СКАЧАТЬ aß in der Küche. Aber die Tür war offen, Carola fragte: »Haben Sie heute bei Dahl im Fenster Enten gesehen?« und Bea sang zurück: »Nein, Ma'am. Hören Sie, wir haben uns heute nachmittag fein amüsiert. Tina hat Kaffee und Knäckebröd gehabt und ihr Schatz war da, und wir haben immer nur gelacht und gelacht, und ihr Schatz hat gesagt, er ist Präsident, und er wird mich zur Königin von Finnland machen, und ich hab' mir 'ne Feder ins Haar gesteckt und gesagt, ich bin in den Krieg gegangen – oh, wir waren so dumm und haben so gelacht!«

      Als Carola wieder am Klavier saß, dachte sie nicht an ihren Mann, sondern an den in Büchern vergrabenen Eremiten Guy Pollock.

      »Wenn ihn ein Mädchen wirklich küßte, würde er aus seinem Loch herauskriechen und ein Mensch werden. Wenn Will so literarisch wäre wie Guy, oder Guy so energisch wie Will, dann, glaub' ich, könnte ich's sogar in Gopher Prairie aushalten.

      Es ist so schwer, Will zu bemuttern. Mit Guy könnt' ich mütterlich sein. Fehlt mir das, etwas zum Bemuttern, ein Mann oder ein Kind oder eine Stadt? Ich will ein Kind haben. Einmal. Aber wenn es dann gerade in den eindrucksvollsten Jahren hier eingesperrt sein muß –«

      Und so ins Bett.

      »Ist Bea und der Küchenklatsch wirklich das richtige für mich?

      Oh, du fehlst mir, Will. Aber es wird angenehm sein, wenn ich mich im Bett umdrehen kann, so oft ich will, ohne Angst zu haben, daß ich dich aufwecken werde.

      Bin ich wirklich das, was man eine ›verheiratete Frau‹ nennt? Ich komme mir heute abend so unverheiratet vor, so frei. Zu denken, daß es einmal eine Frau Kennicott gegeben hat, die sich von einer Stadt namens Gopher Prairie hat ärgern lassen, wo doch eine ganze Welt draußen war!

      Natürlich wird Will auch gern Gedichte lesen.«

      2

      Der zweite Tag von Kennicotts Abwesenheit.

      Sie floh aus dem gruseligen Haus und machte einen Spaziergang. Es waren dreißig Grad unter Null, viel zu kalt, um sie fröhlich zu stimmen. An den offenen Stellen zwischen den Häusern packte sie der Wind. Er stach, er biß in Nase, Ohren und schmerzende Wangen, und sie eilte von einer schützenden Stelle zur anderen, kam von einer Scheune gedeckt wieder zu Atem, war dankbar für den Schutz eines Anschlagbrettes, das mit zerfetzten Plakaten bedeckt war.

      Das Eichengehölz am Ende der Straße erweckte Gedanken an Indianer, Jagden und Schneeschuhe, und sie eilte weiter, ins offene Land hinaus zu einer Farm und einem niedrigen Hügel, auf dem sich harter Schnee wellte. In ihrem weiten Nutriamantel, mit dem Sealbarett, mit den mädchenhaften Wangen, paßte sie auf diesen unfreundlichen Hügel wie ein prächtiger bunter Vogel auf ein Eisfeld. Ihr Herz zitterte in dieser stillen Einsamkeit, wie ihr Leib im Wind zitterte.

      Sie lief zurück in den Ort und wollte sich den ganzen Weg nicht eingestehen, daß sie sich nach dem gelben Licht städtischer Schaufenster und Restaurants sehnte, oder nach den primitiven Wäldern mit seinen Pelzkapuzen und Flinten, oder nach einem warmen, dunstigen Scheunenhof, in dem Geflügel und Vieh lärmte, aber bestimmt nicht nach diesen düsteren Häusern, nach diesen Straßen mit schmutzigem Schnee und Klumpen gefrorenen Kotes. Das Schöne des Winters war vorbei. Drei Monate noch bis zum Mai konnte die Kälte bleiben, konnte der Schnee immer schmutziger, der geschwächte Körper weniger widerstandskräftig werden. Sie wunderte sich darüber, daß die guten Bürger sich nicht davon abbringen ließen, es durch ihre Vorurteile noch kälter zu machen, daß sie nicht die Häuser ihrer Seelen wärmer und leichter machten, wie die klugen Plauderer in Stockholm und Moskau.

      Sie umging den Rand der Ortschaft und sah die Kneipe, die »Schwedenloch« hieß. Überall, wo mehr als drei Häuser beisammen stehen, gibt es in mindestens einem Haus eine Kneipe. In Gopher Prairie prahlten die Sam Clarks: »Hier gibt's nichts von der Armut, die man in den Städten findet, immer viel Arbeit – Armenpflege ist gar nicht notwendig – ein Kerl muß schon verdammt ungeschickt sein, wenn er nicht vorwärts kommt«. Aber jetzt, da die sommerliche Laub- und Grasmaske weg war, entdeckte Carola Elend und tote Hoffnungen. In einer armseligen mit Dachpappe gedeckten Bretterbude sah sie die Wäscherin, Frau Steinhof, in grauem Dampf arbeiten. Draußen hackte ihr sechsjähriger Junge Holz. Er hatte eine zerrissene Jacke an, und ein Halstuch, das blau war wie abgerahmte Milch. Seine Hände staken in roten Fäustlingen, aus denen die aufgesprungenen rauhen Knöchel hervorschauten. Er machte Pausen im Hacken, um sich auf die Hände zu blasen, um gleichgültig zu weinen.

      Eine vor kurzem angekommene finnische Familie hauste in einem verlassenen Stall. Ein achtzigjähriger Mann sammelte auf der Straße Kohlen auf.

      Sie wollte durch das Kneipenviertel nach Hause gehen. Vor einer Dachpappbude, an einem türlosen Eingang, stand ein Mann in derbem braunen Hundefellmantel und schwarzer Mütze mit Ohrenklappen, der sie beobachtete. Sein viereckiges Gesicht sah selbstsicher aus, sein fuchsroter Schnurrbart gab ihm etwas Räuberhaftes. Er stand aufrecht da, die Hände in den Manteltaschen, und zog langsam an seiner Pfeife. Er war wohl fünf- oder sechsundvierzig Jahre alt.

      »Tag, Frau Kennicott«, sagte er langsam.

      Sie erinnerte sich seiner – das Stadtfaktotum, das zu Anfang des Winters ihren Ofen in Ordnung gebracht hatte.

      »Oh, guten Tag«, rief sie unsicher.

      »Ich heiße Bjornstam. ›Den roten Schweden‹ nennen mich die Leute. Erinnern Sie sich noch? Ich hab' immer schon gedacht, ich möcht' Ihnen mal wieder Guten Tag sagen.«

      »Ja – ja – ich habe mir ein bißchen die äußeren Stadtteile angesehen.«

      »Ja. Schöne Schweinerei. Keine Kanalisierung, keine Straßenreinigung, und der Lutheranergeistliche und der Pfaff vertreten Künste und Wissenschaften. Na, Donnerwetter, wir elendes Zehntel hier draußen im Schwedenloch sind doch auch nicht schlechter als ihr. Gott sei Dank, wir brauchen uns nicht hinzustellen und in der Lustigen Siebzehn vor Juanita Haydock zu katzbuckeln.«

      Die Carola, die meinte, daß sie sich überall anpassen könnte, empfand es unangenehm, daß ein nach Pfeifenrauch stinkender Tagelöhner sie zu seiner Kameradin machte. Wahrscheinlich war er ein Patient ihres Mannes, aber sie mußte ihre Würde wahren.

      »Ja, auch in der Lustigen Siebzehn ist es nicht immer amüsant. Heute ist's wieder sehr kalt, nicht? Also –«

      Bjornstam verabschiedete sich nicht respektvoll. Er traf keine Vorbereitungen dazu, an der Stirnlocke zu zupfen. Seine Augenbrauen bewegten sich, als hätten sie ein eigenes Leben. Mit einem leichten Grinsen fuhr er fort:

      »Vielleicht hätt' ich über Frau Haydock und ihre feierliche Siebzehn nicht so frech reden sollen. Ich glaub', es wär' ein Heidenspaß für mich, wenn man mich einladen würde, mal zu der Bande zu gehen. Ich bin wohl das, was die 'nen Paria nennen. Ich bin der schwarze Mann von der Stadt, Frau Kennicott. Der Stadtatheist, und wahrscheinlich muß ich auch Anarchist sein. Jeder, der die Bankiers und die Große Alte Republikanische Partei nicht liebt, ist ein Anarchist.«

      Carola war, ohne es zu merken, aus ihrer Abschiedshaltung in eine lauschende Haltung gerutscht, sie hatte ihm ihr Gesicht ganz zugewandt, den Muff gesenkt. Sie stammelte:

      »Ja, das wird schon so sein.« Ihr eigener Groll machte sich Luft. »Ich seh' nicht ein, warum Sie die Lustige Siebzehn nicht kritisieren sollen, wenn Sie Lust dazu haben. Die sind auch nicht heilig.«

      »O ja, das sind sie! Das Dollarzeichen hat das Kruzifix von überall verdrängt. Aber übrigens, mir hat keiner was gesagt. Ich tu', was ich will, und da sollt' СКАЧАТЬ