Название: Zwei Minuten Ewigkeit
Автор: Bo Katzman
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783905958379
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So ein Lebensplan hat also nichts Fatalistisches an sich, nichts ist wirklich vorbestimmt und unausweichlich, aber auch nicht zufällig oder unvorhergesehen. Wie im Navigationsgerät, in dem nicht nur alle Autobahnen, sondern auch sämtliche Seitenwege gespeichert sind, so sind auch in unserem Lebensplan alle Abweichungen einkalkuliert und als Möglichkeit vorgesehen.
Über allem steht aber jederzeit unser freier Wille. Sogar Gott fügt sich unseren Entscheidungen und schreibt uns nichts vor. Wir haben mit den Zehn Geboten lediglich eine Anweisung bekommen, wie wir unser Ziel auf schnellstem Weg erreichen können. Die Zehn Gebote sind ja keine Verbote, sondern liebevolle An-Gebote oder Vorschläge, die uns die Arbeit erleichtern sollen. Die Entscheidung, ob wir sie befolgen wollen, liegt bei uns.
Mit dem freien Willen haben wir aber auch die volle Verantwortung für unsere Entscheidungen übernommen – ein Faktor, der einerseits befreiend wirkt, aber uns andererseits auch Steine in den Weg legt, weil wir uns immer wieder für den »guten« oder den »schlechten« Weg entscheiden müssen. Das ist der Lerneffekt, der aus diesem Leben resultieren soll.5 (Anmerkung Seite 347)
Bevor wir ein Menschenleben antreten, planen wir also mithilfe von beratenden Geistern den »Level« oder den Schwierigkeitsgrad, in dem wir dieses Leben absolvieren wollen. Dabei müssen wir verschiedene Faktoren einbeziehen: In welchem Mass möchte ich die angestauten (oder religiös ausgedrückt: ungesühnten) Fehlleistungen aus vorangegangenen Leben abarbeiten? Das heisst: Wie viel Leid, welches ich anderen angetan habe, traue ich mir zu, in einem Leben selber zu erleiden, um den kosmischen Ausgleich wiederherzustellen?
Es gibt Individuen, die entscheiden sich während der Planungsphase dafür, in ihrem bevorstehenden Leben möglichst viel abzuarbeiten und bürden sich daher ein schweres, leidvolles auf. Andere nehmen sich vielleicht eine Auszeit und bereiten sich auf ein gemütliches Leben in Reichtum und Wohlergehen vor, das sie unter Vermeidung von Problemen und Hindernissen verplempern. Aber mit einem leichten Leben kann man keine grossen Fortschritte machen, und man schiebt die zu erledigenden Aufgaben nur vor sich her. Ich nehme an, dass Jesus sich auf diesen Umstand bezog, als er sagte: »Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel.«
Ein weiteres Kriterium, das es in die Lebensplanung einzubeziehen gilt, ist der Faktor der Versuchungen, bei denen wir unsere Standhaftigkeit und unsere Entscheidung zu Ehrlichkeit und Gerechtigkeit unter Beweis stellen können. »Du sollst nicht stehlen« empfehlen unter anderem die Zehn Gebote. Wenn es also zum Beispiel dazu kommt, dass wir uns bei einer Gelegenheit für eine unehrliche Bereicherung oder einen Verzicht entscheiden sollen, dann programmieren wir unser Lebens-GPS für einen Umweg oder für die Abkürzung. »Gelegenheit macht Diebe«, heisst es, und genau solchen Versuchungen zu widerstehen, ist eine weitere Aufgabe in unserem Leben.6 (Anmerkung Seite 348)
Ebenso gehört zur Lebensplanung die Möglichkeit, Gutes zu tun: Tatkräftige Hilfe ist da ebenso gefragt wie Verzicht auf eigenen Profit zugunsten anderer, Anteilnahme, gute Erziehung unserer Kinder und vieles mehr. Geld kann – als Prüfstein – in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen: Einerseits kann es zu Geiz und Habsucht verführen, andererseits ein heilbringendes Mittel sein, um Grosszügigkeit und Freigebigkeit zu üben und damit Elend zu lindern und Freude zu bereiten.
»Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon« (Lk 16,9), hat sogar Jesus geraten.
Wenn wir also den gewünschten Schwierigkeitsgrad unseres zukünftigen Lebens definiert haben, werden in dem riesigen Welttheater Zeitpunkt, Ort und passende Umstände ausgesucht, in denen wir auf die Herausforderungen treffen, die wir bestehen möchten, und wir werden in diese hineingeboren. Wir sind also ausnahmslos selber zuständig für unser Leben und alles, was darin passiert, und alle unsere Entscheidungen tragen dazu bei, unsere weitere Existenz über dieses Leben hinaus zu beeinflussen. Es hat also keinen Sinn, ein böses Schicksal oder einen ungerechten Gott anzuklagen, wenn einem etwas Unangenehmes widerfährt. Gerade wenn man sich in einer leidvollen Situation befindet, hat es nämlich etwas Tröstliches, zu wissen, dass man soeben dabei ist, eine selbst gewählte Aufgabe zu erledigen oder eine alte Schuld abzulegen. Dass diese Prüfung mit Leid verbunden ist, liegt in der Natur der Sache und darf uns nicht gegen unser eigenes Schicksal aufbringen oder uns dazu führen, einen Gott anzuklagen: »Warum lässt du so etwas zu?«
Gott lässt das zu, was wir gewählt haben!
Diese Erkenntnisse durchströmten mich in jenem Moment, als ich von dem Licht der Weisheit und der Liebe umhüllt wurde.
»Nun weisst du es. Geh wieder zurück. Du hast noch eine Aufgabe zu erfüllen.« Diese Durchsage drang im Augenblick der wunschlosen Glückseligkeit in mein Bewusstsein. Dann riss der Film.
Zurück im Leben
In der Zwischenzeit war es dem Ärzteteam nämlich gelungen, mein Herz wieder zum Pumpen zu bringen. Mit dem ersten Herzschlag war ich wieder in meine sterbliche Hülle gefahren und in die tiefe Bewusstlosigkeit zurückgefallen, in der ich mich vor meinem Exitus befunden hatte. Im Operationssaal beschäftigte man sich nun fieberhaft damit, meine geborstenen Knochen und zerrissenen Innereien zusammenzuflicken. Davon bekam ich aber nicht das Geringste mit, da der Anästhesist gute Arbeit geleistet hatte.
Stunden später erwachte ich allmählich aus meinem Koma. Aber was war mit mir geschehen? Wo war das warme Licht, die atemraubende Erkenntnis der Allwissenheit, wo war das befreiende Schweben in der Zeitlosigkeit?
Ich blinzelte unter meinen geschwollenen Lidern hervor, und was da in mein Bewusstsein drang, traf mich wie ein Keulenschlag. Ich lag in einem grünlich gestrichenen Raum, der mit Apparaturen, Kabeln und Schläuchen vollgestopft war, eingebunden wie eine Mumie, Beine und Arme eingegipst, aus meinen Armen und meinem Bauch ragten zwei Schläuche, die an eine Vakuumpumpe angeschlossen waren, um Blutreste aus meinem Bauchraum abzupumpen. Ein Katheter besorgte den Harnabfluss und durch das eine Nasenloch hatte man einen dicken, grünen Schlauch den Hals hinunter bis in meine Lunge gestossen. Das andere Ende des Schlauchs steckte in einer Maschine, die sich neben meinem Bett befand und regelmässig zischte. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriff, dass diese Maschine meine neue Lunge war, die behutsam Luft in mich hineinpresste und wieder heraussog. Da meine Rippen gebrochen und die Bauchmuskeln zerschnitten waren, war ich nicht in der Lage, selber zu atmen. Ich kam mir vor wie ein Cyborg – halb Mensch, halb Maschine.
Mein Zustand war mehr als jämmerlich. Wie ich später erfuhr, war ausser den zahlreichen Knochenbrüchen und einem Beckenbruch auch meine Leber zum Teil zerquetscht, meine Milz war so zermalmt, dass man sie hatte entfernen müssen. Ich hatte literweise Blut verloren, das innerlich ausgelaufen war. Meine Lunge war durch die geborstenen Rippen arg in Mitleidenschaft gezogen, Hüfte und Knie zerschmettert, Muskeln und Sehnen gerissen – kurz, ich war lediglich noch ein armseliges Häuflein Elend, dessen Lebenslichtlein nur noch schwach flackerte und von Minute zu Minute zu erlöschen drohte.
Und dann kamen die Schmerzen.
Wer schon einmal versucht hat, zwei Stunden lang absolut unbeweglich auf dem Rücken zu liegen, der weiss, dass irgendwann langsam die Panik hochkriecht und man nur noch schreien möchte. Ich konnte mich keinen Millimeter bewegen, mich nicht kratzen, nicht schlucken (ich hatte ja einen Schlauch im Hals), nicht einmal selber atmen. In so einer Situation wird jeder Augenblick zur Ewigkeit, man kämpft sich von einer Sekunde zur nächsten und ist heilfroh, wenn wieder eine überstanden ist – um sofort mit der nächsten zu ringen. Wenn dann noch unerträgliche Schmerzen dazu kommen, als wäre man aufs Rad geflochten, von Speeren durchbohrt und von hundert Kampfstiefeln getreten worden, dann lauert die grinsende Fratze des Wahnsinns im unteren Bereich des Bewusstseins.
Da mein Hals von dem Lungenschlauch ausgefüllt war, war es mir nicht nur unmöglich, zu schlucken, sondern СКАЧАТЬ