Название: Der Aufstieg der Ultra-Läufer
Автор: Adharanand Finn
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783903183711
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Es ist leicht, sich über solche traurigen Gestalten lustig zu machen, doch vielleicht sollten wir etwas mehr Verständnis zeigen. Wie Rob Young sagt auch Maude Gorman, dass sie als Kind misshandelt wurde. Vielleicht liegt diesem Verhalten einfach nur der Wunsch nach Liebe und Aufmerksamkeit zugrunde. Die Leute sagen zwar, dass sie niemals schummeln würden, doch vielleicht erfahren sie auch nur genügend Stabilität und liebevolle Unterstützung in ihrem Leben. Vielleicht wuchsen sie in einer liebevollen Familie auf. Skins hob diese Tatsache speziell hervor, als sie ihren Vertrag mit Young auflösten. „Die Ergebnisse sind eindeutig und wir stehen in vollem Umfang hinter ihnen“, sagte Jamie Fuller, Vorstand von Skins. „Doch wir dürfen dabei nicht vergessen, dass in jedem Läufer [Young] ein menschliches Wesen steckt. Meiner Meinung nach stellt seine Vorgeschichte einen ganz speziellen Umstand dar.“
Er ist ein menschliches Wesen und er ist fehlbar und damit ist er nicht allein. Beim südafrikanischen Comrades Marathon, der von sich behauptet, „das ultimative menschliche Rennen zu sein“, werden jedes Jahr zusätzlich geheime Zeitnahmematten auf der Strecke ausgelegt, um damit die vielen Läufer zu erwischen, die von sich behaupten, dieses berüchtigte Rennen beendet zu haben, jedoch große Streckenabschnitte mit dem Auto oder auf dem Motorrad zurücklegen und dann weiter vorne wieder ins Rennen einsteigen.
Die verbreitetste Methode, auf unfaire Art und Weise im Sport zu gewinnen, ist natürlich das Doping. Bis vor kurzem reichte der Schatten des Dopings noch nicht bis zur glücklichen, wenig bekannten Nischenwelt des Ultra-Sports, doch es war nur eine Frage der Zeit. Die Vorstellung, Ultra-Running würde nur Leute mit den ehrvollsten Absichten anziehen, und dass alles im Geiste der Kameraderie und des Respekts gegenüber seinen Mitstreitern ablief, war mit einem Schlag zunichte gemacht, als der britische Ultra-Läufer Robbie Britton bemerkte, dass einer seiner Konkurrenten, der Ecuadorianer Gonzalo Calisto, der erst kurz zuvor Fünfter beim UTMB geworden war, auf der Liste der gesperrten Athleten des IAAF stand.
Doch erst als Britton diese Information in den sozialen Medien publik machte, hörte auch der UTMB von dieser Geschichte und disqualifizierte Calisto nachträglich und korrigierte die Ergebnisliste. Zwar wurde ein Dopingtest beim UTMB durchgeführt, doch in dem ganzen Chaos, das dort herrschte, wurde die Rennleitung nie darüber informiert, dass EPO in Calistos Probe gefunden worden war.
„Die ganze Calisto-Geschichte ist irgendwie lächerlich“, meint Britton, als ich ihn dazu befrage. „Im Rennen positiv auf EPO zu testen ist ziemlich dämlich. Wenn man jemanden dabei am Renntag erwischt, dann gibt es sicher auch andere, die sicher etwas cleverer waren.“
Britton ist ein 24-Stunden-Lauf Bronzemedaillengewinner, lebt in Chamonix und ist Trainer und Athlet zugleich. Er ist einer der lautesten Stimmen, die sich gegen Doping im Sport aussprechen. Ich frage ihn, wie groß dieses Problem im Ultra-Sport seiner Meinung nach sei.
„Es gibt in allen Sportarten wahrscheinlich den einen oder anderen Betrüger, sogar im Ultra-Running. Bei uns gab es Leute, die Abkürzungen nahmen, die vorgeschriebene Ausrüstung nicht mit sich trugen, alles Mögliche. Es muss nicht nur Doping sein. Es gab sogar einmal ein Zwillingspaar beim Comrades, die ihre Zeitmessungschips nach der Hälfte des Rennens tauschten.
Die Leute, die sagen, es steckt ja kein Geld im Ultra-Running, warum sollte man also betrügen, vergessen etwas dabei. Viele Athleten in unserem Sport leben ja sowieso in soliden Verhältnissen. Es ist ihr eigenes Ego und eine Art von Faulheit und Ungeduld, das sie dazu verleitet.“
Das Problem wird in Zukunft nur noch schlimmer werden, meint er weiter. „Mehr Geld, mehr ‚Ruhm‘, dieser Instagram-Lifestyle, mehr Druck der Sponsoren. All das wächst. Und die Athleten werden immer schneller. Somit versuchen die schwächeren Läufer, eine Ausrede zu finden. Bei uns gibt es Leute, die schon mehrere Sperren hinter sich haben, doch sie scheinen daraus einfach nicht zu lernen.“
Aber selbst Britton, der nicht davor zurückscheut, jemanden zur Rede zu stellen, sagt, er denke nicht, dass Doping im Ultra-Running heimisch geworden ist.
„Ich führe das auf die Persönlichkeiten und die Offenheit der Athleten zurück“, sagt er. „Vielen kann man wirklich vertrauen. Einige mögen das vielleicht als naiv erachten, aber wir haben einfach nicht diese Anti-Doping-Infrastruktur, um es irgendwie anders anzugehen. Ich tue was ich kann, um mitzuhelfen, meinen Sport sauber zu halten, aber manchmal geht es einfach nur darum, der beste Athlet zu sein, der man sein kann, solange die Leute noch an einen glauben. Ich hoffe, das gelingt mir auch so.“
Ich befrage Elisabet zum Thema Doping, als wir im Zug zu unserem Trainingslauf sitzen. Glaubt sie, dass es ein großes Problem in diesem Sport ist?
„Ich bin mir sicher, dass eine verbesserte Testinfrastruktur auch mehr Dopingfälle ans Licht brächte“, meint sie. „Warum auch nicht? Doping gibt es in jedem Sport, es ist ja nicht so, als wären Ultra-Läufer eine andere Spezies von Mensch. Sicherlich, das große Geld gibt es im Ultra-Sport bis jetzt nicht zu verdienen, aber da sind Sponsoren, Ansehen, Ruhm … Wenn du einmal Blut geleckt hast, willst du mehr und es wird immer diejenigen geben, die bereit sind, dafür bis ans Äußerste zu gehen.“
Ist sie noch nie in Versuchung gekommen, vor allem wenn sie weiß, dass es unwahrscheinlich ist, dabei erwischt zu werden?
„Ich glaube von mir, dass ich hohe moralische Standards habe“, sagt sie. „So wurde ich erzogen. Ich hatte nie Interesse daran, bei irgendetwas zu mogeln. Sei ein guter Mensch und es werden dir gute Dinge widerfahren. Ganz einfach.“
Es ist ein ziemlich miserabler Morgen, als wir in dem kleinen Ort Denton, dem Start unseres Trainingslaufs, ankommen. Ein grauer Nieselregen hängt in der Luft und nimmt der Umgebung die ganze Farbe. Die grauen Vorstadtstraßen um den Bahnhof herum tragen nur wenig dazu bei, die Stimmung aufzuheitern, doch bald wären wir ja jenseits der Häuser und würden in die Wälder laufen.
Elisabet ist eine eher ungewöhnliche Ultra-Läuferin, da sie recht selten Trails läuft. „Ich hasse Matsch“, sagt sie, als wir den Weg entlang waten. „Aber es ist schön, zur Abwechslung wieder einmal draußen im Wald zu sein.“ Sie lebt in Westcliff-on-Sea in Essex und ihr übliches Laufgebiet ist die Ortspromenade. Wenn sie dem UTMB ihren Stempel aufdrücken will, muss sie sich an solche Bedingungen gewöhnen.
Dieser Lauf ist ein guter Erkundungslauf für ihr bevorstehendes Rennen, da die Läufer dort ihre Route selbst finden müssen. Elisabet verwendet eine App auf ihrer Uhr, die die ungefähre Richtung anzeigt. Trotzdem verlaufen wir uns mehrere Male. „Einige Leute suchen gerne nach dem Weg und verwenden Landkarten“, sagt sie. „Ich mag das nicht.“
Ultra-Running ist ein sehr weites Feld. Es umfasst Laufen, ja klar, kann aber auch Wandern, Bergsteigen und Kartenlesen beinhalten. Doch ich stimme Elisabet zu, auch ich fühle mich am wohlsten, wenn die Route markiert ist, was beim UTMB und den meisten anderen Rennen, zu denen ich mich angemeldet habe, zum Glück der Fall ist.
Drei Stunden lang dümpeln wir mit gemütlichem Tempo dahin, quatschen und bleiben das eine oder andere Mal stehen, um einen kleinen Bissen zu uns zu nehmen. Heute experimentiere ich mit schokoladeüberzogenen Haselnüssen und getrockneter Mango. Beides schmeckt hervorragend nach ein paar Stunden laufen. Nachdem wir fertig sind und 21 Meilen (ca. 34 km) zurück Richtung London zu einem anderen Bahnhof gelaufen sind, halten wir an einem Minisupermarkt. Ich fühle mich, als könnte ich den ganzen Laden leer essen, doch ich beschränke mich auf einen Softdrink und ein Haferflockenplätzchen. Es schmeckt himmlisch. СКАЧАТЬ