Название: Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität
Автор: Michael Schart
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823301844
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2.4.2 Inhaltliche Relevanz
Eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen sach- und fachintegrierter Lehr- und Lernprozesse setzte erst in den 1980er und 1990er Jahren ein1. Im Hinblick auf das Schulsystem in europäischen Ländern waren dafür die länderübergreifenden sprachenpolitischen Initiativen ein ausschlaggebender Faktor. Ein weiterer wichtiger Impuls für diese Entwicklung ging jedoch auch von den Problemen aus, die sich in der Praxis des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts abzeichneten. Gemeint ist hier vor allem die Tendenz, die Auswahl und die Gestaltung von Texten und Aktivitäten vorrangig an sprachlichen Lernzielen bzw. der Förderung einzelner sprachlicher Fertigkeiten zu orientieren und damit die Inhalte zu vernachlässigen oder sogar zu trivialisieren (vgl. Legutke/Thomas 1991:15; Pennycook 1990:13).
Die Folgen lassen sich bis heute an vielen Lehrwerken ablesen, die oft ein buntes Sammelsurium an mehr oder weniger beziehungslos aneinandergereihten und eher oberflächlich aufbereiteten Themen enthalten2. Auf diese Weise erhöhen sich zwar die Chancen, ein breites Spektrum an Interessen der Lernenden abzudecken, doch der inhaltliche Tiefgang leidet. Beispielsweise wird das Potenzial, das jeder Gegenstand bietet, um die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven anzustoßen und damit Differenzerfahrungen zu ermöglichen, tendenziell nicht ausgeschöpft. Die dezidierte Kritik an dieser Schwachstelle kommunikativ ausgerichteter Settings setzte bereits in den 1980er Jahren ein, sie wurde in der Folgezeit vor allem von Überlegungen zum literarischen und interkulturellen Lernpotenzial des Fremdsprachenunterrichts vorangetrieben (z.B. Bredella/Legutke 1985; Hunfeld 1990; Kramsch 1993) und hat bis heute nichts an Überzeugungskraft eingebüßt (vgl. Byram/Wagner 2018).
Zweifellos lassen sich – diese Kritik beiseiteschiebend – viele gute Gründe dafür finden, den Fremdsprachenunterricht auf das Training sprachlicher Fertigkeiten für den alltäglichen Gebrauch zu konzentrieren, wie es im Deutschunterricht an japanischen Universitäten überwiegend der Fall ist (vgl. JGG-Komitee 2013:32). Das bedeutet jedoch, die Möglichkeiten der kommunikativen Didaktik auf einen engen Ausschnitt zu begrenzen. Der fach- und sprachintegrierte Ansatz ruft in Erinnerung, dass diese ihre Legitimität aus der Relevanz der Interaktion im Klassenraum gewinnt. Es geht nicht in erster Linie darum, die fremde Sprache einzuüben oder ihren Gebrauch zu imitieren. Die Lernenden sollen sie vielmehr als ein Instrument erleben, das ihnen neue Sicht- und Denkweisen erschließt, das ihnen hilft, ihr Selbstverständnis weiterzuentwickeln und das es ihnen nicht zuletzt ermöglicht, gemeinsam mit anderen zu handeln. Thematische Beliebigkeit und Belanglosigkeit tragen dazu bei, diese Basis der kommunikativen Fremdsprachendidaktik zu untergraben (vgl. auch Grenfell 2002:26; Stoller/Grabe 2017).
Der fach- und sprachintegrierte Ansatz stellt somit keinen Gegenentwurf zur kommunikativen Fremdsprachendidaktik dar, sondern eine ihrer Varianten. Konsequent wird die Schlüsselfunktion, die den Inhalten bei der Entwicklung fremdsprachlicher Diskursfähigkeit zukommt in den Fokus gerückt, ohne zugleich ein bestimmtes methodisches Vorgehen nahezulegen (Brinton/Snow 2017:15). Fach- und sprachintegriertes Unterrichten gründet auf der Annahme, dass Fremdsprachen in einem institutionellen Kontext gerade dann effektiv gelernt werden können, wenn sie als Werkzeug dienen, um an der Bewältigung inhaltlicher Fragestellungen zu arbeiten. Die Energiequelle des Unterrichts wird also im kognitiven Engagement der Lernenden mit den Inhalten gesehen. Es geht um die Verknüpfung von anspruchsvollen Denkprozessen mit einer auf akademisches Niveau abzielenden sprachlichen Entwicklung (Llinares/Morton 2010; Llinares et al. 2012:47). Formale Syllabi oder die isolierte Förderung einzelner fremdsprachlicher Fertigkeiten haben daher in diesem Ansatz nur am Rande Platz.
Der große Vorteil des fach- und sprachintegrierten Unterrichts wird darin gesehen, dass die Lernenden der fremden Sprache, ihren Formen und Funktionen, in vielfältigen Verwendungssituationen und Textsorten begegnen, immer eingebunden in einen thematischen Zusammenhang. Das, so die Hoffnung, führe zu nachhaltigeren Sprachlernprozessen und einem authentischeren Sprachgebrauch. Nicht zuletzt setzt man auf die motivierenden Effekte, die von einer Beschäftigung mit als relevant und herausfordernd empfundenen Inhalten ausgehen (Brinton/Snow 2017:4).
2.4.3 Empirische Erkenntnisse
Empirische Forschungen kamen in den zurückliegenden Jahren tatsächlich immer wieder zu dem Ergebnis, dass Lernende in fach- und sprachintegrierten Settings größere fremdsprachliche Lernfortschritte erreichen als Lernende in eher konventionellen kommunikativen Unterrichtsdesigns. Diese Tendenz zeigt sich etwa bei den rezeptiven Fertigkeiten und der lexikalischen Kompetenz. Auch die Diskurskompetenz entwickelt sich besser, was sich unter anderem an der Flüssigkeit und Komplexität der Äußerungen ablesen lässt, an den strategischen Fähigkeiten der Lernenden, aber auch an ihrer Selbstsicherheit beim Gebrauch der Fremdsprache (Dalton-Puffer 2011; Lasagabaster 2010; Lyster 2007:6f).
Sehr deutlich treten diese Effekte beispielsweise in der DESI-Studie zu Tage. „Die Ergebnisse der Untersuchungen zum bilingualen Sachfachunterricht Englisch in DESI belegen erstmalig in einer großen Stichprobe, dass das Konzept von bilingualem Sachfachunterricht die mit ihm verbundenen Hoffnungen umfassend erfüllt.“, wie Nold (2008:457) die Erkenntnisse zusammenfasst. Die betreffenden Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse waren hinsichtlich des sprachlichen Niveaus in Englisch ihren Altersgenossen um mindestens ein Schuljahr voraus.
Eine Garantie für das Gelingen inhaltsbasierter Unterrichtskonzepte geht mit solchen Ergebnissen natürlich nicht einher, denn sie sind immer an die besonderen lokalen Kontexte gebunden. So kann sich etwa der bilinguale Sachfachunterricht in der Sekundarstufe auch auf die Kompetenzen stützen, die zeitgleich im regulären Fremdsprachenunterricht gefördert werden bzw. sich dort zuvor herausgebildet haben. Und die positiven Resultate in Vergleichsstudien sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass sich vor allem die leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler von bilingualen Zweigen angezogen fühlen (Dalton-Puffer 2011:186). Auch die positiven Effekte auf die Motivation der Lernenden in fach- und sprachintegrierten Programmen, wie sie von Lyster (2017) beschrieben werden, ergeben sich nicht unmittelbar aus der Verbindung von Fach und Sprache, sondern erfordern weitere förderliche Bedingungen. So lässt sich aus der Studie von Merino/Lasagabaster (2018) lernen, wie die motivierende Wirkung von Programmen mit ihrer Intensität zusammenhängen kann.
Zum Gesamtbild gehören somit auch die Erkenntnisse, die auf die Schwachstellen fach- und sprachintegrierter Unterrichtskonzepte hinweisen und die unter bestimmten Bedingungen ausschlaggebend für deren Erfolg – oder eben auch Misserfolg sein können. Auf einen dieser problematischen Punkte verweist die Frage, wie es Lernenden gelingt, sich eine fremde Sprache anzueignen, ohne deren Systematik zu reflektieren.
Zunächst ging man bei diesem Ansatz im Sinne der Input-Hypothese (Krashen 1981) tatsächlich davon aus, dass sich die positiven Effekte auf die fremdsprachlichen Kompetenzen gleichsam en passant einstellen würden. Empirische Befunde legen jedoch eine differenziertere Sicht auf die Rolle formaler Aspekte des Spracherwerbs nahe oder wie Lightbown (2014:129) es formuliert: „Language aquisition does not take care of itself.“ Als konkrete Beispiele wird dabei gerne auf Immersionsprogramme verwiesen, bei denen sich immer wieder herausstellte, dass für die Lernenden höhere Niveaustufen grammatischer Kompetenz kaum zu erreichen sind (vgl. Ellis/Shintani 2014:16).
Um die Lernenden auch bei der Entwicklung der formalen Korrektheit ihres Sprachgebrauchs zu unterstützen, so der momentane Forschungsstand, sollten inhaltsbasierte Unterrichtsdesigns Phasen vorsehen, in denen über sprachliche Formen und Funktionen gezielt nachgedacht wird. Und diese sind vor allem dann notwendig, wenn die Lernenden – im Unterschied zum bilingualen Sachfachunterricht an deutschen Schulen – keine begleitenden Fremdsprachenkurse besuchen. Lyster (2007/2017) plädiert daher für einen counterbalanced approach, СКАЧАТЬ