Testen und Bewerten fremdsprachlicher Kompetenzen. Barbara Hinger
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      Der GeR selbst widmet dem Bewerten und Prüfen von Sprachen ein eigenes Kapitel, nämlich sein abschließendes Kapitel 9. In diesem werden grundlegende Begriffe des Sprachentestens erklärt, der GeR wird als Hilfsmittel für das Überprüfen und Bewerten sprachlicher Leistungen vorgestellt und es wird auf Test- und Bewertungsverfahren eingegangen. Damit bietet Kapitel 9 gute Einsichten auch für Personen, die sich dem Thema erstmals nähern möchten.

      ExpertInnen im Sprachentesten bemängeln jedoch, dass die GeR-DeskriptorenDeskriptor zwar sprachliches Verhalten von Lernenden beschreiben, sich aber nicht auf Sprachtestaufgaben beziehen (Alderson in Little 2011, 382; Fulcher 2016, 33f.). Demgegenüber wird die Auffassung vertreten: „any ‚can do‘ descriptor may be used to specify a learning target, select and/or develop learning activities and materials, and shape the design of assessment tasks“ (Little 2011, 382, Hervorhebung durch die Autorin). Die Operationalisierung einer konkreten Kann-BeschreibungKann-Beschreibung für eine bestimmte Sprachtestaufgabe bedarf allerdings eines fundierten Verfahrens (vgl. North 2014, 230) und hängt immer vom Zweck eines Tests oder einer Prüfung ab. Der Europarat stellt mittlerweile zahlreiche Dokumente dafür zur Verfügung. Das wichtigste darunter ist das sog. Handbuch respektive Manual (Council of Europe 2009). Es beschreibt die erforderlichen Prozesse der Verbindung von Sprachentests mit dem GeR im Detail und wurde 2003 zunächst als Pilotversion, 2009 in der endgültigen Version publiziert (Council of Europe 2009). Mittlerweile liegt auch ein deutschsprachiges Handbuch (telc 2012) vor, das jedoch keine Übersetzung ist, sondern sich als Zusatz und Ergänzung zum Manual versteht. Das Manual selbst erläutert die Anbindung von Sprachentests an den GeR, die folgende Arbeitsprozesse umfassen sollte: Das generelle Vertrautwerden mit dem GeR, die Definition der Testinhalte und Aufgabenformate, die Verbindung mit den zu überprüfenden Sprachkompetenzstufen (Standard-SettingStandard-Setting und BenchmarkingBenchmarking) und die Interpretation der im Test erhobenen Leistungen.

      Sowohl das Manual als auch die telc-Publikation richten sich explizit an Lehrpersonen und an SprachtestexpertInnen, unterscheiden in weiterer Folge jedoch nicht zwischen diesen beiden Zielgruppen9. Lehrpersonen können aber dennoch Nutzen aus den angebotenen Inhalten ziehen: Die detaillierte Beschreibung von Trainingsworkshops kann als Unterstützung für die Arbeit in Fachgruppen dienen, die sich mit den Inhalten der GeR-Deskriptoren gezielt vertraut machen wollen, um entsprechende Klassen-/Schularbeiten zu erstellen; die im Anhang gebotenen, ausführlichen Kriterientabellen für jede sprachliche Fertigkeit können die Anbindung von Testaufgaben an bestimmte GeR-Deskriptoren kohärent und Schritt für Schritt anleiten und ebenfalls als Checklisten für die Erstellung von Klassen-/Schularbeiten genutzt werden. Demgegenüber eignen sich ausführliche Hinweise zu statistischen Verfahren, die z. B. für die Erstellung von Zertifikatsprüfungen unerlässlich sind, weniger für schulische Zwecke. Darüber hinaus ist der Europarat bemüht, für Lehrpersonen Stützmaterialien bereit zu stellen, wie beispielsweise im „CEFTRAIN“-Projekt (https://tinyurl.com/y8mn55c4) oder im „ECEP“-Projekt (Encouraging the Culture of Evaluation among Professionals https://tinyurl.com/ybh8ob9v [21.09.2017]).

      Der GeR bleibt ein ambivalentes Dokument und ist doch auch einmalig: Bestimmte DeskriptorenDeskriptor (vor allem für die linguistischen Kompetenzen Wortschatz und Grammatik) wären durch Forschungsergebnisse, die empirisch gesicherte Analysen von Lernerperformanzen bieten, zumindest zu modifizieren; für andere Bereiche (interkulturell, fremdsprachliche Literaturen, Mediation, mehrsprachigkeitsbasierte Aspekte) wurden Deskriptoren kürzlich vorgestellt (Council of Europe 2017). Zudem müsste die Anbindung der Deskriptoren für kommunikative Sprachhandlungen und Strategien an ihnen zugrunde liegende theoretische Konstrukte kommunikativer Sprachmodelle expliziter gemacht und empirisch durch reale Lernerperformanzanalysen abgesichert werden.

      Aktuell und wohl auch in absehbarer Zeit gibt es dennoch keinen Weg, der am GeR vorbeiführt. In den weiteren Kapiteln dieses Buches wird daher immer wieder auf den GeR verwiesen, wenn auch aus entsprechend kritischer Perspektive. Für den schulischen Bereich zeigen die Entwicklungen der Bildungsstandards in Deutschland wie in Österreich die Bedeutung des GeR auf eindringliche Art und Weise10. Auch die seit 2016 im allgemeinen und berufsbildenden Schulwesen der Sekundarstufe II in Österreich gesetzlich implementierte teilzentrale SRDP bindet die schulischen Sprachabschlussprüfungen an den GeR. Dafür werden Verfahren genutzt, wie sie im Manual (s. oben) vorgeschlagen werden, und es wird die Expertise von international anerkannten SprachtestexpertInnen gezielt zur Professionalisierung von Lehrpersonen im Sekundarschulwesen eingesetzt, die – nach dem Durchlaufen einer Ausbildung als sog. item-writeritem-writer – u.a. als MultiplikatorInnen an ihren jeweiligen lokalen und regionalen Schulstandorten fungieren (vgl. Spöttl et al. 2016). Österreich hat sich damit seit ca. zehn Jahren auf einen Weg gemacht, dem andernorts entgegengehalten wird, dass er aus Gründen der Testsicherheit nicht gangbar sei11. Für Deutschland ist zu konstatieren, dass durch die Mitarbeit von Lehrpersonen an der Entwicklung von Sprachaufgaben zur Überprüfung der Bildungsstandards etwa für den Mittleren Schulabschluss ebenfalls eine beträchtliche Professionalisierung erreicht werden konnte (vgl. Kecker 2016, 23 und 33; insbesondere jedoch Porsch, Tesch & Köller 2010).

      Wie immer wieder betont, wird die Forcierung der Outputorientierung im Fremdsprachenunterricht der letzten 10 bis 15 Jahre im deutschsprachigen Kontext wesentlich vom GeR bestimmt und auch entsprechend kritisiert (vgl. u.a. Bausch et al. 2003). Die damit einhergehende Kompetenzorientierung im Unterricht wird jedoch interessanterweise nicht von allen als neu oder kritisierenswert eingeschätzt: Hilbert Meyer (2012) verweist vielmehr auf die über 100 Jahre alten Ansätze der Reformpädagogik und gesteht der aktuellen Kompetenzorientierung lediglich ein Alleinstellungsmerkmal bei der Definition und Beschreibung von Kompetenzstufen zu. Für den Fremdsprachenunterricht ist diese Leistung dem GeR und seinen Niveaubeschreibungen geschuldet.

      Arbeitsaufträge und Diskussionsfragen

      1 Wie schätzen Sie die Bedeutung des GeR für Ihre eigene Ausbildung und Ihr berufliches Umfeld ein?

      2 Welcher Paradigmenwechsel im fremdsprachlichen Testen und Bewerten wird durch den GeR unterstützt? Führen Sie dafür mehrere Gründe an.

      3 Welche Kritikpunkte werden gegenüber dem GeR angeführt? Wägen Sie diese ab, finden Sie Pro- und Kontra-Argumente und diskutieren Sie diese mit FachkollegInnen.

      Weiterführende Literatur

      Hulstijn, J.H. (2014): „The Common European Framework of Reference for Languages. A Challenge for Applied Linguistics“. In: International Journal of Applied Linguistics 165 (1), 3–18. Dieser Aufsatz verweist auf den Entstehungskontext des GeR und bezieht Originalaussagen jener Autoren mit ein, die den Weg für den GeR bereitet haben. Der Beitrag bietet auch für den schulischen Rahmen eine gute Kontextualisierung des GeR.

      Kecker, G. (2016): „Der GeR als Referenzsystem für kompetenzorientiertes Testen. Was bedeutet der Bezug zum GeR für eine Sprachprüfung?“ In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 27 (1), 5–37. Der Beitrag berücksichtigt gezielt den deutschsprachigen Kontext und bietet differenzierte Einsichten in die Nutzung des GeR für das Testen und Überprüfen von Sprachen.

      3. Die Rolle des Fehlers in der Aneignung von Sprachen

      Barbara Hinger

       Kann-Beschreibungen

      Ich kann

       die Rolle des Fehlers im Kontext der kommunikativen Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts erklären.

       die СКАЧАТЬ