Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht. David Gerlach
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СКАЧАТЬ context sensitivity and a sense of situational relevance“ (2018: 52; Hervorhebungen im Original). Damit einher geht für sie auch eine kritische Bewertung der eigenen Praxis hinsichtlich der Unterrichtsgegenstände und der eingesetzten Methoden. Penny Ur (2013) schlägt aus der eher kontextbedingten Methodenwahl den Begriff der „situated methodology“ vor, auch Engelbert Thaler (2010) tritt gegen die Verabsolutierung entweder sehr geschlossener oder sehr offener methodischer Settings ein und nennt dies „balanced teaching“, argumentiert also ebenfalls aus der Sicht der Lehrenden, die den Fremdsprachenunterricht gestalten. Wichtiger als die Methodendiskussion erscheint daher, dass Lehrerinnen und Lehrer über ein breites fremdsprachendidaktisches (und natürlich auch allgemeinpädagogisches/erzieherisches) Wissen verfügen, das sie flexibel einsetzen können. An späterer Stelle (vgl. 4.3) wird dazu das Konzept der „AdaptivitätAdaptivität“ vorgestellt, die Fähigkeit, sich an bestimmte Begebenheiten – KontextfaktorenKontextfaktor, wie wir sie nennen – anzupassen. Betont werden soll an dieser Stelle noch, dass dieses Studienbuch es nicht leisten kann, das umfassende fremdsprachendidaktische Wissen zu vermitteln, das für diese Adaptivität und das fremdsprachenunterrichtliche Handeln nötig ist. Es wird jedoch im Zuge der verschiedenen Kontextfaktoren modernen Fremdsprachenunterrichts auf unterschiedliche Konzepte und Wissensformate zurückgreifen, die zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen und Adressierung diverser Lernvoraussetzungen nötig sind.

      Zusammenfassung

      In diesem einleitenden Kapitel wurde versucht, Schule, Unterricht und unterrichtliches Handeln zu skizzieren, wie es sich heute für angehende Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer sowie für erfahrene Lehrkräfte darstellt. Die Entwicklung hin zur heutigen Ausprägung bestimmter Unterrichtskonzepte, die durch veränderte administrative Vorgaben, neuere Forschungsergebnisse und gesellschaftliche Umwälzungen bedingt sind, wird nachgezeichnet. Die wechselseitigen Einflüsse und Abhängigkeiten legen es nahe, auch im Zusammenhang von Schule und Unterricht von einem Ökosystem zu sprechen, also einem dynamischen System von Faktoren, die sich gegenseitig bedingen und die als funktionale Einheit in Wechselwirkung stehen. Das Bewusstsein und das Selbstverständnis, als Lehrkraft Teil dieses Systems zu sein, ist wichtig (und bedürfte einer viel stärkeren Aktualisierung in der Ausbildung), um aktiv im Unterrichtsalltag zu agieren und um sich nicht als getriebene, fremden Einflüssen ausgesetzte Person zu verstehen, die nur noch reaktiv handeln kann.

      In den folgenden Kapiteln wird diese Vision einer aktiven, für Veränderungen sensiblen Lehrkraft weiter ausgeführt.

      Weiterführende und vertiefende Literatur

      Einen Überblick über die aktuellen Diskussionen im Fremdsprachenunterricht aus methodisch-didaktischer Perspektive bieten die einschlägigen Einführungswerke. Um nicht alle für jede moderne Fremdsprache zu nennen, seien hier stellvertretend die Fremdsprachendidaktik von Helene Decke-Cornill und Lutz Küster (2015) sowie die Sammelbände Handbuch Fremdsprachendidaktik von Wolfgang Hallet und Frank G. Königs (2013) und Handbuch Fremdsprachenunterricht von Eva Burwitz-Melzer et al. (2016) genannt.

      2 Bedeutung der Unterrichtskultur

       La culture est ce qui fait d’une journée

       de travail une journée de vie.

      (G. DUHAMEL)

      Moment der Reflexion

      Im Jahr 2013 erschien die Nummer einer fremdsprachendidaktischen Zeitschrift unter dem Titel „Standardsituationen“. Auf dem Titelblatt waren stilisiert ein Fußballfeld sowie Positionen der Spieler und Spielzüge abgebildet. In seinem Editorial bezieht sich der Herausgeber auf die Komplexität von Unterricht, „die der eines Fußballspiels durchaus ähnelt“ (Nieweler 2013: 2).

      Wie beurteilen Sie die angedeutete Parallelität von schulischem Unterricht und einem Fußballspiel?

      Es erscheint vermutlich auf den ersten Blick für die eine Leserin befremdlich, für den anderen Leser gewagt, das Wort „Kultur“ mit dem Wort „Unterricht“ zu verknüpfen. Aber unzweifelhaft ist der Kulturbegriff für die Institution Schule angemessen, denn viele Schulen machen auf ihrer Homepage in ihren Beschreibungen zum Schulprofil die kulturellen Dimensionen des Schullebens deutlich. So sind z.B. schulische Aktivitäten, die Wertevermittlung, das Unterrichtsklima und die Elternarbeit offensichtlich Bausteine für die kulturelle Dimension der Institution Schule. Hier erfolgt also der Bezug auf ein System und einen Raum, in dem Menschen interagieren und so bedeutungsvolle Zusammenhänge produzieren. UnterrichtskulturUnterrichtskultur ist damit ein Element einer ganzheitlichen Schulkultur, die man mit Bezug auf Helsper (2014) als „imaginären Sinnentwurf“ interpretieren kann, für den imaginäre, symbolische und reale Werte und Verhaltensweisen konstitutiv sind und der somit auch einen Bezugspunkt für das Handeln, ein Lehrerethos und für pädagogische Visionen darstellt. Schule und Unterricht als Kultur bzw. kulturelle Praktiken zu begreifen, hilft, die Prozesse zu verstehen, die von den verschiedenen Interaktionspartnerinnen und -partnern auf der Grundlage z.B. bestimmter Vorgaben oder Vorstellungen initiiert und ausgestaltet werden.

      2.1 Definition: Fremdsprachenunterricht als sozial-kulturelle Praxis

      Als Fremdsprachenlehrerin oder als Fremdsprachenlehrer mit Schülerinnen und Schülern in der Schule zu arbeiten ist eine große Chance und Herausforderung zugleich. Eine Chance deshalb, weil die (Fremd-)Sprache gleichzeitig Medium und ständiges Ziel des Lehr-/Lernprozesses ist. Es gibt nur wenige Fächer, in denen diese Duplizität gegeben ist. Sprache als unverzichtbares Strukturelement eines sozialen Systems und als Zeichensystem zum Austausch von Informationen und Interessen, Werten und Handlungen ist in der Unterrichtsstunde, gleich ob es um Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch oder Chinesisch geht, immer präsent. Die Herausforderung liegt darin, die Vermittlung sprachlicher Strukturen mit dem Erschließen anderer kultureller Gegebenheiten zu verknüpfen. Und dass es in diesem Unterricht nicht nur um die inhaltsorientierte VermittlungInhaltsorientierung durch die Fremdsprache geht mittels der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, hat Donald Freeman (2016) auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt:

      The conventional view that content is language with a social dimension needs to be recast. In the language classroom, the content is social processes, which have a language dimension. The social processes are fundamental to the classroom as a classroom; the new language fits into that ecology. (ebd.: 36)

      Fremdsprachenunterricht als sozial-kulturelle Praxis fokussiert die Wechselwirkung, die die InteraktionInteraktion auf die Beteiligten in ihrem Verhalten zueinander ausübt. Diese Praxis und die damit verbundenen Beziehungen werden lokal und immer wieder von Neuem durch die Beteiligten im Kontext erschaffen und konstruiert (vgl. Lantolf 2000). Mit Bezug auf den Ansatz von Oevermann (2002) ist von einem dreistelligen ArbeitsbündnisArbeitsbündnis auszugehen mit den Polen des einzelnen Lernenden, der Klasse sowie den Erziehungsberechtigten (Eltern). Gerade der Bezug zu den Eltern ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für die Lehrkräfte (vgl. Kapitel 3.3).

      Unterricht ist sowohl auf der Seite der Unterrichtenden als auch auf der Seite der Unterrichteten geprägt von einem Verhalten, das – abgesehen von den professionellen Kompetenzen – u.a. von Variablen wie Kognitionen und einer affektiven Dimension, subjektiven Theorien und individuell-psychologischen Dispositionen beeinflusst wird. Die Schülerinnen und Schüler ihrerseits intervenieren intentional auf der Arbeits- bzw. Aufgabenebene, die aber eng mit Variablen der Beziehungsebene wie u.a. Angst und Langeweile verwoben ist. Eine Folge ist die Herausbildung bestimmter kultureller Schemata wie z.B. die Klassifizierung des Interaktionspartners bzw. der Interaktionspartnerin.

      Gut zu wissen

      Die Erforschung der InteraktionsprozesseInteraktion im Unterricht ist seit Jahrzehnten ein Anliegen СКАЧАТЬ