Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht. David Gerlach
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СКАЧАТЬ einfordert oder – und das ist uns an dieser Stelle besonders wichtig – welche die Fremdsprachenlehrkraft situativ als notwendig interpretiert. Dadurch klafft auch ein Stück weit eine Lücke zwischen der fachdidaktischen Theorie und der realen Unterrichtspraxis, die logischerweise von Lehrkräften wiederholt bemängelt wird. Penny Ur (2013), die die Englischdidaktik international geprägt hat, bekräftigt die sehr individuelle Ausführung seitens der Fremdsprachenlehrkräfte als „situierte bzw. situative Methodologie“, die wir an späterer Stelle hinsichtlich unserer Idee des kontextsensiblen Fremdsprachenunterrichts noch weiter vertiefen werden:

      Many successful teachers […] are in fact using situated methodologies in their classrooms, rejecting any particular method in favour of a selection of principles and procedures that accord with their own sense of plausibility and are appropriate to the local context. (ebd.: 473)

      Ein ebenfalls internationaler Vertreter eines „post-methodischen Zeitalters“ in der Fremdsprachendidaktik ist Bala Kumaravadivelu (2003/2006), der zum einen den traditionellen Methoden wie auch dem kommunikativen Ansatz unterstellt, dass sie in der Vergangenheit primär zum Zwecke der Imperialisierung bzw. Förderung von Abhängigkeiten genutzt werden und zum anderen die Begrenztheit des Begriffs der „MethodeMethode“ an sich als für die heutige Zeit unpraktikabel kritisiert. Für Kumaravadivelu bedeutet das Festhalten am Methodenbegriff ein Warten auf die perfekte, Fremdsprachenlernen ultimativ ermöglichende Methodik, die niemals kommen wird.

      Moment der Reflexion

      Kumaravadivelu unterstellt Methoden eine gewisse (imperialistische) Ideologie. Auch wenn dieser Gesichtspunkt für den deutschsprachigen schulischen Fremdsprachenunterricht von geringer Relevanz zu sein scheint, ist sein Argumentationsstrang durchaus interessant: Kumaravadivelu argumentiert, dass durch die Ausbildung nicht-muttersprachlicher Fremdsprachenlehrkräfte in anderen Ländern (z.B. indische Englischlehrkräfte in Indien) bestimmte methodische Ansätze benutzt werden, um das Fremdsprachenlernen zu fördern. Gleichzeitig werden diese Ansätze dafür genutzt, dass sowohl die Fremdsprachenlehrkräfte wie auch die -lernenden durch den Kompetenzzuwachs und die Grenzen, die die entsprechende Methode aufweist, in einer gewissen Abhängigkeit verbleiben. Dies könnte auf den deutschen Fremdsprachenunterricht insofern übertragen werden, als dass die Dominanz des Lehrwerks – sofern sie nicht von der Lehrkraft aufgebrochen wird – hier auch eine gewisse Steuerung übernimmt. Und dies gilt offenbar nicht nur für unseren Kontext, was im Zusammenhang mit den Diskussionen um eine post-methodische Ära und die Rolle von Lehrwerken deutlich wird:

      The concept of method has not been replaced by the concept of postmethod but rather by an era of textbook-defined practice. What the majority of teachers teach and how they teach … are now determined by textbooks. (Akbari 2008a: 647)

      Was denken Sie: Steht hinter den Diskussionen um Fremdsprachenlernen im deutschsprachigen Raum und den hier verwendeten Materialien und Lehrwerken eine gewisse „Ideologie“?

      Gut zu wissen

      In der internationalen Englischdidaktik hat der Dogme-Ansatz von Scott Thornbury und Luke Meddings für viel Wirbel gesorgt (vgl. Meddings/Thornbury 2009). Ihr Werk versteht sich als Fundamentalkritik am Gebrauch von LehrwerkenLehrwerk im Fremdsprachenunterricht, „an over-reliance on materials and technical wizardry in current language teaching“ (ebd.: 6). Ihnen geht es um nichts weniger als die Emanzipation der Fremdsprachenlehrkraft: „The emphasis on the here-and-now requires the teacher to focus on the actual learners and the content that is relevant to them.“ (ebd.) Meddings und Thornbury sehen durch eine Überladung des Fremdsprachenunterrichts mit Unterrichtsmaterialien die Gefahr, dass elementare Ziele des kommunikativen Ansatzes verloren gehen. Ihr „dogmatischer“, puristischer Ansatz hingegen fokussiert stark auf Konversation und Interaktion, einen daraus resultierenden geringen Einsatz von Unterrichtsmaterialien und eine starke Berücksichtigung der sich lernerseitig entwickelnden Sprache und Sprachmuster (z.B. als Interlanguage).

      Kritisiert wurde der Ansatz interessanterweise häufig kontextbezogen, z.B. wenn bestimmte Curricula oder Standards in unterschiedlichen Ländern oder Institutionen die Verwendung von bestimmten Materialien vorgeben oder wenn Lehrkräfte aufgrund starker Belastung kaum die Möglichkeit haben, flexibel und bei einer hohen Heterogenität der Lerngruppe selbst ausreichend Input (mündlich oder visualisiert) zu generieren, um Lernen zu ermöglichen.

      Kumaravadivelu (2006: 69) schlägt basierend auf seiner fundamentalen – und damit natürlich auch nicht unumstrittenen – Kritik eine post-methodische Pädagogik für den Fremdsprachenunterricht vor, die auf drei Grundpfeilern basiert: Partikularität, Praktikabilität und Possibilität. Diese beschreibt er folgendermaßen:

      Particularity “seeks to facilitate the advancement of a context-sensitive, location-specific pedagogy that is based on a true understanding of local, linguistic, social, cultural, and political particularities” […]

      Practicality “seeks to rupture the reified role relationship between theorizers and practitioners by enabling and encouraging teachers to theorize from their practice and to practice what they theorize” […]

      “Possibility seeks to tap the sociopolitical consciousness that students bring with them to the classroom so that it can also function as a catalyst for identity formation and social transformation.” (ebd.)

      Die Praktikabilität bezieht sich dementsprechend in methodischer Hinsicht bereits auf den Aspekt der „situierten Methodologie“, die auch Ur (2013) formuliert. Partikularität und Possibilität fokussieren stärker auf die jeweiligen soziokulturellen Kontexte, die auch darauf zielen, im pädagogischen Sinne die Lernenden zu mündigen wie auch kritischen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen. Kumaravadivelus post-methodische Pädagogik ist geprägt von zehn Makrostrategien, welche – lokal und kontextsensibel interpretiert – die Mikrostrategien des unterrichtlichen Alltags prägen (Kumaravadivelu 2003: 545–546):

      1 Maximize learning opportunities.

      2 Minimize perceptual mismatches.

      3 Facilitate negotiated interaction.

      4 Promote learner autonomy.

      5 Foster language awareness.

      6 Activate intuitive heuristics.

      7 Contextualized linguistic input.

      8 Integrate language skills.

      9 Ensure social relevance.

      10 Raise cultural consciousness.

      Moment der Reflexion

      Wie stellen Sie sich vor, Kumaravadivelus Strategien in Ihrem Unterricht umzusetzen? Wie maximieren Sie Lerngelegenheiten in Ihrem Fremdsprachenunterricht? Wie fördern Sie die Autonomie der Lernenden? Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Unterricht eine soziale Relevanz hat und ein kulturelles Bewusstsein fördert?

      Überlegen Sie sich pro Strategie mindestens ein Beispiel und diskutieren Sie diese mit jemandem.

      Die Tatsache, dass die aktuellen Diskussionen um den Fremdsprachenunterricht davon ausgehen, dass wir uns in einer post-methodischen Ära bewegen oder dass wir zumindest keine eindeutig effektive Methode kennen, sondern situativ als Lehrkraft die wichtigsten Prinzipien mittels angemessener Ansätze erfüllen möchten, macht die methodisch-didaktische Diskussion nicht einfacher. Die langjährige Suche nach der einen Methode, die alle Bedürfnisse der Lernenden egal welchen Alters erfüllt, musste schon lange auch aufgrund der komplexen Unterrichtssituation und der heterogenen Lernvoraussetzungen aufgegeben werden. Britta Viebrock fasst diese Anforderungen zusammen, indem sie schreibt, „teachers СКАЧАТЬ