Название: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland
Автор: Stefan Goertz
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Polizei - Studium - Praxis, SCHRIFTENREIHE
isbn: 9783801109066
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3.3Die Partei „Der III. Weg“
3.3.1Aktuelle Situation
Die Partei „Der III. Weg“ wurde im Jahr 2013 durch ehemalige Anhänger der seit 2014 verbotenen rechtsextremistischen Organisation „Freies Netz Süd“ gegründet. Sie hatte im Jahr 2019 580 Mitglieder. Diese treten häufig bei Demonstrationen gegen Asylbewerberheime und bei NS-Gedenkmärschen in Erscheinung. Diese Partei wird aufgrund ihrer rechtsextremistischen, neonazistischen Ausrichtung durch die Verfassungsschutzbehörden beobachtet.35 „Der III. Weg“ ist überwiegend in den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen aktiv, agiert aber auch in anderen Bundesländern. Diese rechtsextremistische Partei dient nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach wie vor als Auffangbecken von Neonazis. Begrifflich-ideologisch lehnt sie sich in ihrem Programm zum Teil an Vertreter eines „linken“ Nationalsozialismus an, zugleich vertritt sie ein völkisch-antipluralistisches Menschen- und Gesellschaftsbild. Hierbei werden u.a. die Erhaltung und Entwicklung der „biologischen Volkssubstanz“ und die Schaffung eines „Deutschen Sozialismus“ propagiert. Weiter stellen die deutschen Verfassungsschutzbehörden fest, dass „Der III. Weg“ antisemitisch, ausländerfeindlich und revisionistisch agitiert.36
3.3.2Programm, Ideologie und Strategien
Die drei strategischen Betätigungsfelder dieser Partei lauten „Politischer Kampf“, „Kultureller Kampf“ und „Kampf um die Gemeinschaft“. Zum „politischen Kampf“ gehören u.a. Demonstrationen, Kundgebungen, Verteilaktionen sowie der „Antritt als wahlpolitische Initiative“. Der „kulturelle Kampf“ bezieht sich auf die Brauchtumspflege, der „Kampf um die Gemeinschaft“ beinhaltet die Aspekte „Nachbarschaftshilfe“, „gelebte Gemeinschaft“, „gemeinsame Freizeitgestaltung“ und „sportliche Zusammenkünfte“, bei denen vor allem Kampfsport eine wichtige Rolle spielt.37
Die regionalen „Stützpunkte“ dieser Partei führten 2019 regelmäßig „Nationale Streifen“ durch, sprich: Sie betätigten sich als Bürgerwehr. Mit diesen Bürgerwehren will „Der III. Weg“ suggerieren, dass er der Bevölkerung das „verloren gegangene Sicherheitsgefühl“ zurückgebe und sie durch Präsenz vor vermeintlich kriminellen Ausländern schützen wolle. Mit diesen „Nationalen Streifen“ will „Der III. Weg“ sich als „Kümmerer-Partei“ und vermeintliche Brücke zur Mitte der Gesellschaft inszenieren. Damit möchte diese Partei auf das Thema „Anti-Asyl“ aufmerksam machen und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Ein weiterer strategischer Schwerpunkt waren im Jahr 2019 Aktionen wie die „Deutsche Winterhilfe“ oder die „Volksküche“, also die Sammlung von Kleidung oder Bereitstellung von Lebensmitteln für Bedürftige mit ausschließlich ethnisch deutscher Herkunft. Diese Aktionen sollen dem Zweck dienen, gegen die vermeintlich bevorzugte Behandlung von Asylbewerbern durch staatliche Stellen zu protestieren und zumindest lokal oder regional Akzeptanz über den engen Kreis der eigenen Klientel hinaus zu finden. Ähnlich agiert diese Partei bei der Verteilung von Schulbedarf und Süßigkeiten an deutsche Schulkinder anlässlich ihres ersten Schultags.38
Innerhalb ihres „Zehn-Punkte-Programms“ sind vor allem völkische und geschichtsrevisionistische Forderungen wie die „Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches“ vertreten, aufgrund derer die Partei Ansprüche auf Gebiete in Osteuropa erhebt. „Der III. Weg“ ist antiparlamentarisch und antidemokratisch eingestellt und will eine Präsidialdemokratie installieren, bei der ein vom Volk gewählter Präsident mit „weitreichenden Befugnissen“ ausgestattet werden soll. In wirtschaftlicher Hinsicht sollen Schlüsselindustrien und Banken im Sinne eines „Deutschen Sozialismus“ verstaatlicht werden. Ein weiteres zentrales Thema der Partei ist die Migrationspolitik, hier sollen die Asylgesetze verschärft, „dauerhaft erwerbslose Ausländer“ abgeschoben und die Grenzen geschlossen werden.39 Diese rechtsextremistische Partei lehnt die Europäische Union und das Europaparlament ab, aber die Grenzen sollen mit einer gemeinsamen europäischen Armee bewacht werden, um Einwanderung zu verhindern. Zudem soll Deutschland aus der NATO austreten und im gesamten Europa keine US-Militäreinrichtungen mehr geduldet werden. Daneben äußert sich die Partei offen antisemitisch und unterstellt den europäischen Staaten, „Handlanger“ für Israel zu sein.40
3.4Einstufung der AfD-Teilorganisationen „Der Flügel“ und der „Jungen Alternative für Deutschland“ (JA) durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistische Prüffälle
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte nach intensiver Prüfung im Januar 2019 den AfD-Personenzusammenschluss „Der Flügel“ sowie die offizielle Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative für Deutschland“ (JA), als rechtsextremistische Prüffälle ein. Die deutschen Verfassungsschutzbehörden gehen davon aus, dass dem „Flügel“ ca. 20 % der AfD-Mitglieder zuzurechnen sind, sodass das Personenpotenzial des „Flügels“ ca. 7.000 Anhänger hat. Die ideologischen Inhalte des „Flügels“ ergeben sich vornehmlich aus den Reden seiner exponierten Funktionäre sowie aus Verlautbarungen über die offiziellen Kommunikationskanäle. Die deutschen Verfassungsschutzbehörden analysieren, dass das durch den „Flügel“ „propagierte Politikkonzept auf Ausgrenzung, Verächtlichmachung und letztlich weitgehende Rechtlosstellung von Migranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet“41 ist. Dieses Politikkonzept wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als im Widerspruch zur Menschenwürde-Garantie sowie zum Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip eingestuft. So gelten „kulturfremde Migranten“ dem „Flügel“ als durchweg nicht integrierbar, weswegen ihnen eine Bleibeperspektive konsequent zu verwehren sei. Diese Annahme wird durch eine pauschal flüchtlings- und muslimfeindliche Agitation verstärkt, indem Migration in ihren Auswirkungen als „Zivilisationsbruch“ verunglimpft und bezogen auf ihre finanziellen, ökonomischen und sozialen Folgen für die einheimische Bevölkerung mit einem Krieg gleichgesetzt wird.42
Die im Jahr 2013 gegründete JA ist die offizielle Jugendorganisation der AfD. Nach eigenen Angaben hatte sie im Jahr 2019 ca. 1.600 Mitglieder. Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert, dass sich die ideologischen Standpunkte der JA neben den Äußerungen von Funktionären und Mitgliedern auch aus den verabschiedeten Programmen ableiten lassen. So ist die Ideologie der JA durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt, der im Widerspruch zur Offenheit des Staatsvolkverständnisses des Grundgesetzes steht. Darüber hinaus finden sich islam- und muslimfeindliche Einstellungen in der Jugendorganisation, denen mit aggressiver Rhetorik Nachdruck verliehen wird. Daneben sind auch Anhaltspunkte für Bestrebungen, die sich gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip richten, festzustellen.43
3.5Funktionen der aktuellen rechtsextremistischen Parteien für den Rechtsextremismus in Deutschland
•Rechtsextremistische Parteien haben eine szeneübergreifende Rekrutierungsfunktion.
•Daneben haben sie eine logistische Funktion sowie eine formale Schutzfunktion gegenüber etwaigen Verbotsüberlegungen des Staates.44
•Nach dem Prinzip einer szeneintern beschworenen „nationalen Bewegung“ bzw. eines „nationalen Widerstands“ stellen rechtsextremistische Parteien einen wichtigen Baustein der szeneinternen Vernetzung dar.
•Rechtsextremistische Parteien dienen einer „gemeinsamen Bewegung“, einer Struktur, die über das Zusammenwirken von Demonstrationen hinausgeht.
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