Название: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland
Автор: Stefan Goertz
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Polizei - Studium - Praxis, SCHRIFTENREIHE
isbn: 9783801109066
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3.1.2Programm, Ideologie und Strategien
Ein wesentliches Element der Ideologie der NPD ist die Idee einer ethnisch homogenen „Volksgemeinschaft“. Dieses „Volksgemeinschafts“-Dogma bestimmt die grundsätzliche Fremdenfeindlichkeit der Partei, die Deutsche mit Migrationshintergrund, Ausländer, Muslime und Asylbewerber pauschal mit Negativeigenschaften verbindet und diese als Bedrohung für die einheimische Bevölkerung diffamiert.22 Auch Antisemitismus ist ein wichtiger ideologischer Bestandteil der NPD, der oftmals mit einer positiven Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und geschichtsrevisionistischen Standpunkten verbunden wird. Als politisches Ziel beschreibt die NPD einen fundamentalen „Systemwechsel“ in Deutschland. Mit der „Vier-Säulen-Strategie“, namentlich dem „Kampf um die Köpfe“, dem „Kampf um die Straße“, dem „Kampf um die Parlamente“ und dem „Kampf um den organisierten Willen“, will die NPD seit Jahren die deutsche Demokratie bekämpfen.23
Die NPD setzt mit ihrer Säulenstrategie auf Graswurzelarbeit anstatt auf kurzfristige Wahlerfolge. Beim „Kampf um die Köpfe“ geht es darum, ihr völkisch-nationalistisches Programm zu schärfen und zu einer größtmöglichen Verbreitung zu verhelfen. Die ideologischen Gegenpole dazu sind Humanismus und Universalismus, sodass die NPD das „Gleichheitsdogma“ überwinden will. Sie möchte für die „Unzufriedenen und Enttäuschten“ offen sein.24 Die NPD-Säulenstrategie „Kampf um die Straße“ setzt auf eine intensive Demonstrationspolitik, sodass die NPD-Inhalte öffentlichkeitswirksam verbreitet werden. Jugendkulturell geprägte Rechtsextremisten sollen über das identitätsstiftende Erlebnis von Demonstrationen näher an die NPD gebracht werden.25 Wahlteilnahmen sind eine weitere Säule der NPD-Strategie, der „Kampf um die Parlamente“. Der „Kampf um den organisierten Willen“ wurde 2005 formuliert und dient der Annäherung an das „nationale Lager einer Volksfront“, also an die rechtsextremistischen „Kameradschaften“.26
In der Analyse der Wahlkämpfe der NPD der vergangenen Jahre wird deutlich, dass die Partei verschiedene soziale Schichten anspricht und ihre Wahlkämpfe stark auf Jung- und Erstwähler ausrichtet. Daneben konzentriert sie sich bei ihrer Mobilisierung von Anhängern, Sympathisanten und Wählern auf die rechtsextremistische Jugendszene und die „Kameradschaften“27. Sie versucht aber auch, verschiedene Wählerschichten anzusprechen und sich als Partei zu präsentieren, die sich weder von den jeweiligen Regierungsparteien noch von der Opposition repräsentiert fühlen. So will sich die NPD als Partei für „Protestwähler“ präsentieren, der „Unmut gegen die da oben“ soll mobilisiert werden.
3.2Die Partei „Die Rechte“
3.2.1Aktuelle Situation
Die rechtsextremistische Partei „Die Rechte“ wurde im Jahr 2012 nach Unstimmigkeiten über eine Fusion der beiden rechtsextremistischen Parteien DVU und NPD gegründet, wobei ehemalige DVU-Mitglieder maßgeblich an der Parteineugründung mitwirkten. „Die Rechte“ hatte im Jahr 2019 noch 550 Mitglieder, gegenüber 600 im Jahr zuvor. Diese Partei kommuniziert ihr rechtsextremistisches Weltbild mit Demonstrationen, Infoständen, Flugblattverteilungen sowie Internetveröffentlichungen. Verbunden damit sind fremdenfeindliche und rassistische Agitation, geschichtsrevisionistische Thesen sowie Antisemitismus. Das politische Ziel dieser rechtsextremistischen Partei ist ein „fundamentaler Systemwechsel“28.
Der Vorsitzende der rechtsextremistischen Partei „Die Rechte“, Sascha Krolzig, wurde Mitte Juli 2020 wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht billigte eine vom Landgericht Bielefeld verhängte Haftstrafe. Damit scheiterte Krolzigs Verfassungsbeschwerde. Der rechtsextremistische Politiker hatte in einem Artikel den Vorsitzenden einer Jüdischen Gemeinde als „frechen Juden-Funktionär“ beschimpft und gedroht, seine Partei würde den „Einfluss jüdischer Lobbyorganisationen auf die deutsche Politik in allerkürzester Zeit auf Null reduzieren“. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass die Bezeichnung „frecher Juden-Funktionär“ den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle und es wichtig sei, die deutsche Geschichte zu berücksichtigen. Die Bezeichnung „frecher Jude“ sei eine Wortwahl, die die Nationalsozialisten bei ihrer Propaganda verwendet hätten. Wer sich solche Begriffe zu eigen mache, stachele zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung auf und gefährde damit den öffentlichen Frieden in Deutschland, so die Verfassungsrichter.29
Bei der Europawahl 2019 trat „Die Rechte“ mit einer Kandidatenliste an, welche die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel als Spitzenkandidatin anführte und sich ansonsten überwiegend aus Neonazis zusammensetzte, die wegen rechtsextremistischer Delikte bereits Haftstrafen verbüßt hatten. Daneben organisierte „Die Rechte“ viele Solidaritätsveranstaltungen für Haverbeck-Wetzel, die sie als „politische Gefangene“, „Dissidentin“ und „Streiterin für Meinungsfreiheit“ heroisierte. Diese uneingeschränkte Solidarisierung spiegelt nach Auffassung der deutschen Verfassungsschutzbehörden ihren unverhohlenen Antisemitismus und die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber der Werteordnung des deutschen Grundgesetzes wider.30 Im Europawahlkampf 2019 nutzte „Die Rechte“ ein an eine NS-Parole angelehntes Plakat mit der Aufschrift „Zionismus stoppen: Israel ist unser Unglück! Schluss damit!“. Daneben stellte sie sich als „die einzige konsequent antiisraelische Partei auf dem Stimmzettel“ dar.31 „Die Rechte“ arbeitet aktuell an Kontakten ins Ausland, so wurde im April 2019 im Rahmen eines Treffens europäischer Rechtsextremisten in Sofia/Bulgarien das internationale Bündnis „Festung Europa“ von Parteimitgliedern gegründet. Die Gründung dieses Bündnisses steht im Zusammenhang mit der 2017 von ihr initiierten Anti-EU-Kampagne „Europa erwache! Unser Europa ist nicht eure Union!“.32
3.2.2Programm, Ideologie und Strategien
Die deutschen Verfassungsschutzbehörden analysieren, dass die ideologischen Schwerpunkte der Partei „Die Rechte“ Neonationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind. Dabei wenden sich zahlreiche Kundgebungen und Internetverlautbarungen gegen „staatliche Repression“ und Migration nach Deutschland. Bei ihren propagandistischen Aktionen nutzen Parteimitglieder häufiger Provokationen des politischen Gegners und der Polizei. „Die Rechte“ lehnt nach Einschätzung der deutschen Verfassungsschutzbehörden den deutschen Parlamentarismus ab und betrachtet die Organisationsform einer politischen Partei nur als Mittel zum Zweck für ihren Kampf gegen „das System“. Verschiedene Unterorganisationen der Partei haben sich in den letzten Monaten und Jahren nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu Auffangbecken für Neonazis entwickelt und Funktionen verbotener Neonazi-Gruppierungen übernommen.33
Die zentralen Themen der Partei haben einen völkisch-nationalistischen Hintergrund und wollen vor allem die Asylpolitik ändern, wie bspw. die Duldung von Ausländern aufheben oder Abschiebungen beschleunigen. „Die Rechte“ votiert gegen Parlamentarismus СКАЧАТЬ