Название: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland
Автор: Stefan Goertz
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Polizei - Studium - Praxis, SCHRIFTENREIHE
isbn: 9783801109066
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Für die Zielgruppe dieses Buches, Auszubildende (mittlerer Dienst) und Studierende (gehobener und höherer Dienst) deutscher Polizeibehörden und Nachrichtendienste, soll Rechtsextremismus hier weniger sozialwissenschaftlich-theoretisch, dafür aber operativ-praktisch definiert und analysiert werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Verfassungsschutzbehörde des Bundes, definiert Rechtsextremismus wie folgt:
„Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen. Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, sie haben ein autoritäres Staatsverständnis, das bis hin zur Forderung nach einem nach dem Führerprinzip aufgebauten Staatswesen ausgeprägt ist. Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit, aus der u.a. Fremdenfeindlichkeit resultiert. Dabei herrscht die Auffassung vor, die Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation oder ‚Rasse‘ bestimme den Wert eines Menschen. Offener oder immanenter Bestandteil aller rechtsextremistischen Bestrebungen ist zudem der Antisemitismus. Individuelle Rechte und gesellschaftliche Interessenvertretungen treten zugunsten kollektivistischer ‚volksgemeinschaftlicher‘ Konstrukte zurück (Antipluralismus)“.9
Diese Definition des Bundesamtes für Verfassungsschutz geht davon aus, dass sich Rechtsextremisten gegen die verfassungsmäßige Ordnung, das Grundgesetz und die freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) wenden. Zur FdGO gehören nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts folgende Grundsätze:
•das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
•die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
•das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
•die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
•die Unabhängigkeit der Gerichte,
•der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft
•sowie die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.10
Rechtsextremisten sind Feinde des demokratischen Verfassungsstaates, richten sich gegen die fundamentale Gleichheit der Menschen und haben ein autoritäres Staatsverständnis. Rechtsextremisten lehnen die Staatsform der modernen Demokratie ab und überbewerten ethnische Zugehörigkeit, woraus Fremdenfeindlichkeit und ein Freund-Feind-Muster resultieren.
Analysemerkmale von Rechtsextremismus sind:
•Fremdenfeindlichkeit. Sie drückt eine feindselige Haltung gegenüber Menschen aus, die sich durch Herkunft, Nationalität, Religion oder Hautfarbe von der eigenen Umwelt unterscheiden. Die rechtsextremistische Ideologie ist geprägt von einer Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit.
•Nationalismus und Rassismus sind für Neonationalsozialisten (Neonazis) politische und gesellschaftliche Ideologieelemente.
•Rechtsextremistischer Antisemitismus drückt sich in der Idee einer „weltumspannenden geheimen Verschwörung des Judentums“ aus oder indem Juden kollektiv für die Handlungen des Staates Israel verantwortlich gemacht werden.
•Rechtsextremisten hängen einem autoritär geprägten Staatsverständnis an, das häufig mit der Ablehnung der in Demokratien üblichen Gewaltenteilung einhergeht. In der Konsequenz fordern Neonazis angelehnt an den historischen Nationalsozialismus einen „Führerstaat“, in dem alle staatliche Macht auf die Entscheidungen einer Einzelperson zurückgeführt wird.
•Rechtsextremisten organisieren sich im rechtsextremistischen Parteienspektrum, als Neonazis, in „Kameradschaften“, subkulturell geprägt, dazu gehören u.a. die Skinhead-Subkultur und die „Identitäre Bewegung“.11
2.2Definitionen und Analysemerkmale von Rechtsterrorismus
Das Bundesamt für Verfassungsschutz definiert Rechtsterrorismus wie folgt:
„Der Terrorismus-Begriff der Verfassungsschutzbehörden unterscheidet sich von der strafrechtlichen Definition: Während der Terrorismus-Begriff im strafrechtlichen Sinne – zumindest in Bezug auf ‚terroristische Vereinigungen‘ gemäß § 129a Strafgesetzbuch (StGB) – eine relativ enge Konkretisierung erfährt, ist dieser im Verfassungsschutzverbund weiter gefasst. Verfassungsschutzbehörden verstehen unter Rechtsterrorismus den nachhaltig geführten Kampf von Rechtsextremisten für politische Ziele. Diese sollen mithilfe von Anschlägen auf Leib, Leben und Eigentum anderer durchgesetzt werden, insbesondere durch schwere Straftaten, wie sie in § 129a Abs. 1 StGB genannt sind, oder durch andere Straftaten, die zur Vorbereitung solcher Straftaten dienen.
Damit enthält die Definition zwar einen unmittelbaren Bezug zum Tatbestand des § 129a StGB, sie ist jedoch nicht ausschließlich auf diesen beschränkt. Entscheidend ist aus Verfassungsschutzperspektive das gleichzeitige Vorliegen von drei wesentlichen Faktoren, die auf einen Akteur zutreffen müssen:
–eine politische Motivation in Verbindung mit konkreten politischen Zielen,
–ein nachhaltiges, also nicht nur spontanes, impulsives oder einmaliges Agieren,
–Verüben von besonders schweren Straftaten, insbesondere massiven Gewaltstraftaten.
Diese Verfassungsschutzdefinition verlangt hierbei nicht notwendigerweise die Existenz einer Gruppierung, wie sie das Strafrecht dagegen zwingend vorsieht. Es werden somit auch Einzelpersonen erfasst, die die oben genannten Faktoren erfüllen und dabei nicht auf konkrete Weisung Dritter handeln (rechtsterroristische Einzeltäter).
Die Übergänge von gewaltorientiertem Rechtsextremismus in den Rechtsterrorismus können fließend sein. Die Beobachtung des gewaltorientierten Rechtsextremismus ist daher für die Verfassungsschutzbehörden von besonderer Bedeutung. Zeigen sich Ansätze für eine rechtsterroristische Ausprägung, etwa konkrete Anzeichen für die Planung einer schweren Gewalttat oder eines terroristischen Anschlags, erfolgt eine engmaschige, intensive Bearbeitung als Gefährdungssachverhalt. In der Vergangenheit konnten hierdurch Anschlagsplanungen vereitelt und operative Erfolge im Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden erzielt werden.“12
Analysemerkmale von Rechtsterrorismus
•Rechtsterrorismus wird von einer spezifischen Kommunikationsstrategie begleitet, die über das spezifisch-taktische Ziel (Opfer) hinaus eine terroristische Botschaft an Gruppen, Religionen, Ethnien sendet („Ihr könnt die nächsten Ziele/Opfer sein“). Ein Beispiel hierfür ist die rechtsterroristische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Diese adressierten potenziellen Opfer zukünftiger Anschläge sollen eingeschüchtert werden. Die Botschaft von Rechtsterroristen richtet sich an die Opfergruppe, den Staat und das rechtsterroristische Sympathisantenumfeld.13
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