The New Jim Crow. Michelle Alexander
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Название: The New Jim Crow

Автор: Michelle Alexander

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783956141591

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СКАЧАТЬ dass er immer möglich ist und dass Scheitern eine Frage des Charakters ist. Und das gilt folglich auch für eine ganze ethnische Gruppe.

      Was in den wenigen öffentlichen Debatten über das Elend der Afroamerikaner völlig fehlt, ist die Tatsache, dass ein enormer Prozentsatz von ihnen überhaupt nicht die Freiheit zum gesellschaftlichen Aufstieg besitzt. Nicht nur, dass die meisten keine Gelegenheit dazu bekommen, die Schulen, die sie besuchen, schlecht sind oder sie in Armut leben, nein, das Gesetz hindert sie daran, und auch die wichtigsten Institutionen, mit denen sie in Kontakt kommen, sind darauf angelegt, ihren Aufstieg zu verhindern. Um es krasser auszudrücken: Das heutige Kontrollsystem sperrt einen großen Prozentsatz der Afroamerikaner aus der Gesellschaft und der Arbeitswelt aus. Es bedient sich der Institutionen der Strafjustiz, funktioniert aber eher wie ein Kastensystem als ein System zur Verhinderung von Verbrechen. So gesehen ist die sogenannte Unterklasse eher als Unterkaste zu bezeichnen – eine niedrige Kaste von Menschen, die durch Gesetz und Gewohnheit dauerhaft aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Und während dieses neue System rassistischer sozialer Kontrolle vorgibt, farbenblind zu sein, schafft und erhält es eine Rassenhierarchie genauso aufrecht wie frühere Kontrollsysteme. Wie Jim Crow (und die Sklaverei) stellt die Masseninhaftierung ein eng gestricktes Netz aus Gesetzen, Maßnahmen, Gewohnheiten und Institutionen dar, die zusammen dafür sorgen, dass sich eine weitgehend durch Rasse definierte Gruppe nicht aus ihrem untergeordneten Status befreien kann. Diese Behauptung mag angesichts der Wahl Barack Obamas besonders abwegig sein. Viele werden einwenden, es könne doch nicht sein, dass ein Land, das zum ersten Mal einen schwarzen Präsidenten gewählt habe, ein rassisches Kastensystem habe. Ein berechtigter Einwand. Doch wie ich in Kapitel 6 zeigen werde, besteht kein Widerspruch zwischen der Wahl Barack Obamas ins höchste Amt des Landes und der Existenz eines rassischen Kastensystems in der Ära der Farbenblindheit. Das gegenwärtige Kontrollsystem beruht auch darauf, dass es den »Ausnahmeschwarzen« gibt, und wird durch dessen Existenz weder widerlegt noch ausgehöhlt. Andere wenden vielleicht ein, das Vorhandensein eines rassischen Kastensystems werde schon dadurch widerlegt, dass die meisten Amerikaner – egal, welcher Hautfarbe – Rassendiskriminierung ablehnen und für die Farbenblindheit eintreten. Doch wie die nächsten Seiten deutlich machen werden, bedürfen rassistische Kastensysteme keiner Feindseligkeit gegen bestimm te Ethnien und keines Fanatismus, um effektiv zu sein. Es genügt die Gleichgültigkeit gegenüber der Rassenfrage, wie Martin Luther King schon vor über 45 Jahren erkannte.

      Aufgrund der jüngsten Entscheidungen einiger Bundesstaaten, vor allem New Yorks, die Mindeststrafen für Drogendelikte abzuschaffen oder zu verringern, glauben manche, dass das in diesem Buch geschilderte System rassischer Kontrolle im Schwinden begriffen sei. Das anzunehmen, ist meiner Ansicht nach ein schwerer Irrtum. Viele Bundesstaaten, die ihre harten Strafgesetze reformiert haben, haben es nicht aus Sorge um das Leben und die Familien getan, die durch diese Gesetze zerstört werden, oder wegen der rassistischen Aspekte des Kriegs gegen die Drogen, sondern aus Angst vor einem explodierenden Haushalt in einer Zeit der Rezession. Mit anderen Worten, die Rassenideologie, die zu diesen Gesetzen geführt hat, bleibt trotz milderer Strafgesetze weitgehend unangetastet. Veränderte wirtschaftliche Bedingungen oder steigende Kriminalitätsraten können das Schicksal der Drogendelinquenten leicht wieder wenden, vor allem, wenn Drogentäter weiter hauptsächlich als People of Color wahrgenommen werden. Und man muss sich Folgendes klarmachen: Die bloße Verkürzung der Haftstrafe bringt die Architektur des neuen Jim Crow nicht ins Wanken. Solange man eine große Zahl von Afroamerikanern verhaftet und als Drogenkriminelle abstempelt, werden sie weiterhin nach ihrer Entlassung dauerhaft auf einen Platz am Rand der Gesellschaft verwiesen, egal, wie lange sie hinter Gittern gesessen haben. Das Fundament des Systems der Masseninhaftierung ist das Gefängnisetikett, nicht die Haftzeit.

      Skepsis gegen die hier aufgestellten Behauptungen ist berechtigt. Natürlich gibt es zwischen Masseninhaftierung, Jim Crow und der Sklaverei – den drei großen bisherigen rassistischen Kontrollsystemen in den Vereinigten Staaten – wichtige Unterschiede. Diese und ihre Implikationen zu verkennen, wäre fatal für den Diskurs über Rassengerechtigkeit. Viele dieser Unterschiede sind jedoch nicht so bedeutend, wie sie auf den ersten Blick erscheinen; andere zeigen lediglich, dass Systeme rassistischer sozialer Kontrolle ihre Gestalt verändern, sich weiterentwickeln und nach und nach den Veränderungen des politischen, sozialen und gesetzlichen Umständen der jeweiligen Zeit anpassen. Letztlich glaube ich, dass die Ähnlichkeiten zwischen diesen Kontrollsystemen gegenüber den Unterschieden überwiegen und dass die Masseninhaftierung im Großen und Ganzen so angelegt ist, dass Klagen dagegen scheitern müssen. Dies hat, wenn es zutrifft, tiefgreifende Auswirkungen auf jedes Engagement für die Rassengerechtigkeit.

      Aus der Rückschau lässt sich gut erkennen, dass unsystematische Reformen oder einzelne Gerichtsverfahren allein nicht ausgereicht hätten, die Rassentrennung unter Jim Crow abzuschaffen. Zweifellos hatten sie ihre Berechtigung, doch das Bürgerrechtsgesetz von 1964 und den damit verbundenen kulturellen Wandel hätte es nicht gegeben, hätte man nicht gleichzeitig in der afroamerikanischen Gemeinde ein kritisches politisches Bewusstsein geschaffen und damit für breite strategisch durchdachte Aktionen gesorgt. Und genauso ist es ein fundamentaler Irrtum zu glauben, der Neue Jim Crow könne über den konventionellen Gerichtsweg und einzelne Reformen, vor allem aber ohne eine sie stützende große soziale Bewegung besiegt werden.

      Eine solche Bewegung wird jedoch so lange nicht zustande kommen, als sich die engagiertesten Gegner der Rassenhierarchie äußern und verhalten, als ob es kein vom Staat gestütztes rassisches Kastensystem mehr gäbe. Wenn wir uns weiterhin die populären Mythen vom Fortschritt in der Rassenfrage erzählen, schlimmer noch, wenn wir uns einreden, das Problem der Masseninhaftierung sei einfach zu groß, zu abschreckend, als dass wir etwas dagegen unternehmen könnten, wenn wir meinen, es sei besser, unsere Energien auf die Kämpfe zu richten, die leichter gewonnen werden können, dann wird die Geschichte ein hartes Urteil über uns fällen. Unter unseren Augen spielen sich Menschenrechtsverletzungen ab, die einem Alptraum gleichkommen.

      Wenn wir jemals den Neuen Jim Crow überwinden wollen, müssen wir einen anderen Konsens über die Rassenfrage herstellen, indem wir uns über die Grundstruktur unserer Gesellschaft einigen. Am Anfang sollte ein Dialog stehen, ein Gespräch, das das kritische Bewusstsein fördert, ohne das kein effektives soziales Handeln möglich ist. Dieses Buch soll sicherstellen, dass das Gespräch nicht mit einem Augenzwinkern endet.

      Es ist unmöglich, in einem relativ schmalen Buch alle Aspekte der Masseninhaftierung und ihrer Folgen für die Rassengleichheit zu behandeln, und ich erhebe gewiss nicht den Anspruch, dies hier geleistet zu haben. Das Buch ist eher eine grobe Skizze, sodass viele wichtige Themen nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient hätten, zum Beispiel die speziellen Erfahrungen von Frauen, Latinos und Einwanderern mit der Strafjustiz, obwohl gerade diese Gruppen besonders betroffen sind und unter den schlimmsten Übergriffen zu leiden haben. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt jedoch auf dem, was afroamerikanischen Männern im neuen Kastensystem widerfährt. Ich hoffe, andere Wissenschaftler und Anwälte werden dort weitermachen, wo dieses Buch endet, und die Kritik weiter ausführen oder die hier skizzierten Themen auf andere Gruppen und andere Kontexte übertragen.

      Was mit diesem Buch erreicht werden soll – das Einzige, was damit erreicht werden soll –, ist, einen dringend gebotenen Diskurs darüber anzuregen, welche Rolle dem Strafjustizsystem bei der Schaffung und Erhaltung der Rassenhierarchie in den Vereinigten Staaten zukommt. Das Schicksal von Millionen Menschen – ja, die Zukunft der Afroamerikaner an sich – hängt vielleicht davon ab, ob diejenigen, die für Rassengleichheit eintreten, bereit sind, ihre Meinung zum Strafjustizsystem in unserer Gesellschaft einer Prüfung zu unterziehen. Dass zurzeit in vielen amerikanischen Großstädten mehr als die Hälfte der jungen schwarzen Männer unter dessen Kontrolle stehen, ist nicht nur – wie viele behaupten – ein Symptom der Armut oder eines Mangels an Wahlmöglichkeiten, sondern Beweis für die Existenz eines neuen rassischen Kastensystems.

      Kapitel 1 gibt einen kurzen historischen Abriss der rassistischen sozialen Kontrolle in den Vereinigten Staaten und beantwortet die grundlegende Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Es beschreibt die Herrschaft über die Afroamerikaner durch СКАЧАТЬ