Название: Requiem für den amerikanischen Traum
Автор: Noam Chomsky
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783956142208
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Seit den 1970er-Jahren sind die Studiengebühren stetig gestiegen und erreichen inzwischen schwindelerregende Höhen. Noch einmal, ich glaube nicht, dass sich anhand von Dokumenten nachweisen lässt, dass dies auf gezielte Planungen zurückzuführen ist, aber die Auswirkungen sind klar – damit wurde weiten Teilen der Bevölkerung der Zugang zu höherer Bildung genommen. Wer es dennoch schafft, steckt hinterher in der Schuldenfalle. Mit 100.000 Dollar Schulden nach dem Studienabschluss ist man nicht mehr frei. Und man kann weder wie ein Unternehmen Konkurs anmelden, noch gibt es für diese Art Schulden die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Sie verfolgen einen womöglich ein Leben lang, sogar die Rente kann noch dafür gepfändet werden. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als sich der Macht zu beugen.
So ziemlich dasselbe passiert im Schul- und Kindergartenbereich. Hier gibt es die Tendenz, statt Bildung schlichte Fertigkeiten zu vermitteln und die Entwicklung von Kreativität und Unabhängigkeit zu untergraben – nicht nur bei den Schülern, auch bei den Lehrern. Die zunehmende Konzentration auf Prüfungswissen und Bildungsgesetze wie George W. Bushs »No Child Left Behind« und Obamas »Race to the Top« haben genau diesen Effekt. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei all dem um Methoden der Indoktrination und Kontrolle. Ein anderer Weg, der zum selben Ziel führt, besteht natürlich darin, die kostenlose Bildung einzuschränken oder ganz abzuschaffen.
Auch der Zuwachs an Charter Schools, Vertragsschulen, ist ein nur leicht verbrämtes Bestreben, das öffentliche Schulsystem zu zerstören. Durch Charter Schools werden öffentliche Gelder in private Institutionen umgelenkt und so das öffentliche Schulsystem geschwächt. Die Charter Schools erzielen aber trotz aller Vorteile keine besseren Ergebnisse, was nahelegt, dass man die öffentlichen Einrichtungen zerstören will.
Siehe: Alan Schwarz, »Aufmerksamkeitsdefizit oder nicht, Pillen für bessere Schulleistungen«, New York Times, 9. Oktober 2012; S. 46.
Die New York Times berichtete von Ärzten, die Kindern aus ärmlichen Verhältnissen Medikamente zur Verbesserung ihrer schulischen Leistungen verschreiben, obwohl sie genau wissen, dass diesen Kindern nichts fehlt – krank ist hier nur die Gesellschaft. Dies zeigt, dass wir alle eben entschieden haben, nicht die Gesellschaft zu ändern, sondern die Kinder. Es geht dabei um Kinder aus Armutsvierteln mit schlecht ausgestatteten Schulen, deren Leistungen zu wünschen übrig lassen. Also traktieren wir sie mit Medikamenten. Eigentlich aber haben nicht wir als Gesellschaft dies entschieden, sondern die Herren über unsere Gesellschaft.
Verurteilung der Kritiker
Der ziemlich merkwürdige Vorwurf des »Antiamerikanismus« sollte in einer freien Gesellschaft nicht verwendet werden. Im Grunde steckt dahinter ein totalitäres Konzept. Niemand, der in Italien Berlusconi oder die Korruption des Staatsapparats kritisiert, würde dort jemals als »antiitalienisch« tituliert. In Rom oder Mailand würde man dafür nur schallendes Gelächter ernten. Es handelt sich um eine Bezeichnung aus dem Repertoire totalitärer Staaten. In der Sowjetunion wurden Dissidenten als »antisowjetisch« bezeichnet – der schlimmste Vorwurf überhaupt. Auch unter der brasilianischen Militärdiktatur wurde mit dem Begriff »antibrasilianisch« operiert. Aber solche Bezeichnungen gedeihen nur in einem Umfeld, in dem der Staat mit der Gesellschaft, der Kultur, der Bevölkerung gleichgesetzt wird. Wer dann diesen Staat kritisiert – und mit »Staat« meine ich im Allgemeinen nicht bloß die Regierung, sondern auch das Machtgeflecht aus Staat und Konzernen –, wer also konzentrierte Macht kritisiert, dem wird vorgeworfen, gegen die Gesellschaft, gegen das Volk zu sein. Es ist ziemlich bezeichnend, dass dieser Vorwurf in den USA benutzt wird, soweit ich weiß, sind wir die einzige demokratische Gesellschaft, in der man sich damit nicht einfach lächerlich macht. Die Elite-Kultur zeigt sich hier von einer ziemlich unschönen Seite.
Kritiker werden natürlich in fast jeder Gesellschaft verleumdet und schlecht behandelt. In welcher Form dies geschieht, hängt von der Natur der jeweiligen Gesellschaft ab. In der Sowjetunion steckte man Kritiker in den 1980er-Jahren ins Gefängnis, in El Salvador pusteten ihnen zur selben Zeit US-finanzierte Terrortrupps das Hirn weg. In anderen Gesellschaften werden Kritiker einfach missachtet oder diffamiert. Das ist normal, damit muss man rechnen. In den Vereinigten Staaten gehört eben »antiamerikanisch« zu den Schimpfwörtern. Es gibt viele andere, »Marxist« zum Beispiel, aber wenn man bedenkt, was man alles kritisieren kann, sind die USA in vielerlei Hinsicht immer noch die freieste Gesellschaft der Welt. Es gibt Unterdrückung, aber unter den relativ privilegierten Menschen, welche die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, herrscht ein sehr hoher Grad an Freiheit. Wen interessiert es also, wenn er vom politischen Gegner geschmäht wird, davon lässt sich niemand aufhalten.
Das nationale Interesse
Für Powell auf der rechten Seite lautete die Devise: »Wir haben das Geld, wir sind die Treuhänder, wir sorgen für Disziplin.« Die Liberalen mochten für sanftere Methoden eintreten, verfolgten aber dasselbe Ziel. Die Trilaterale Kommission kam zu dem Schluss, die Medien seien außer Kontrolle geraten, und wenn sie sich weiterhin so unvernünftig verhielten, müsste der Staat sie eben an die Kandare nehmen. Dabei weiß jeder, der die damalige Medienlandschaft kennt, wie hoffnungslos angepasst sie war. Doch für die Liberalen, nicht immer ihrem eigenen Leitbild treu, war das alles zu viel.
Auffällig ist, dass eine Interessengruppe in ihrer Studie nie erwähnt wird – die Privatunternehmer. Das ist auch nachvollziehbar, verstehen sich doch die Privatunternehmer nicht als Vertreter eigener Interessen, sondern als Verkörperung der nationalen Interessen schlechthin. Somit ist für sie alles in bester Ordnung. Sie dürfen ruhig Lobbyisten beschäftigen, Wahlkampagnen finanzieren, ihren Leuten Regierungsposten verschaffen, Entscheidungen treffen, während alle anderen, die Interessengruppen, die Allgemeinbevölkerung, kleingehalten werden müssen.
Soviel zum politischen Spektrum. Das ist in etwa der ideologische Überbau der Gegenreaktion. Aber der wirklich große Gegenschlag, der mit dem hier geschilderten parallel lief, war die Umgestaltung der Wirtschaft.
POWELL MEMORANDUM UND ANDERE QUELLEN
Lewis F. Powell Jr., Powell Memorandum, 1971
Dimensionen des Angriffs
Kein denkender Mensch kann sich der Erkenntnis verschließen, dass das Wirtschaftssystem der USA auf breiter Front angegriffen wird. Diese Angriffe unterscheiden sich in Umfang, Intensität, den eingesetzten Mitteln und im Maß ihrer Sichtbarkeit …
Ursprünge des Angriffs
Die Ursprünge sind vielfältig, und die Angriffe erfolgen aus den verschiedensten Richtungen. Wie zu erwarten, kommen sie aus den Reihen der Kommunisten, der Neuen Linken und anderer Revolutionäre, die bestrebt sind, das gesamte System der Politik und Wirtschaft zu zerstören. Diese Extremisten der Linken sind viel zahlreicher, besser finanziert und erfahren mehr Ermunterung und Unterstützung aus der Gesellschaft als jemals zuvor in unserer Geschichte. Aber sie bleiben eine kleine Minderheit, und sie sind noch nicht der Hauptgrund zur Sorge.
Am besorgniserregendsten unter den Stimmen, die sich dem Chor der Kritiker anschließen, sind diejenigen, die aus absolut respektablen Kreisen der Gesellschaft kommen: Von den Universitäten, den Kanzeln, den Medien, den intellektuellen und literarischen Zeitschriften, den Künsten und Wissenschaften und von Politikern. In den meisten dieser Gruppierungen beteiligt sich СКАЧАТЬ