Название: Die Grenz- und Asylpolitik der Europäischen Union
Автор: Dr. Domenica Dreyer-Plum
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783846353462
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3.1.2 Strategische Ziele im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
Mit dem Schengener AbkommenSchengener Abkommen ist die Außengrenzsicherung für alle am Schengenraum teilnehmenden Staaten zu einem Thema gemeinsamen Interesses geworden. Notwendigerweise braucht es Übereinkünfte dazu, wie die Grenzsicherung aussehen soll.
Die strategische Planung in diesem Politikbereich obliegt dem Europäischen Rat und damit den Staats- und Regierungschefs, nicht der Europäischen Kommission (Art. 68 AEUV). Diese Strategien wurden in Mehrjahresprogrammen von den Staats‑ und Regierungschefs festgehalten (ausführlich: Dreyer-Plum 2017: 172-184).
Das erste Strategiepapier: Programm von Tampere (1999)
Das erste Programm dieser Art war das Programm von TampereProgramm von Tampere (Europäischer Rat 1999). Dieses Strategieprogramm erarbeiten die Staats‑ und Regierungschefs im Europäischen Rat in Folge des Amsterdamer Vertrags, dem ersten Vertrag der gemeinschaftliche Politikziele für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorsah (Art. 61 EGV-Amsterdam). Das Programm von Tampere enthielt innen‑ und justizpolitische Ziele für den Zeitraum 2000 bis 2004.
Dem Freiheitsgut der UnionsbürgerUnionsbürger wurde hohe Priorität eingeräumt. Das Freiheitsprinzip sollte nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs Grundlage für die gesamte Innen‑ und Justizpolitik sein. Freiheit ist nicht selbstverständlich und gilt in der Gemeinschaft als hohes politisches Gut:
„Es stünde im Widerspruch zu den Traditionen Europas, wenn diese Freiheit den Menschen verweigert würde, die wegen ihrer Lebensumstände aus berechtigten Gründen in unser Gebiet einreisen wollen. Dies erfordert wiederum, daß die Union gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitiken entwickelt und dabei der Notwendigkeit einer konsequenten Kontrolle der Außengrenzen zur Beendung der illegalen Einwanderung und zur Bekämpfung derjenigen, die diese organisieren und damit zusammenhängende Delikte im Bereich der internationalen Kriminalität begehen, Rechnung trägt.“ (Programm von Tampere, Einleitung)
Hier wird die enge Verwebung von Einreise und Asyl, Kriminalität und Migration vor dem Hintergrund der Grenzsicherung deutlich. Mit konkretem Bezug zur Grenzpolitik wurden drei Prioritäten formuliert:
1 Partnerschaft mit Herkunftsländern von Asylsuchenden und Migranten; bessere Bedingungen in Heimatstaaten schaffen, um Einwanderung zu reduzieren (§§ 11-12).
2 Gemeinsames Europäisches AsylsystemGemeinsames Europäisches Asylsystem schaffen: Anwendung Genfer Flüchtlingskonvention durch Anerkennung Nichtzurückweisungsprinzip, außerdem gemeinsame Standards bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen; gleiche Kriterien bei der Entscheidung über Asylanträge (§§ 13-17).
3 Migrationsströme effizient steuern: Informationskampagnen in Transit‑ und HerkunftsstaatenHerkunftsstaaten durchführen, Kriminalität in der Migration bekämpfen (Schlepper, die aus der Not der Asylsuchenden Profit schlagen); Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten (§§ 22-27).
Es folgte das Haager ProgrammHaager Programm aus dem Jahr 2004, das für den Zeitraum 2005 bis 2009 ausgearbeitet wurde.
Programm von Den Haag (2004): Sicherheit und Grundrechtschutz
Einige politische Ziele des Programms von Tampere waren bereits erreicht: die Dublin-Verordnung, die Aufnahme‑ und Anerkennungsrichtlinie waren verabschiedet worden, drei wesentliche Elemente des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Damit wurden erste Ziele des Amsterdamer Vertrags und des Programms von Tampere verwirklicht. Auch bei der Harmonisierung der Grenzkontrollen stellte der Europäische Rat Fortschritte fest.
Entworfen wurde das Haager Programm unter dem unmittelbaren Eindruck der Anschläge auf Madrid im März 2004, ebenso wie der Terroranschläge auf die USA im Jahr 2001. Es überrascht daher wenig, dass das Haager Programm stärker noch als das Programm von Tampere von sicherheitspolitischen Überlegungen gekennzeichnet ist. Dennoch war den Staats‑ und Regierungschefs wichtig, dass Freiheit das wichtigste und dominante Prinzip im Raum ohne Binnengrenzen bleibt und entsprechend weiter ausgebaut würde. Das Haager Programm war mit seiner Verabschiedung Ende 2004 auf das Inkrafttreten des Verfassungsvertrags ausgerichtet (der jedoch in Frankreich und in den Niederlanden in nationalen Referenden scheiterte und nicht in Kraft trat). Die Organe und die Gemeinschaft sollten auf die Grundrechtecharta vorbereitet werden, die mit dem Verfassungsvertrag bindend werden sollte.
Der Europäische Rat erwog eine stärkere und wirkungsvolle Verzahnung von Visaantragsverfahren, Einreise‑ und Ausreiseverfahren beim Überschreiten der Außengrenzen (Europäischer Rat 2004).
In Bezug auf GrenzkontrollenGrenzkontrollen forderte der Europäische Rat, dass Informationen und Daten über Wanderungsbewegungen erhoben, weitergegeben und ausgetauscht sowie verwendet würden, um Migrationsbewegungen zu steuern (Europäischer Rat 2004: 17). Dazu sollten auch die bisherigen Informationssysteme weiter ausgebaut werden. Menschen‑ und Freiheitsrechte gerieten mit sicherheitspolitischen Erwägungen in Konflikt:
„Die Sicherheit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten ist dringlicher denn je, insbesondere in Anbetracht der Terroranschläge […]. Die Bürger Europas erwarten zu Recht von der Europäischen Union, dass sie im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Probleme wie illegale Einwanderung, Menschenhandel und -schmuggel, TerrorismusTerrorismus sowie organisierte Kriminalität und deren Verhütung gemeinsam und noch wirksamer vorgeht, dabei jedoch die Achtung der Grundfreiheiten und -rechte sicherstellt.“ (Europäischer Rat 2004: 12)
Die Einreisepolitik und die Beziehung zu Transit‑ und HerkunftsstaatenHerkunftsstaaten rückten ins Zentrum europäischer Überlegungen zur Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Zum verbesserten Umgang mit Asyleinwanderung sah das Haager Programm bis 2010 die Einrichtung einer europäischen Agentur vor. Diese sollte intergouvernemental organisiert sein und die Mitgliedstaten bei Asylfragen, Verfahren und Rückführungen unterstützen (später VO (EU) Nr. 439/2010, weitere Litetratur dazu Geiger/Khan/Kotzur/Kotzur 2017, Art. 78 AEUV, Rn 6 mwN).
Das Programm von Stockholm (2010)
Das Stockholmer ProgrammStockholmer Programm war für den Zeitraum 2010 bis 2014 ausgelegt und setzte die allgemeinen Ziele von Tampere und Den Haag fort. Ziel des gemeinsamen Raums war ein „offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger“ (Europäischer Rat 2010: Titel).
Die GrenzpolitikGrenzpolitik berührte drei Themenfelder: (1) illegale Einwanderung und Kriminalität, (2) gemeinsame Asylpolitik sowie (3) die Einreise von Drittstaatsangehörigen zu Studien‑ und Arbeitszwecken.
Der illegalen Einwanderung und grenzüberschreitenden Kriminalität sollte durch ein integriertes Grenzmanagement sowie die Zusammenarbeit mit Herkunfts‑ und Transitländern begegnet werden (§ 6.1.6). Die europäische Grenzschutzagentur FrontexFrontex sollte vermehrt Risikoanalysen über Migrationsrouten erstellen und diese Routen überwachen. Zudem sollte Frontex gestärkt werden, indem das Mandat für Frontex präzisiert und ausgeweitet wurde und „einheitliche Grenzüberwachungsstandards“ angewandt würden (§ 5.1, weiterhin: 8-9).
Die gemeinsame Asylpolitik sollte vor allem durch den Ausbau des eingerichteten Unterstützungsbüros für Asylfragen vorangetrieben werden. Ziel war es, einen Schutz‑ und Solidaritätsraum zu schaffen, in dem ein europäisches Asylverfahren angewandt und ein einheitlicher Asylstatus erteilt würde (§§ 3, 5-7). Darüber hinaus ermahnten sich die Staats‑ und Regierungschefs gegenseitig, СКАЧАТЬ