Название: Die Grenz- und Asylpolitik der Europäischen Union
Автор: Dr. Domenica Dreyer-Plum
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783846353462
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Anmerkung: Beitritt zum Abkommen bzw. Ratifikation ist nicht gleichbedeutend mit Wegfall der Grenzkontrollen. Oft braucht es drei bis fünf Jahre, bis die Grenzkontrollen faktisch wirklich abgeschafft sind. Im Sonderfall Zypern steht dies aufgrund des Konflikts mit der Türkei noch aus.
Welche Effekte ergaben sich aus der Schengenpolitik für die Innen- und Justizpolitik der EU?
Aus dem Wegfall der GrenzkontrollenGrenzkontrollen zwischen Schengenstaaten ergab sich die Notwendigkeit, über Kontrollen an den Außengrenzen ins politische Gespräch zu kommen und Vereinbarungen für Aufenthalte im europäischen Raum zu kommen. Das gilt für Kurzaufenthalte (Visumtitel) ebenso wie für Asylschutz und langfristige Aufenthaltstitel.
Wer zählt heute zum Schengen-Raum? Wer partizipiert außerdem an der gemeinsamen Innen- und Justizpolitik?
Die Mehrheit der EU-Staaten sind auch Schengen-Vertragsstaaten. Lediglich Irland nimmt ausdrücklich nicht am SchengenraumSchengenraum teil. Hingegen gibt es einige Nicht-EU-Staaten, die dennoch am Schengenraum partizipieren. Das sind die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz. Eine Ausnahmesituation ergibt sich für Andorra, Monaco, San Marino und Vatikanstadt. Diese Staaten pflegen sehr enge Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten, unterhalten daher auch keine Grenzkontrollen, sind jedoch keine Schengenstaaten. Das bedeutet, dass sie kein Visum für den Schengenraum erteilen können und keinen Zugriff auf das Schengener Informationssystem haben. Einen Sonderstatus haben die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Hier ist der kleine Grenzverkehr mit Marokko grenzfrei, während Marokkaner ansonsten regulär ein Visum beantragen müssen. Auch der Fährverkehr nach Gibraltar wird kontrolliert.
Welche Vorteile sind mit dem Schengen-Raum verbunden?
GrenzkontrollenGrenzkontrollen sorgen sehr oft für Verzögerungen beim Grenzübertritt. Zudem verdeutlichen Kontrollen, dass es Grenzen gibt. Fallen diese weg, wird ein gemeinsamer Raum erst erfahrbar. Ein praktischer Nebeneffekt ist auch für den grenzüberschreitenden Handel, dass dieser effizienter und damit kostengünstiger abgewickelt werden kann. Durch den Wegfall der Grenzkontrollen fallen Hürden im Austausch weg, das gilt auf persönlicher wie wirtschaftlicher Ebene.
Wer profitiert besonders von Schengen?
Exporte wie Importe werden günstiger und effizienter, dies kann zu mehr Handelsaustausch und günstigeren Verbraucherpreisen führen. Für Schengenraumstaaten ohne Außengrenze fungieren die übrigen Schengenstaaten wie eine Pufferzone zu den Außengrenzen. Im aktuell gültigen Schengenrecht bedeutet es auch, dass weniger Asylsuchende die landumschlossenen Schengenstaaten erreichen.
Für UnionsbürgerUnionsbürger bedeutet Schengen in erster Linie, dass sie an der Grenze zu Nachbarstaaten nicht mehr kontrolliert werden. Die politische Diskussion um den SchengenraumSchengenraum dreht sich hingegen hauptsächlich um flankierende Maßnahmen, die den Verlust der Kontrollen an den Binnengrenzen und den faktischen gemeinsamen Außengrenzen kompensieren (Thym 2016: 33, Rn 3). Diese flankierenden Maßnahmen betreffen die Bereiche Visa, Polizeikooperation, Kriminalität und Einwanderung.
Wer verfügt über einen Sonderstatus im Schengenraum?
Wer nun der Europäischen Union beitritt, kann sich dem Schengenraum nicht entziehen. Seit dem Vertrag von AmsterdamVertrag von Amsterdam (1999) ist das Schengenrecht in Unionsrecht integriert, was neue Beitrittsländer zur Teilnahme am Schengenraum verpflichtet. Irland hat für sich einen Ausnahmestatus durchgesetzt. 26 Staaten sind Vollanwender-Staaten, d.h. die Schengenbestimmungen werden vollständig angewendet. Bulgarien, Kroatien und Rumänien erteilen bisher noch keine einheitlichen Schengen-Visa und führen teilweise noch Personenkontrollen an Binnengrenzen durch. Die Anwendung der Schengen-Bestimmungen in Zypern hängen noch von der Beilegung des Zypern-Konfliktes ab.
Was ist der rechtliche Status des Schengen-Besitzstandes?
Mit dem Vertrag von Amsterdam ist der bis dahin entwickelte Schengener Besitzstand mit dem Schengener Abkommen, Durchführungsübereinkommen, Dublin Übereinkommen und Visakodex durch ein Protokoll in Gemeinschaftsrecht überführt worden. Irland und Dänemark erwirkten für sich Sonderregelungen. Während sich Irland dem SchengenraumSchengenraum komplett entzieht, hat Dänemark eine Sonderposition ausgehandelt, wonach Dänemark über jeden einzelnen durch den Rat beschlossenen Schengen-Rechtsakt entscheidet, ob es diesen in nationales Recht umsetzt.
Aufgrund der komplexen Komposition des Schengenraumes handelt es sich um eine Form der verstärkten ZusammenarbeitVerstärkte Zusammenarbeit, die zwar formal alle Mitgliedstaaten umfasst, gleichzeitig jedoch de jure und damit auch de facto Ausnahmeregelungen zulässt, die für einen uneinheitlichen gemeinsamen Raum sorgen (Thym 2016: 32, Rn 2).
Viele zunächst zwischenstaatlich beschlossene Regeln wurden inzwischen durch europäische Rechtsinstrumente ersetzt, was zeigt, dass das Schengenrecht reguläres Unionsrecht geworden ist (Thym 2016: 32, Rn 2). Zu den wichtigsten Rechtsinstrumenten zählen in Folge des Amsterdamer Vertrags der Schengener Grenzkodex (Verordnung (EG) Nr. 562/2006 v. 15.3.2006, ABl. Nr. L 105/1, inzwischen Verordnung (EU) 2016/299 v. 9.3.2016, ABl. Nr. L 77/1 v. 23.3.2016, letzte Änderung v. 11.6.2019) und der Visakodex (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 v. 13.7.2009, ABl. Nr. L 243/1 v. 15.9.2009, letzte Änderung v. 12.4.2016).
Welche Rolle spielt Sicherheit im Schengenraum?
Die ursprünglich von den Gründerstaaten für eine Handvoll Schengenstaaten eingeführten flankierenden MaßnahmenFlankierende Maßnahmen im Bereich Visa, Einwanderung, Asyl und Grenzschutz sind inzwischen zum Rückgrat der Zusamenarbeit im Bereich europäischer Justiz‑ und Innenpolitik geworden (Thym 2016: 33, Rn 3).
In der Literatur wird dieser Prozess als VersicherheitlichungVersicherheitlichung beschrieben und kritisiert, weil die Innenminister die Politikgestaltung in diesem Bereich stark geprägt haben mit ihrem Fokus auf Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung (dazu ursprünglich Guiraudon 2000; rezipiert von Parkes 2010; Kaunert und Léonard 2012). Daniel Thym wendet ein, dass die Justiz‑ und Innenpolitik im Zuge der schrittweisen Überführung des Politikbereichs in einen Entscheidungsmodus, der die qualifizierte Mehrheit und die Beteiligung des Parlaments erfordert, weniger stark von sicherheitspolitischen Überlegungen gekennzeichnet ist (Thym 2016: 33, Rn 3).
Spätestens im Zuge der Terroranschläge von Paris im Januar und November 2015 ist die Sicherheitsthematik wieder stärker in den Vordergrund der Schengenpolitik gerückt. Frankreich führte mit Verweis auf die Terrorgefahr wieder Grenzkontrollen ein. Im Zuge der MigrationskriseMigrationskrise von 2015/2016 führten zudem Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen wieder Grenzkontrollen mit Verweis auf die nationale SicherheitNationale Sicherheit ein.
Gemäß Schengenrecht ist die Wiedereinführung von GrenzkontrollenGrenzkontrollen rechtmäßig, sofern diese „unter außergewöhnlichen Umständen“ durchgeführt und „für die vorhersehbare Dauer der ernsthaften Bedrohung“ (VO (EU) 2016/399, Art. 25 Abs. 1) beschränkt sind. Sollte eine Bedrohungslage länger andauern, so können die Grenzkontrollen jeweils um 30 Tage verlängert werden. Der Gesamtzeitraum, in dem Kontrollen an Binnengrenzen durchgeführt werden, sollte СКАЧАТЬ