Название: Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen
Автор: Christoph Hillebrand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811488540
isbn:
7. Betriebsübergang, § 613a
254
§ 613a ist im Jahre 1972 in Kraft getreten und seither im BGB verankert. 1980 wurde die Norm im Rahmen der Umsetzung der EG-Richtlinie 77/187/EWG modifiziert. 2001 erfolgte die bislang letzte Änderung durch Umsetzung der EG-Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen. Für die Auslegung der in der Richtlinie aufgeführten Vorgaben ist der Europäische Gerichtshof maßgeblich verantwortlich. Die Rechtsprechung des Europäischen Organs sowie des Bundesarbeitsgerichts sind daher von erheblicher Bedeutung für die Interpretation des § 613a.
a) Schutzzweck von § 613a
255
Die Regelung der Norm verfolgt im Einzelnen drei verschiedene Zwecke (so BAG NZA 1991, 63), nämlich den Schutz des bestehenden Arbeitsverhältnisses, die Sicherung der Kontinuität des Betriebsrats und den Eintritt des Erwerbers in die arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten des Veräußerers.
b) Übergang eines Betriebs oder eines Betriebsteils
256
Gem. § 613a Abs. 1 tritt der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Die Norm dient dem Schutz des Arbeitnehmers und kann nicht im Wege einer Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber abbedungen werden. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes ist der Begriff des Betriebs, der nicht legal definiert ist, weit auszulegen als eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Inhaber mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke unmittelbar fortgesetzt verfolgt (betriebliche Organisation und Leitungsmacht). Ein Betriebsteil ist eine organisatorische Einheit eines Betriebs, mit der bestimmte arbeitstechnische Zwecke selbstständig verfolgt werden (z.B. Vertrieb und Kundendienst einer Produktionsfirma).
257
Der Betriebsübergang setzt nicht die Übertragung aller Wirtschaftsgüter voraus. In Anlehnung an die Definition des Betriebs ist ein Übergang zu bejahen, wenn wesentliche Betriebsmittel übergehen, mittels derer der Erwerber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann (BAG NZA 2011, 197). Die Prüfung, ob ein Betrieb übergeht, erfolgt im Wege der Gesamtbetrachtung. Hier ist zwischen Produktionsbetrieben und (Dienstleistungs-) Betrieben, die sich im Wesentlichen durch die menschliche Arbeitskraft definieren, zu differenzieren. Im Rahmen der Übertragung von Produktionsbetrieben ist die Übernahme materieller Betriebsmittel relevant, bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben hingegen die Übernahme immaterieller Betriebsmittel wie Kundendaten, Geschäftsbeziehungen, fachliches „Know How“ (BAG DB 2014, 848).
Bei Betrieben, deren wirtschaftlicher Erfolg hauptsächlich in der menschlichen Arbeitskraft begründet ist, kann bereits die Übernahme von Personal aus wesentlichen Schlüsselpositionen eine wirtschaftliche Einheit darstellen und damit die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllen (BAG BB 2014, 61).
258
Eine bloße Funktionsnachfolge, also die Übernahme bestimmter Aufgaben z.B. als Subunternehmer oder im Wege der Substitution durch ein neues Unternehmen, erfüllt nach der heute h.M. nicht den Tatbestand des § 613a BGB. Anders aber, wenn zusätzlich zur Überleitung eines Auftrags die Betriebsmittel des bisherigen Inhabers übernommen werden. Ob dabei die Betriebsmittel eigenwirtschaftlich genutzt werden und die Arbeitnehmer übernommen werden, ist für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht relevant.[154] Nach der aktuellen Judikatur von BAG und EuGH ist die Beibehaltung der wirtschaftlichen Identität des Betriebes zwingende Bedingung eines Betriebsübergangs. Ein Betriebsteilübergang liegt dabei jedoch nur vor, wenn die übergegangenen Betriebsmittel bzw. Arbeitnehmer auch innerhalb des Veräußererbetriebs eine abgrenzbare organisatorische Einheit dargestellt hatten. Zu der Annahme eines Betriebsteilübergangs genügt es dann, wenn der Erwerber die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren bestehen lässt und so einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen kann.[155]
c) Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang
259
§ 613a gilt nur für einen Betriebsübergang, bei dem der Erwerber den Betrieb aufgrund eines Rechtsgeschäfts übernimmt. Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist nicht Bedingung; es gelten die Grundsätze des fehlerhaften Vertrags. § 613a ist ein Auffangtatbestand und erfasst alle Fälle der rechtsgeschäftlichen Betriebsnachfolge. Das gilt auch für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge wie z.B. Umwandlungsvorgänge, etwa die Verschmelzung; ebenso die Anwachsung bei Personengesellschaften gem. § 738 Abs. 1; diese haben zwar gesetzliche Rechtsfolgen, beruhen aber auf rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen (Verschmelzungsvertrag; Austrittsvereinbarung).[156] Das Rechtsgeschäft muss nicht zwingend zwischen dem Betriebsinhaber und dem Erwerber geschlossen werden. Ferner muss der Erwerber auch nicht Eigentümer des Betriebes werden. Betriebliche Organisation und Leitungsmacht gehen auch im Falle der Verpachtung des Betriebes über.
Eine Anwendung des § 613a auf einen gesetzlichen Betriebsübergang ist ausgeschlossen.
Kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a ist der Wechsel von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft. Die gem. § 124 Abs. 1 HGB teilrechtsfähige Gesellschaft bleibt als Arbeitgeber bestehen. Ebenso verhält es sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Außengesellschaft, die einer Personengesellschaft entsprechende Teilrechtsfähigkeit besitzt.
d) Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers, Unterrichtungspflicht
260
Der Eintritt des Erwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse setzt nicht die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers voraus. Nach § 613a Abs. 6 hat der Arbeitnehmer aber das Recht, innerhalb eines Monats nach Unterrichtung über den Betriebsübergang СКАЧАТЬ