Название: Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen
Автор: Christoph Hillebrand
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811488540
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c) Kündigungsgründe nach KSchG
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Dabei ist eine Kündigung dann betriebsbedingt, wenn der konkrete Arbeitsplatz in Folge einer nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers wegfällt und dem damit einhergehenden geringeren Personalbedarf durch Kündigung einer entsprechenden Anzahl von Arbeitsverhältnissen nach den Kriterien der Sozialauswahl unter mehreren vergleichbar qualifizierten Arbeitnehmern (Bildung einer Vergleichsgruppe aus fachlich und rechtlich austauschbar verwendbaren Arbeitnehmern nötig) entsprochen wird. Die Auswahl der zu Kündigenden muss innerhalb der Vergleichsgruppe nach Kriterien aus den jeweiligen Arbeitsverhältnissen selbst (Beschäftigungsdauer, Erfahrung etc.), aber auch nach sozialen Belangen (Unterhaltspflichten, finanziellen Verbindlichkeiten im privaten Bereich etc.) erfolgen und ist mittels eines angemessenen Punkteschema nachprüfbar darzustellen. Nach § 613a Abs. 4 berechtigt ein Betriebsübergang auf einen Erwerber nicht zur betriebsbedingten Kündigung (wohl aber z.B. ein sog. Erwerberkonzept zur Umstrukturierung, das dann seinerseits die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung erfüllen muss).
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Die personenbedingte Kündigung beruht auf Umständen in der Person des Arbeitnehmers, die seine Möglichkeiten begrenzen, die geschuldete Arbeitsleistung nach Art und Menge in einem Umfang zu erbringen, der nach objektiven Kriterien durchschnittlich zu erwarten wäre (Kurzformel: „Arbeitnehmer kann nicht, wollte aber, wenn er könnte“). Dieser Kündigungsgrund setzt neben einem entsprechenden objektivierbaren Vergleichswert für die durchschnittliche Arbeitseffizienz an einem Arbeitsplatz (z.B. Soll-Vorgabe von Taktzeiten) und der Dokumentation der Ist-Leistung auch voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor erfolglos in angemessenem Umfang Möglichkeiten zur Leistungssteigerung etwa durch Weiterqualifizierung eröffnet wurden.[150] Hierher rechnen auch krankheitsbedingte Kündigungen, die zulässig sind, wenn eine negative Gesundheitsprognose besteht, die mit erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen rechnen lässt und daraus eine dem Arbeitgeber unzumutbare Belastung zu erwarten ist.
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Die verhaltensbedingte Kündigung (Kurzformel: „Arbeitnehmer will nicht, könnte aber, wenn er wollte“) beruht schließlich darauf, dass der Arbeitnehmer infolge seines von ihm willentlich steuerbaren Verhaltens den berechtigt an ihn gestellten Erwartungen nicht entspricht (etwa unentschuldigte Fehlzeiten, fehlende Leistungsbereitschaft bei ausreichender Leistungsfähigkeit,[151] strafbare Verhaltensweisen etc.). Soweit das inkriminierte Verhalten nicht den Vertrauensbereich betrifft und ein weiteres Festhalten für den Arbeitgeber unzumutbar macht (so aber z.B. Diebstahl im Cent-Bereich; bei langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit aber jedenfalls ein Diebstahl über drei €)[152], setzt die verhaltensbedingte Kündigung eine vorherige Abmahnung voraus, die dem Arbeitnehmer die Notwendigkeit vor Augen führt, das Verhaltensdefizit abzustellen, und ihm Gelegenheit zur künftig ordnungsgemäßen Leistungserbringung gibt. Erst im Wiederholungsfall und bei entsprechender Schwere des Verhaltensverstoßes ist dann die verhaltensbedingte Kündigung zulässig und wirksam. Die Berechtigung der Abmahnung für die erste Tat ist in diesem Zusammenhang inzident zu prüfen und festzustellen, so dass isolierter Rechtsschutz gegen eine Abmahnung zwar möglich, aber regelmäßig nicht notwendig ist.
d) Allgemeine Ausschlussfrist bei Kündigungen
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Zudem enthält das KSchG in §§ 4–7 eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen durch Arbeitnehmer für die Kündigung aller Arbeitsverhältnisse (unabhängig vom persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des KSchG, vgl. § 23 Abs. 1 S. 2, 3 KSchG).[153]
Alle Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung sind von der Klagefrist als Ausschlussfrist von drei Wochen ab Erhalt der schriftlichen Kündigung umfasst, während der der Arbeitnehmer durch Klage zum Arbeitsgericht (§ 4 S. 1 KSchG) die Feststellung des ungekündigten Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses verlangen muss, widrigenfalls eine Unwirksamkeit der Kündigung darauf gestützt werden kann (Ausnahme: §§ 125 bzw. 111 und 131 sowie §§ 17, 25 KSchG); so etwa eine fehlende Betriebsratsanhörung zur Kündigung (vgl. § 102 BetrVG), das Kündigungsverbot während der Schwangerschaft (vgl. § 9 MuSchG) und der Elternzeit (vgl. § 18 BEEG) oder gegenüber Schwerbehinderten (vgl. §§ 85, 91 SGB IX). Die Einwendung der fehlenden sozialen Rechtfertigung einer Kündigung ist ebenfalls an die Klagefrist geknüpft.
e) Außerordentliche Kündigung
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Stets möglich ist die außerordentliche Kündigung als Mittel zur vorzeitigen Beendigung eines Dienstverhältnisses von jeder Seite (vgl. § 626). Sie tritt an die Stelle des Rücktritts vom gegenseitigen Vertrag bei Leistungsstörungen außerhalb von Dauerschuldverhältnissen, geht aber über diesen hinaus. Sie ist nicht nur bei Vertragsverletzungen gegeben, sondern an das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ gebunden, welcher dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht, sei es auch nur bis zum Auslauf der normalen Kündigungsfrist. Die außerordentliche Kündigung nach § 626 ist ohne eine Einhaltung einer Frist möglich; zur Fälligkeit einer Teilvergütung bis zum Beendigungszeitpunkt und von Schadensersatz für entgangene Vergütungsansprüche vgl. § 628.
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Anerkannte wichtige Gründe sind insb. schwerwiegende Störungen im Leistungsverhältnis, etwa bewusste Leistungsverweigerung (auch „Androhung“ künftiger Erkrankungen, eigenmächtiger Urlaubsantritt), aber auch Störungen von Nebenpflichten wie der Störungen des Betriebsfriedens (vgl. § 104 BetrVG), Tätlichkeiten oder bedeutende Beleidigungen auch zwischen Betriebsangehörigen, Annahme von Schmiergeld, Vermögensstraftaten auch bei ganz geringfügigem Wert etc.; zulässig ist in engen Grenzen auch eine sog. Druckkündigung auf Druck der Belegschaft oder der Kundschaft.
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Jede außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom zugrundeliegenden Sachverhalt erfolgen; der Kündigungsgrund muss (erst) auf Verlangen des Gekündigten mitgeteilt werden (vgl. § 626 Abs. 2).
Die Geltendmachung eines fehlenden wichtigen Grundes oder des verspäteten Ausspruchs der Kündigung muss arbeitnehmerseits stets innerhalb der Klagefrist des KSchG erfolgen, §§ 7, 13 KSchG.
6. Prüfungsschema zur Kündigungsschutzklage
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I. |
Zulässigkeit
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