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Bei Briefgrundpfandrechten kann der Gläubiger im Grundbuch eingetragen – der erste Gläubiger oder derjenige Zessionar, der die Abtretung gem. § 1154 Abs. 2 im Grundbuch eintragen ließ – oder durch schriftliche Abtretungserklärung gem. § 1154 Abs. 1 ausgewiesen sein. Ist der Gläubiger im Grundbuch eingetragen und besitzt er den Brief, spricht zwar auch für ihn die Vermutung aus § 891. Dem Anspruch des Gläubigers auf Duldung der Verwertung kann der Eigentümer jedoch gem. § 1160 Abs. 1 eine besondere dilatorische Einrede entgegensetzen[1] (Rn. 284). Er kann nämlich der Geltendmachung des Briefgrundpfandrechts widersprechen, wenn der Gläubiger den Brief nicht vorlegt. Ist der Gläubiger nicht im Grundbuch eingetragen, kann der Eigentümer die Duldung der Verwertung verweigern und braucht nicht zu zahlen, wenn der Gläubiger außer dem Brief nicht auch die ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen nach Maßgabe von § 1155 vorlegt (vorst. Rn. 309). Der Grund für diese Regelung liegt auf der Hand. Leistet der Grundeigentümer ohne diese Urkunden, kann er nicht sicher sein, ob er an den wahren oder doch formell legitimierten (vorst. Rn. 305) Gläubiger leistet und müsste möglicherweise nochmals an den Richtigen leisten. Kann der nicht im Grundbuch eingetragene Gläubiger der Vorlegungslast nicht genügen (die Abtretungen sind – wirksam – nur privatschriftlich erklärt), muss er das Grundbuch berichtigen oder die Abtretungserklärungen nachträglich beglaubigen lassen (s. auch vorst. Rn. 314).
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Die Rechtsstellung des Eigentümers wird gem. § 1160 Abs. 2 noch verstärkt, wenn zur Fälligkeit des Verwertungsanspruchs die Kündigung erforderlich ist oder wenn der Eigentümer durch Mahnung in Verzug gesetzt werden soll. Kündigung und Mahnung entfalten nur Rechtswirkungen, wenn sie vom Gläubiger ausgesprochen werden. Damit der Eigentümer dessen sicher sein kann, muss sich der Gläubiger durch Grundbucheintragung oder Zessionskette legitimieren. Tut der Gläubiger das nicht und weist der Eigentümer Kündigung oder Mahnung unverzüglich (§ 121 BGB) zurück, sind diese unwirksam. Die Klage auf Duldung der Verwertung (§ 1147, Rn. 452) ist als Folge dessen unbegründet. Weist der Eigentümer verzüglich zurück, bleibt es ihm unbenommen, die Einrede gem. § 1160 Abs. 1 zu erheben[2]. Für rückständige Nebenleistungen gilt all das nicht (§ 1160 Abs. 3), weil insoweit weder Grundbuch noch Briefbesitz legitimieren, vielmehr solche Ansprüche gem. § 1159 nach den allgemeinen Vorschriften über die Abtretung (§§ 398 ff.) übertragen werden. Der Eigentümer kann aber gem. § 410 Aushändigung der Abtretungsurkunde verlangen. Da die Ausübung des Widerspruchsrechts gem. § 1160 Abs. 1 und des Zurückweisungsrechts gem. Abs. 2 im Belieben des Eigentümers stehen, kann er darauf verzichten[3] wie er überhaupt auf Einreden und Gestaltungsrechte verzichten kann (vgl. Rn. 291). Gegen die missbräuchliche Verwendung eines abhanden gekommenen Briefs schützt die Möglichkeit des Aufgebotsverfahrens gem. §§ 1162 BGB, 1003 bis 1018 ZPO.
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cc) Bei der Hypothek kann der Gläubiger einerseits verlangen, dass der Eigentümer die Verwertung des Grundstücks duldet. Statt dessen kann er den Eigentümer, der zugleich Schuldner ist, andererseits aber auch aus der Forderung in Anspruch nehmen. Leistet der Eigentümer auf die Forderung, könnte der Gläubiger mit dem Brief den gutgläubigen Erwerb eines Dritten herbeiführen (vorst. Rn. 316 ff.: „forderungslose Hypothek“), und der Eigentümer müsste an den Dritten nochmals leisten. Um den Eigentümer-Schuldner dagegen zu schützen, gewährt ihm § 1161 das Widerspruchs- und Zurückweisungsrecht aus § 1160 auch dann, wenn der Gläubiger nur die Forderung und nicht die Hypothek geltend macht. Da sich die Fremdhypothek bei Leistung auf die Forderung in eine Eigentümergrundschuld verwandelt, das Grundbuch folglich unrichtig wird und gem. § 894 Berichtigung verlangt werden kann, hat der Eigentümer gem. § 1144 außerdem Anspruch auf Aushändigung des Briefs oder sonstiger Urkunden, die zur Berichtigung des Grundbuchs oder des Briefs erforderlich sind. Gegenüber diesen Ansprüchen kann der Gläubiger nicht seinerseits ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen[4]. Sofern bei einer Interzession der persönliche Schuldner die Hypothek gem. § 1164 erwirbt (nachf. Rn. 375), hat er seinerseits die Aushändigungsansprüche nach § 1144, wie § 1167 bestimmt.
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dd) Der Eigentümer muss also an denjenigen Gläubiger aus dem Grundstück leisten, der sich gem. § 1160 legitimiert, und wenn er leisten muss, so befreit er sich damit von seiner Schuld. Im Falle der Hypothek stellt sich die weitere Frage, ob sich der Eigentümer, sofern er zugleich der Schuldner ist, darüber hinaus nach allgemeinen Vorschriften, insbesondere nach § 407 Abs. 1 bei Leistung an den bisherigen Gläubiger befreien kann. Nach dieser Vorschrift muss der Zessionar eine Leistung an den Zedenten gegen sich gelten lassen, wenn der Schuldner die Abtretung nicht kannte (unten Rn. 1534), so dass die Forderung einredebehaftet ist (unten Rn. 1537). Wegen der Akzessorietät von Forderung und Hypothek müsste der Zessionar gem. § 1169 auf die Hypothek verzichten, die sich in eine Eigentümergrundschuld verwandeln würde (nachf. Rn. 368). Der Gläubiger würde seine Hypothek trotz des für ihn sprechenden Grundbuch- und Briefausweises verlieren; Schuldnerschutz nach Abtretungsrecht und Gutglaubensschutz nach Grundbuchrecht folgen nicht zu vereinbarenden Grundsätzen. Daraus zieht § 1156 BGB die Konsequenz: Gegen die Geltendmachung der Hypothek sind §§ 406 bis 408 unanwendbar. Der Gläubiger behält also sein Grundpfandrecht, selbst wenn die Forderung gem. § 407 Abs. 1 erloschen ist – der Ausschluss von §§ 406 bis 408 bezieht sich nämlich nicht auf die Forderung, sondern gilt nur „in Ansehung der Hypothek“. In diesem Rahmen können Forderung und Hypothek verschiedene rechtliche Wege gehen. Es kann eine forderungslose Hypothek entstehen (vorst. Rn. 317 ff.), die ihren Grund ebenfalls im Gutglaubensschutz hat, hier im abtretungsrechtlichen Gutglaubensschutz aufgrund von § 407.
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Tritt also ein Gläubiger die gesicherte Forderung an einen Zessionar ab, sodass gem. § 401 auch die Hypothek auf den Zessionar übergeht und leistet der Eigentümer an den früheren Gläubiger, den Zedenten, ohne gem. § 1144 Urkundenaushändigung zu verlangen (vorst. Rn. 234) und gem. § 1161 zu widersprechen (vorst. Rn. 353), kann dem Eigentümer diese Unvorsichtigkeit zum Verhängnis werden: Der Zessionar muss unter den Voraussetzungen von § 407 Abs. 1 zwar die Leistung auf die Forderung gegen sich gelten lassen, kann aber trotzdem Verwertung des Grundstücks verlangen. Gleiches dürfte gelten, wenn im kaufmännischen Verkehr ein Abtretungsverbot (§ 399 BGB) vereinbart worden war (vgl. vorst. Rn. 280), der kaufmännische Schuldner aber gem. § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB (unten Rn. 1519) an den Zedenten leistet[5]. Dem Eigentümer bleibt nur, seine Leistung an den Zedenten bei diesem zu kondizieren. Aufgrund von § 1144 hat es der Eigentümer also in der Hand, die Gefahr der Doppelleistung zu vermeiden. Der Zessionar würde daher mit einer Klage gegen den Eigentümer auf Duldung der Zwangsvollstreckung obsiegen, СКАЧАТЬ