Название: Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823303329
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3.3 In Lehrwerken der aufgabenorientierten Phase
Van den Branden definiert das Konzept Aufgabe folgendermaßen: «A task is an activity in which a person engages in order to attain an objective, and which necessitates the use or language» (ebd., 2006, S. 4). Kurz und knapp stellt er heraus, dass sich Aufgabenorientierung durch das Vorhandensein einer Problemsituation und die Bereitschaft, diese mit sprachlichen Mitteln lösen zu wollen, auszeichnet. In aller Regel wird im institutionalisierten Unterricht ein Task-Supported-Language-Learning praktiziert, bei dem den Aufgaben die Rolle eines «pädagogische[n], lehrbuchbasierte[n] Werkzeug[s]» (Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 32018, S. 203) zukommt, welches vom Lehrwerk vorstrukturiert wird. Für die Praxis hilfreich hat sich ein Zyklus aus drei Phasen erwiesen, in der die Aufgabe vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet wird (vgl. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 2018, S. 205; Mertens, 2017, S. 10). In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis der Aufgabenforschung wichtig, dass die Beschäftigung mit Sprache an verschiedenen Stellen zur Unterstützung des Erwerbprozesses notwendig ist. Bestandteil der Aufgabenorientierung ist ein «focus on form in which learners‘ attention is drawn to linguistic features if and when demanded by the communicative activities and the negotiation of meaning learners are engaged in» (Kumuravadivelu, 2006, S. 129).
Versteht man unter Aufgabe «ein mehr oder weniger umfangreiches Lernarrangement […], das die Lernenden mit realitätsnahen, alltagsbezogenen Handlungssituationen konfrontiert, innerhalb derer Themen bearbeitet, Problemsituationen bewältigt und Ergebnisse erzielt werden sollen» (Mertens, 2017, S. 9), dann ist Fremdsprachenlernen nicht mehr eine zeitliche Abfolge von Lernen und nachgelagerter Anwendung des Gelernten, sondern ein paralleles Geschehen, bei dem die Anwendung mit dem Lernen zusammenfällt und der für die Bearbeitung der Aufgabe notwendige Bedarf an Sprachmaterial, sich aus der Aktivität heraus entwickelt. Das bedeutet für das Mittel der Grammatik,
dass sich im Idealfall die Auswahl der Grammatikstruktur aus dem Nutzen der Struktur für die sich aus der Problemsituation ergebende Kommunikation ableitet;
dass Grammatik als funktional-semantische und dann erst als formale Einheit gesehen wird;
dass das Lernangebot im Lehrwerk eine von mehreren Möglichkeiten darstellt, um zum Ziel – d. h. zum erfolgreichen Bearbeiten der Aufgabe – zu gelangen.
Mit den ab 2010 erscheinenden Lehrwerken A plus (beginnend mit Blume et al., 2012) und Découvertes (beginnend mit Bruckmayer et al., 2012) wird erstmalig der Begriff ‹Aufgabe› (bzw. tâche) in für den deutschen Markt bestimmten Französischlehrwerken erwähnt. In Découvertes (Bruckmayer et al., 2012, 2013) zeigt sich dieses Bekenntnis zur Neuorientierung in der Verwendung des fachdidaktischen Begriffs im Inhaltsverzeichnis und in abschließenden Teileinheiten mit Anwendungsaufgaben («Pratique: tâches – Anwendungsaufgaben»). Es stellt sich die Frage, wie in dieser Generation am Übergang zur Aufgabenorientierung (wie auch in der sich abzeichnenden 2020er Generation) mit dem Widerspruch umgegangen wird, der im Konzept Aufgabe und dem Medium Lehrwerk liegt. Ersteres steht pauschal gesagt für Individualität, Freiheit, Eigenständigkeit und den Fokus auf Problem lösendes, sprachliches Agieren; Zweiteres ebenso pauschal für Konformität und Konfektionierung, Engführung, Lenkung und den Fokus auf Sprachmaterial. Die Antwort auf diese Frage kann relativ kurz ausfallen: Découvertes 1 und 2 (Bruckmayer et al., 2012, 2013) verfolgen, trotz der oberflächig zur Schau getragenen konzeptionellen Wende, weiterhin einen mehr oder weniger überzeugenden kommunikativen Ansatz, der sich hinsichtlich der Grammatik folgendermaßen präsentiert:
(Teilweise) Funktionalisierung von Grammatik
In der tabellarischen Darstellung im Inhaltsverzeichnis wird lektionsweise aufgeführt, welche Redeabsichten in den Lektionen erworben werden. Interessant ist hier die Zuweisung der Redeabsichten zu Teilkompetenzen: Parler, Ecouter, Ecrire, Lire, wobei sich diese Zuordnungen nicht eindeutig erschließen und vermutlich mehr den Erfordernissen des Lehrbuchcurriculums, denn einer Sachlogik geschuldet sind. Redemittel sind Bestandteil der Lektionstexte, sie finden sich in «On dit»-Kästen (Bruckmayer et al., 2013, S. 47/8) und sind teilweise Gegenstand von Grammatikübungen (Bruckmayer et al., 2012, S. 52/9). Ab Band 2 wird erkennbar, dass nicht mehr wie im Eingangsband isolierte und enge Redeabsichten im Fokus stehen, sondern umfassendere, die Einzelstruktur übersteigende, mehr oder weniger komplexe, kommunikative Szenarien.
Dialogische Einbettung der Übungen
Weiterhin scheint diesen Anfangsbänden eine grammatikalische Progression unterlegt zu sein. So findet man an diversen Stellen, wenn auch in abgewandelter, layouttechnischer Aufbereitung, bereits aus den Vorgängerversionen bekannte Übungen.
Ausklammerung des Kontextes
Der Schwerpunkt auf formalgrammatische Aspekte der Strukturen wird in Übungen wie den gezeigten klar durch die Rubrik «En forme» herausgestellt. In der Regel handelt es sich hierbei um mündliche Lernangebote. Es stellt m. E. einen Konzeptionsfehler dar, hier phonologische Strukturen der Sprache, wie Betonung/Akzent oder Lautstärke, als notwendige Bestandteile einer kontextualisierten Grammatik auszuklammern, denn dadurch werden sinnentleerte Verwendungen antrainiert und die Gelegenheit zu zielführendem, kommunikativem (Probe-)Handeln verpasst.
Überschriften oder Illustrationen dienen in den Übungen vielfach allein zur Verschönerung der Seite, bisweilen als Impulsgeber für das Sagen/Schreiben von Äußerungen, nicht aber zur Klärung des Kontextes und der Gesprächsintention, was die Wahl der Grammatikstrukturen zur Versprachlichung sinnhafter Inhalte rechtfertigen und zu ihrer Begründung beitragen würde. Découvertes 1 und 2 erweisen sich hinsichtlich der Grammatikübungen nur vordergründig als aufgabenorientiert. Selbst vor der Folie eines (eher konventionellen) kommunikativen Fremdsprachenunterrichts vermögen viele Übungsbeispiele in diesen Bänden nicht zu überzeugen. Grammatiklernen präsentiert sich – so der Eindruck – weiterhin nach dem Zimmermann’schen Phasenmodell (1969), bei dem die Anwendung erst ganz am Ende ihren Platz findet. Ist dieses Lehrwerk am Wendepunkt zur Aufgabenorientierung im Hinblick auf Grammatik kaum mehr als eine Neubearbeitung und teilweise ein Rückschritt gegenüber früheren Generationen, und schon gar nicht aus der Philosophie eines aufgabenorientierten Unterrichtens gedacht, so sei abschließend noch ein kurzer Blick in die 2020er Generation geworfen, die mit einem ersten Band vorliegt.
Die Grundmuster sind in diesem ersten Schülerband von Découvertes (Bernklau et al., 2020) gleich geblieben. Grammatik wird auch hier am Ende der Lektion verdichtet zusammengestellt, im Übungsapparat widmen sich einzelne Übungen («Grammaire») explizit den Grammatikphänomen, im Inhaltsverzeichnis steht sie neben der Lexik und der Aussprache erst in der 3. Spalte und scheint den Kompetenzen dienend nachgeordnet zu sein.
Das Bekenntnis zur Aufgabenorientierung wird in dieser Neubearbeitung (vgl. ebd., S 14, 29, 48, 63, 84, 100, 117) offensiver vorgetragen, findet sich doch nun auch in Découvertes eine Aufschlagseite mit Angabe der Aufgaben und der behandelten СКАЧАТЬ