Название: Die wilden Zeiten der Théra P.
Автор: Hans-Peter Vogt
Издательство: Автор
Жанр: Современная зарубежная литература
isbn: 9783942652513
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Plötzlich schien die politische Situation des Landes sicher und stabil. Zumindest vordergründig.
Der Ministerpräsident konnte seiner Tochter Sofia endlich das Versprechen abgeben, die Indios in diesem Land Stück für Stück mit den gleichen Rechten auszustatten, die auch die Weißen haben. Nicht sofort, denn das würde unmöglich sein, dies den Generälen gegenüber durchzusetzen, aber Stück für Stück, und das würde noch einiges an taktischem Vorgehen erfordern, um die mächtige Kaste der Generäle nicht doch noch gegen sich aufzubringen.
Vielleicht war es sogar ein Glück, dass dieses Beben und der Vulkan den Südosten des Landes so schwer in Mitleidenschaft gezogen hatten. Erst das Beben hatte diese gewaltige Solidargemeinschaft ermöglicht, die während des Sommers auf Initiative von Théras kleinem Bruder Pesa entstanden war. Erst die Folgen des Bebens hatte diese ultrakonservative Bewegung zu einer Einheit geformt und sie zusammengeschmiedet. Aber es waren letztlich mehrere glückliche Umstände, die den Putsch der Ultrakonservativen verhindert hatten.
5.
Es war Théra gewesen, die ihrem Onkel all die Namen der Personen gegeben hatte. Es war Théra gewesen, die dem Onkel sagen konnte, an welche Generäle er sich wenden durfte, ohne die Gefahr, hintergangen zu werden. Ohne Théras Hilfe wäre die Aktion nicht denkbar gewesen.
Diese völlig überraschende militärische Operation war es allerdings auch, die Papa und Théras großem Bruder Para große Sorgen bereitete. Sie waren zwar grob informiert worden, dass etwas passieren wird, und sie hatten sich schon selbst vorbereitet, auf ihre Weise einzugreifen, aber sie hatten gehofft, dass der Ministerpräsident das Richtige unternimmt. Sie waren aber wirklich nur sehr grob informiert worden. Irgendetwas ging da hinter ihrem Rücken vor, und diese plötzliche Gewalt und diese Ungewissheit waren äußerst bedrohlich. Man muss wissen, woher der Wind weht, um sich wirksam schützen zu können.
Jetzt zeigte sich, dass die übergrosse Vorsicht des Ministerpräsidenten auch Gefahren in sich barg.
Als Dennis und seine Freunde die ersten Gerüchte hörten und die Panzerfahrzeuge in Théluan sahen, da waren sie sofort in Alarmstimmung und beriefen den Familienrat ein. Es wurden Wachen ausgeschickt, um alle Truppenbewegungen zu melden und die Indios notfalls in die Berge zu schicken.
Der Ministerpräsident war selbst für Dennis nicht zu erreichen. Die politische Säuberungsaktion konnte auch für die Familie in ihrem Tal gefährlich werden.
Papa hatte in den letzten Jahren zwar viele Dinge zusammen mit dem Ministerpräsidenten in Bewegung gesetzt, aber diese Gewalt war beängstigend. Was war, wenn der Onkel solche Geheimgarden auch gegen ihre Familie sandte, owohl sie durch die Heirat von Sofia und Para miteinander verwandt waren? Was war, wenn irgendein Oberst nicht linientreu war und seine Leute gegen Théras Familie in Stellung brachte? Was war schließlich, wenn die Situation kippte und der Onkel plötzlich selbst Opfer einer Intrige wurde, und andere sich solcher Mittel bedienten, um die Chance auf einen Zweiten reaktionären Putsch zu nutzen? Von Mama wussten sie, dass so etwas in Südamerika jederzeit möglich war. In jeder Krisensituation kriechen die Ratten sinnbildlich aus ihren Löchern, um sich zu bereichern.
Noch während die Aktion lief, beschloss Dennis, in Zukunft Informanten und Vertrauensleute in wichtige Positionen in der Hauptstadt zu schleusen, um rechtzeitig gewarnt zu werden. Die Zukunft ihrer ganzen Stadt würde davon abhängen, aber das würde dauern. Man brauchte jetzt Informationen. Jetzt musste man handeln, und Théra erklärte sich sofort bereit dazu. Sie verfügte über einen seltenen Instinkt.
Théra setzte sich dafür ein, dass der Onkel (mit aller Vorsicht) mehr Vertrauen verdiente. Der Onkel war es, der in diesem Land vieles ermöglicht hatte, was „ihre Familie“ in den letzten Monaten und Jahren geleistet hatte. Nach dem großen Beben und dem gewaltigen Vulkanausbruch hatte er dafür gesorgt, dass das Militär uneigennützig half. Er hatte dafür gesorgt, dass all die Studenten und Krankenschwestern kamen, um den Erdbebenopfern zu helfen. Er hatte dafür gesorgt, dass die Verwaltungen unbürokratisch halfen, und er hatte mitgeholfen, dass die in solchen Situationen unvermeidliche Korruption weit hinter dem zurückblieb, was man hätte erwarten dürfen.
Anderswo hätte das Militär die Überlebenden vielleicht ausgeplündert, und es hätte sich an den Hilfslieferungen bereichert. Es hätte Zigarette rauchend zugesehen, wie die Menschen auf offener Strasse krepiert wären.
Ohne die Hilfe des Militärs hätte es nach diesem Beben viel mehr Elend und Not gegeben. Es wären Seuchen ausgebrochen. Menschen hätten verhungern müssen. Théra rechnete es dem Onkel hoch an, dass er sich in dieser schwierigen Situation auf die Seite der Opfer gestellt hatte.
Théra glaubte nicht daran, dass der Onkel seine Garden unerwartet gegen Théras Familie schicken würde. Sie schüttelte den Kopf.
Sie sah die Besorgnis im Blick von Papa, Mama und Para. Sie verstand, was sie bedrückte, und sie beschloß, sich noch einmal einzumischen. Pubertät hin, Pubertät her. Es ging ums Überleben. Sie setzte sich sofort mit ihrer Tante in Verbindung, mit der Frau des Ministerpräsidenten. Während Dennis, Para und Alanque bereits Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, vergingen die ersten Tage nach Weihnachten jedoch ruhig und scheinbar ohne konkrete Gefahr.
Als Théra sich zwei Tage nach diesen Vorfällen mit ihrer Tante traf, da hatte ihr diese starke Frau mit viel Geduld zugehört. Dann hatte sie Théra erklärt, dass sie mit aller Vorsicht Vertrauen in den Ministerpräsidenten haben könne. Théra hatte die Hände der Tante gehalten. Sie war in ihren Kopf gekrochen und sie hatte gesehen, dass die Tante die Wahrheit sagte. Vielleicht würde einmal eine Situation eintreten, die alles veränderte, aber im Moment schienen ihre Familie und ihr Tal sicher zu sein. Die Tante war auf ihrer Seite, und dass die Tante nicht wusste, was da geschah, das war nicht anzunehmen. Sie hatte immer das Vertrauen ihres Mannes genossen.
Théra war beruhigt und sie teilte Papa und ihrem großen Bruder Para später mit, was sie gesehen hatte. Sie würden dennoch vorsichtig sein. Vielleicht war der Auftrag für ein Attentat auf ihre Familie ja nicht mehr zu verhindern gewesen.
An diesem zweiten Weihnachtsfeiertag geschahen für Théra zwei wichtige Dinge.
„Ich soll dir von meinem Mann ausrichten, dass er dir zu großem Dank verpflichtet ist“, sagte die Tante. „Durch deine Hilfe hast du einen offenen Bürgerkrieg verhindert. Es lässt sich nicht genau sagen, was passiert wäre, wenn wir deine Namensliste nicht gehabt hätten. Aber so viel ist sicher: wenn diese Leute massiv losgeschlagen hätten, dann hätte es Tausende von Toten gegeben. Mein Mann musste überraschend angreifen, um uns zu schützen. Er hat mir versichert, dass er diese Leute verschont. Er will ein Zeichen für Vertrauen setzen. In den letzten Jahren haben sich viele Indios auf die Seite meines Mannes gestellt. Wichtige Teile des Militärs halten ihm die Treue. Sie hätten sich den geplanten Putsch der ultrakonservativen Gegner nicht gefallen lassen. Das hätte in unserem Land Mord und Totschlag gegeben. Ich weiß von den Umsturzplänen an Ostern. Danach wären wir wohl alle nicht mehr am Leben, unsere gesamte Familie nicht, und auch viele unserer politischen Freunde.“
Sie sah Théra direkt an. „Ich spreche jetzt nicht nur von der Familie meines Mannes. Ich spreche auch von deiner leiblichen Familie, schließlich sind wir durch die Heirat von Sofia und Para miteinander verwandt. Für mich bedeutet das sehr viel. Vergiss das nicht.“
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