Die wilden Zeiten der Théra P.. Hans-Peter Vogt
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Название: Die wilden Zeiten der Théra P.

Автор: Hans-Peter Vogt

Издательство: Автор

Жанр: Современная зарубежная литература

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isbn: 9783942652513

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СКАЧАТЬ in der kleinen Stadt Théluan würde die Schule in Zukunft nicht mehr das sein, was sie einmal war. Diese Erfahrungen der Schüler waren Gold wert, und die Lehrer nahmen sich vor, die gemeinsamen Erfahrungen über den Winter in einem Buch zusammenzufassen, um das „Lernen im Projekt“ - wie sie das nannten, als Idee für andere Schulen anzuregen.

      Viele obdachlose Kinder aus Cusco wurden über den Winter von Familien in Théluan aufgenommen. Die Siedlung der Indios wuchs schlagartig um 800 Kinder und Jugendliche an. Jede Familie nahm mindestes ein Kind auf, damit es ein Dach über dem Kopf hatte. Eine wahre Herausforderung für Eltern, Lehrer und Schüler.

       2.

      All das hatte auch einige Unruhe im Land ausgelöst. Die Indios fanden plötzlich Gehör. Der Ministerpräsident setzte sich für sie ein. Man sprach über die soziale Lage. Die Fernsehsender verbreiteten immer wieder eine indianerfreundliche Stimmung, ja Bewunderung. Das war nicht normal.

      Die Weißen beherrschten in Peru das politische und wirtschaftliche Geschehen. Nicht alle spanischstämmigen Weißen waren mit dieser Entwicklung einverstanden. Es gab wichtige Männer und Frauen, für die Indios immer noch als „unwertes Leben“ galten, oder jedenfalls als Volk, das der herrschenden weißen Kaste an Intelligenz und Machtstreben weit unterlegen war. Indios konnte man benutzen. Sie leisteten Garten- und Hausarbeit, man konnte sie in die Bergwerke schicken und körperlich gefährliche Arbeiten verrichten lassen, und man konnte ihnen den Job jederzeit wieder wegnehmen. Die Indios machten das Geldverdienen einfacher, solange sie keine politische Stimme und keine Interessenvertretung hatten. Es hatte in der Vergangenheit sogar Zwangssterilisationen gegeben, um diese Bevölkerungsgruppe zu dezimieren.

      Man wollte Schürfrechte und Land, aber man wollte den Indios nichts für die Nutzung ihres Landes zahlen, für das es nicht einmal eingetragene Rechte gab, sondern nur einen historischen Anspruch, der nicht einmal in den Grundbüchern stand. Dann war jedoch diese historische Stadt entdeckt worden, und die Großgrundbesitzer hatten nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich daran privat zu bereichern, weil die Stiftung von Théras Eltern dort alles kontrollierte und für eine vertragliche und gerechte Verteilung der Funde zwischen den Staaten Peru, Bolivien und der beteiligten Stiftung aus Berlin sorgte.

      An solchen Katastrophen wie diesem Erdbeben konnte man viel Geld verdienen. Hilfgelder konnten unterschlagen werden. Man konnte überteuerte Serviceleistungen berechnen, man konnte minderwertige Baumaterialien verwenden und teuer verkaufen. An so einem Unglück konnte man mit etwas Geschick sehr reich werden. Leider machte ihnen der Ministerpräsident einen Strich durch die Rechnung. Das Militär hatte strikte Anweisungen. Fast alle Hilfsgelder liefen über diese Stiftung in Théluan und an diesen Direktor der Stiftung (Théras Vater Dennis) war nicht ranzukommen. Er galt als unbestechlich. Jedes einzelne Angebot und jede Rechnung wurde genau geprüft und die Arbeit und die Zusammensetzung der Baumaterialien wurde überwacht. Deutsche Gründlichkeit mochte ja etwas Positives sein, aber in dieser Konstellation fand man das als lästig.

      Der Ministerpräsident des Landes war der führende Kopf der konservativen Partei, aber der gegenwärtige Kurs des Ministerpräsidenten war ihnen zu indianerfreundlich. Er kollidierte mit den egoistischen Gewinninteressen einiger wichter Familien. Eine konservative Volkspartei zu sein, bedeutet ja nun nicht, dass man auch eine Politik für die Indios in diesem Land machen musste. Jedenfalls konnte man doch nicht von der weißen Elite verlangen, dass sie ihre ererbten Privilegien der ungezügelten Bereicherung einschränken oder gar aufgeben müssten. Der Ministerpräsident stellte jetzt offensichtlich einige ihrer innersten Werte auf den Kopf, auch wenn sie sachlich noch nie zu rechtfertigen gewesen waren.

      Einige dieser Familien hatten sich in Théluan sogar Grundbesitz gesichert. Sie hatten von dem Bauboom profitiert, manche als Makler oder als Finanzdienstleister, aber sie hatten in den letzten Jahren auch zusehen müssen, wie die Indios in dieser kleinen Stadt immer selbstbewusster wurden. Da musste man gegensteuern. Man wollte die Ausgrabung der „Heiligen Stadt“ in Théluan nicht unbedingt behindern. Sie lieferte ungeheuer viel Geld in die Staatskasse, aber die Familien wollten an diesem Ausgrabungsboom kräftig mitverdienen. Es gab da viele potenzielle Möglichkeiten, wie Leiharbeit, Unterschlagung oder auch Diebstahl. Nur blöd, dass diese Stiftung von Dennis ein Machtfaktor war, an dem man in Théluan nicht vorbeikam. Diese Stiftung musste aus der Sicht dieser Leute eine andere politische Richtung bekommen. Dieser Dennis und diese Leiterin der Ausgrabung, diese Indianerin Alanque mussten weg. Man hatte bereits mehrfach versucht, sie zu verunglimpfen, indem man ihnen Unsauberkeiten in der Abrechnung und illegale persönliche Bereicherung vorwarf, aber das hatte nichts geholfen. Aus dem Nachbarland Bolivien (einem Land, das von der Beteiligung an der Ausgrabung in Théluan genauso profitierte, wie Peru selbst) hatte es lautstarke Proteste gegeben. Der peruanische Präsident hatte sich durch die Vorwürfe aus dem eigenen Land sogar angegriffen gefühlt, und er hatte diese Unterstellungen schließlich unterbunden. Dem Landesrechnungsamt lagen Beweise vor, dass die Stiftung korrekt abrechnete.

      Dieser Präsident hatte sich in den Augen dieser Ultrakonservativen zu weit aus dem Fenster gelehnt. Er war nicht mehr tragbar. Auch er musste weg.

      Während der Wiederaufbau organisiert wurde, entstand eine wirklich gefährliche politische Bewegung. Sie war anfangs zahlenmäßig relativ klein, aber sie war mächtig, weil sie viel altes Geld vertrat. Es gab immer mehr Minister, hohe Beamte, Militärs, Polizisten, Richter, Journalisten und Fernsehleute, die jetzt den heimlichen Widerstand gegen diesen Ministerpräsidenten und gegen Dennis Stiftung organisierten. Popularität hin, Popularität her. Diese Art von Volkstümlichkeit wollten sie nicht mehr länger dulden.

      Alles war schlimmer geworden mit dieser unseligen Heirat zwischen Sofia (der Tochter des Ministerpräsidenten) und diesem Mischling, diesem Para, der als Sohn von Dennis galt. Das war ein falsches Signal gewesen. Mochte der noch so geschickte Hände mit der Zucht und mit der Heilung von Pferden haben. Man hätte das verhindern müssen.

      Ein Putsch dieser Ultrakonservativen hätte zu diesem Zeitpunkt diese ganze Solidargemeinschaft in Théras Tal in ernste Schwierigkeiten gebracht und nicht nur das. Die Drahtzieher scheuten nicht vor Mord und Totschlag zurück, wie das oft so ist, und sie warteten auf einen günstigen Zeitpunkt, um loszubrechen und die Macht im Land zu übernehmen. Ein einzelner Mord würde da nicht helfen, obwohl man solche Pläne bereits in der Schublade hatte. Dennis, Alanque und dieser Para standen bereits im Fadenkreuz. Killer waren bereits angeheuert. Man musste diese Sache nur noch gut organisiert durchziehen.

      Die Bewegung rekrutierte sich aus Mitgliedern der konservativen Volkspartei. Der Widerstand gedieh heimlich, und die Gruppe gewann immer mehr (weiße) Anhänger, die im Untergrund schwerbewaffnete Milizen bildeten, und versuchten, neue Anhänger beim Militär und in der Polizei zu rekrutieren.

      Sie hatten den Ministerpräsidenten lange gestützt. Er war ja durchaus kein Mann der Milde. Er hatte seine Karriere mit Weitsicht, mit Härte und Durchsetzungsgefühl geplant und organisiert. Dieser Präsident war ein gewifter Taktiker, und ein gefährlicher Mann mit vielen Verbindungen und viel Unterstützung bei den wichtigsten Militärkommandanten. Man musste vorsichtig sein.

      Die Bewegung wollte die Partei nicht spalten. Sie wollte die Macht in einem Staatsstreich übernehmen, und es schien notwendig zu sein, dies bald zu tun. Man würde versuchen, die Macht mit einem Schlag und mit brutaler Gewalt an sich zu reißen. Man musste nur noch einige führende Militärs und Polizeichefs überzeugen, dann würden sie ihren Überraschungsangriff starten, und dann würden sie alle die Gegner mit einem großen Rundumschlag niedermachen. Man würde jedoch damit warten, bis die ausländischen Pressevertreter das Land wieder verlassen hatten, die nach dem Beben in der Region Cusco zu Hunderten herumschwirrten wie die Schmeißfliegen, um ihre Bilder zu machen.

       3.

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