Deutsche Sprachgeschichte. Stefan Hartmann
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Название: Deutsche Sprachgeschichte

Автор: Stefan Hartmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783846348239

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      Tab. 5: Kognaten-Matrix für die vier Wörter in Tab. 4. Die Ziffern in der Zeile „Kognatenset“ geben die Zahlen wieder, mit denen in Tab. 4 die einzelnen Kognaten markiert sind.

      Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der jeweiligen Kognatensets wird als Grundlage für Modelle der diachronen Sprachentwicklung verwendet. Genauer gesagt, wird die lexikalische Ersetzung modelliert: Angenommen z.B., die in unserer Stichprobe häufigeren Kognatensets 1 und 2 sind älter als die selteneren Kognatensets 3 und 4, dann muss ja zu einem bestimmten Zeitpunkt das alte Wort aus Kognatenset 1 oder 2 durch ein neues Wort ersetzt worden sein. In unterschiedlichen Sprachen hat diese Ersetzung für unterschiedliche Kognatensets und für unterschiedlich viele Kognatensets stattgefunden. Mit Hilfe der binären Kodierung in 1 und 0 ist also der entscheidende Prozess für die Modellierung der Zustandswechsel: von 0 zu 1 (Hinzukommen eines Kognatensets) oder von 1 zu 0 (Verlust eines Kognatensets).

      Für diese Modellierung nutzen Atkinson & Gray (2003, 2006) komplexe statistische Methoden, die hier nicht ausführlich diskutiert werden können.1 Grob gesagt modelliert der Ansatz von Atkinson und Gray auf Grundlage einer Fülle von Daten unterschiedliche Sprachenstammbäume und vergleicht die so entstandenen Modelle hinsichtlich ihrer Plausibilität. Die Ergebnisse, zu denen sie auf diese Weise gelangen, interpretieren Gray & Atkinson (2003) als Evidenz für die Hypothese, dass sich das Ie. vor etwa 10.000 Jahren im anatolischen Raum auszubreiten begann.

      Diese Hypothese und auch die verwendeten Methoden wurden jedoch heftig kritisiert. So kommen Pereltsvaig & Lewis (2015: 53) zu dem Schluss:

      Wherever we look, we find that the model produces multiple chains of errors, consistently failing to accord with known facts about the diversification and spread of the Indo-European languages.

      Einige der gegen solche phylogenetische Methoden vorgebrachten Einwände laufen darauf hinaus, dass man auf eine Vielzahl an Daten setzt und darüber die Korrektheit der Analysen im Einzelfall vernachlässigt. So lautet eine zentrale Kritik, dass sich trotz aller Bemühungen, LehnwörterLehnwort aus den Daten auszuschließen, letztlich doch relativ viele LehnwörterLehnwort eingeschlichen haben, die somit eigentlich nicht als Kognaten gelten dürften (vgl. Pereltsvaig & Lewis 2015: 81). Einen solchen Balanceakt zwischen großen Datenmengen einerseits und sorgfältiger qualitativer Analyse der einzelnen Datenpunkte andererseits bringt freilich jede empirische Arbeit mit sich. Ein weiterer, möglicherweise schwerwiegenderer Kritikpunkt betrifft die Frage, wie repräsentativ die Swadesh-Listen tatsächlich sind, zumal Swadesh keine klaren Kriterien für die Auswahl genau dieser Wörter bzw. Konzepte formuliert hat (vgl. Pereltsvaig & Lewis 2015: 72).

      Aus wissenschaftstheoretischer und wissenschaftssoziologischer Perspektive ist die neu entfachte Debatte um den Ursprung des Ie. hochspannend, da hier in methodischen Fragen Welten aufeinanderprallen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: auf der einen Seite die Vertreter der klassischen komparativen Methode, die auf genauer, händischer Analyse durch Experten beruht; auf der anderen Seite die Vertreter quantitativer Methoden, die zwar größere Datenmengen einbeziehen können, dabei aber z.T. auch fehleranfälliger sind. Inwieweit Ungenauigkeiten auf Ebene der einzelnen Datenpunkte durch eine Vielzahl an Daten „aufgefangen“ werden können, ist eine Frage, die sich bei jeder quantitativen Studie stellt und immer wieder neu erörtert werden muss. Was die hier dargestellten phylogenetischen Methoden angeht, so bleibt abzuwarten, ob sie sich eines Tages als Teil des anerkannten Methodenrepertoires der historischen Linguistik werden durchsetzen können.

       Infobox 2: Die germanischen Sprachen

      Das Deutsche gehört zu den germanischen Sprachen, die sich in nord- und westgermanische Sprachen untergliedern lassen (die ostgermanischen Sprachen, zu denen das Gotische gehörte, sind ausgestorben). Die nordgermanische Sprachfamilie bilden Isländisch, Färöisch, Norwegisch, Schwedisch und Dänisch. Das Deutsche ist eine westgermanische Sprache. Weitere westgermanische Sprachen sind Englisch, Friesisch, Niederländisch, Afrikaans, Luxemburgisch und Jiddisch. Fig. 4 gibt einen Überblick über die germanischen Sprachen und die Regionen, in denen sie gesprochen werden. Auf der Karte ist jede Sprache einer bestimmten Koordinate zugewiesen. Diese Koordinaten wurden aus dem World Atlas of Language Structures (WALS) übernommen und stehen quasi stellvertretend für das Verbreitungsgebiet der jeweiligen Sprache. Das kann relativ groß sein – Deutsch zum Beispiel wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesprochen, und es gibt Sprachinseln etwa in den USA und Südamerika (vgl. z.B. Glottolog, Hammarström et al. 2017).

      Fig. 4: Überblick über die germanischen Sprachen nach dem World Atlas of Language Structures (WALS, Dryer & Haspelmath 2013). Erstellt mit ggmap (Kahle & Wickham 2013).

      Zum Weiterlesen

      Eine praxisorientierte Hinführung zur Anwendung der komparativen Methode bietet Kapitel 5 von Campbell (2013). Crowley & Bowern (2010) bieten neben einem praxisorientierten Kapitel auch einen Abschnitt zur Geschichte der komparativen Methode und zu ihren Herausforderungen. Zum Einstieg eignen sich auch Kapitel 10 von Bybee (2015) sowie die Handbuchartikel von Rankin (2003) und Weiss (2015).

      2.2.2 Authentische Sprachdaten: Korpuslinguistik

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