Deutsche Sprachgeschichte. Stefan Hartmann
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Название: Deutsche Sprachgeschichte

Автор: Stefan Hartmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783846348239

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СКАЧАТЬ komparative Methode hat sich als wichtigstes Instrument der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft erwiesen, doch hat sie auch ihre Grenzen. So kann sie beispielsweise in isolierten Sprachen wie dem Baskischen, also solchen Sprachen, für die bisher keine Verwandten gefunden wurden, nicht angewandt werden. Hier muss man auf eine andere Methode zurückgreifen, um mögliche Vorstufen der Sprache zu rekonstruieren, nämlich die interne Rekonstruktion, die sich in manchen Fällen auch in nicht-isolierten Sprachen als Ergänzung zur komparativen Methode eignet. Ausgangspunkt der internen Rekonstruktion sind Allomorphe, also Formen, die im jeweiligen Flexionsparadigma oder auch in über Wortbildung abgeleiteten Wörtern unterschiedliche phonologische Formen haben. Im Deutschen finden wir Allomorphie z.B. in umgelauteten Formen, vgl. Maus – Mäus-e, Bub – Büb-lein. In solchen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Formen auf eine einzige Form zurückgehen und sich durch Lautwandel auseinanderentwickelt haben (vgl. Trask 2015: 238). Auf Grundlage dessen, was man über sprachübergreifende Lautwandeltendenzen weiß, kann man dann Lautwandelprozesse postulieren, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben. Auch hier gilt es dann, die postulierten Prozesse im Kontext des rekonstruierten Gesamtsystems zu überprüfen (vgl. Campbell 2013: 199).

      In den vergangenen Jahren haben sich zudem immer stärker computationale Methoden der Lexikostatistik und Glottochronologie etabliert. Bei diesen quantitativen Ansätzen, die allerdings in der historischen Linguistik teilweise noch mit Skepsis betrachtet werden (vgl. z.B. Campbell 2013), handelt es sich um sog. phylogenetische MethodenBayessche phylogenetische Methoden, die sich an der Evolutionsbiologie orientieren. Dass der Begriff „phylogenetische Methoden“ häufig ausschließlich mit diesen modernen Ansätzen in Verbindung gebracht wird, ist freilich etwas irreführend, denn letztlich sind auch die „klassischen“ Methoden, die zur Rekonstruktion von Sprachfamilienstammbäumen verwendet werden, phylogenetisch (von gr. φῦλον ‚Stamm‘ und γενετικός ‚Ursprung, Quelle‘). Auch die Verknüpfung zwischen Sprachwissenschaft und Evolutionsbiologie ist nicht neu: So wurde Darwin bei der Entwicklung der Evolutionsbiologie unter anderem von den Schriften August Schleichers inspiriert, der sich als einer der ersten an der Rekonstruktion der ie. Ursprache versuchte. Umgekehrt lehnen sich viele theoretische Ansätze jüngeren Datums an die Evolutionsbiologie an (z.B. Haspelmath 1999, Croft 2000).

      Die Glottochronologie geht davon aus, dass es so etwas wie ein Basisvokabular gibt, also ein Inventar an Konzepten, für das es in allen Sprachen und Kulturen Wörter gibt. Das können z.B. Verwandtschaftsbezeichnungen, Farbwörter, Naturphänomene wie Sonne und Mond oder grundlegende Erfahrungen wie leben und sterben sein (vgl. z.B. Trask 2015: 350f.). Zwei häufig verwendete Listen, die sog. Swadesh-ListenSwadesh-Listen, hat Morris Swadesh zusammengestellt, eine mit 100, eine mit 200 Wörtern. Diese Listen haben z.B. Gray & Atkinson (2003) und Bouckaert et al. (2012) verwendet, um die einzelnen Aufspaltungen des Ie. möglichst genau zu datieren und damit auch Hypothesen zum Ie. zu überprüfen. Dafür nutzten sie 2.449 Kognaten (allesamt aus der 200-Wörter-Swadesh-Liste) aus 87 Sprachen und kodierten jedes der Kognaten-Sets daraufhin, ob es in der jeweiligen Sprache vorhanden ist oder nicht (0 vs. 1). Wie das aussehen kann, zeigen beispielhaft Tab. 4 und Tab. 5 (aus Atkinson & Gray 2006: 94).

      In Tab. 4 sind vier Konzepte aus den Swadesh-Listen aufgeführt, zusammen mit den entsprechenden Wörtern aus sechs ie. Sprachen (darunter aus dem ausgestorbenen Hethitischen, die als älteste belegte ie. Sprache gilt). Das Wort für ‚hier‘ z.B. ist im Englischen und Deutschen kognat: here und hier. Das frz. Wort geht hingegen nicht auf die gleiche Wurzel zurück wie das engl. und dt., aber es teilt sich eine Wurzel mit dem italienischen Wort, auch wenn diese etymologische Verwandtschaft durch Lautwandel opak (undurchsichtig) geworden ist: ici und qui/qua. Mit dem Neugriechischen und Hethitischen kommen zwei weitere Wurzeln hinzu, denn die Wörter in diesen Sprachen gehören weder zum Kognatenset 1 (hier/here) noch zum Kognatenset 2 (ici/qui/qua).

      In Tab. 5 ist für jedes Swadesh-Konzept in jeder der in der Stichprobe in Tab. 4 vorhandenen Sprachen angegeben, ob das jeweilige Kognaten-Set in der Sprache vorhanden ist oder nicht. Im Falle von hier findet sich in jeder der sechs Sprachen genau eine der vier Varianten: Im Englischen und Deutschen das Kognatenset 1 (hier/here), im Frz. und Italienischen das Kognatenset 2 (ici/qui/qua), im Neugriechischen das Kognatenset 3 (edo), im Hethitischen das Kognatenset 4 (ka). So entsteht eine Matrix aus binären Werten, also aus Ja/Nein-Werten bzw. Einsen und Nullen.

Englisch here 1 sea 5 water 9 when 12
Deutsch hier 1 See 5, Meer 6 Wasser 9 wann 12
Französisch ici 2 mer 6 eau 10 quand 12
Italienisch qui 2, qua 2 mare 6 acqua 10 quando 12
Neugriechisch edo 3 thalassa 7 nero 11 pote 12
Hethitisch ka 4 aruna- 8 watar 9 kuwapi 12

      Tab. 4: Einige Sprachen und Swadesh-Wörter, die in den Daten von Gray & Atkinson (2003, 2005) verwendet wurden. Wörter mit der gleichen Zahl sind Kognaten.

Bedeutung (Swadesh-Konzept) hier See Wasser wenn
Kognatenset 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Englisch 1 0 0 0 1 0 0 1 1 0 0 1
Deutsch СКАЧАТЬ