Das Gemeindekind. Marie von Ebner-Eschenbach
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Название: Das Gemeindekind

Автор: Marie von Ebner-Eschenbach

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclams Universal-Bibliothek

isbn: 9783159618883

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СКАЧАТЬ die Hände über den Kopf, huschte so planlos und unbeholfen im Zimmer umher wie ein aus dem Schlafe gescheuchter Nachtfalter und wimmerte und stöhnte: [50]»Vergiss meinetwegen alles, was ich dir gesagt habe; aber den Rat vergiss du nicht, den geb ich dir aus meiner eigenen Erfahrung!«

      Pavel betrachtete den Schullehrer nachdenklich; der alte Herr tat ihm leid und kam ihm zugleich unendlich töricht vor. Worüber kränkte er sich? Konnte es darüber sein, dass die Leute ihn einen Hexenmeister nannten? … Das wäre auch der Mühe wert!

      Für sein Leben gern hätte er sich erkundigt, wusste aber nicht, wie die Frage stellen. Er nahm so lange keine Notiz von des Lehrers entlassenden Winken, bis dieser ihn heftig anließ: »Was willst du noch?« Dann gab er zur Antwort: »Wissen, was den Herrn Lehrer kränkt.«

      Habrecht bog sich zurück, tat einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. »Später, Pavel, später, jetzt würdest du mich nicht verstehen.«

      Da platzte Pavel heraus: »Das wegen der Hexerei?«

      Ein unwillkürlicher Aufschrei: »Ja, ja!« und der Lehrer packte ihn an den Schultern und schob ihn aus der Tür.

      Also richtig! der Alte grämte sich über den Verdacht, in dem er im Dorfe stand. – Unbegreiflich kindisch erschien das dem Pavel; sein Gönner wurde von Stunde an ein Schwächling in seinen Augen, und er schlug dessen eindringlichste Warnung in den Wind. Ja, sie reizte ihn sogar, ihr zuwiderzuhandeln. Die Leute sollen ihn nur für schlechter halten, als er ist, er will’s – nach Lob und Liebe geizen die Feiglinge; sich sagen zu dürfen: Ich bin besser, als irgendeiner weiß – das ist die herbe, die rechte Wonne für ein starkes Herz.

      Den Brief der Mutter bemühte sich Pavel nachzubuchstabieren, und jetzt, wo er dessen Inhalt kannte, gelang es [51]ihm so ziemlich. Vinska überraschte ihn bei der Beschäftigung, wollte wissen, was er las, und als er ihr eine Auskunft darüber verweigerte, suchte sie ihm das Blatt zu entreißen.

      »Was?« zürnte sie, da er ihr wehrte, »du willst mir verbieten, dass ich mit dem Peter gehe, hast aber Geheimnisse vor mir? kriegst Briefe und versteckst sie?« Ihre hübschen Brauen zogen sich zusammen, um den Mund zuckte ein unbezwingliches Lächeln. »Meinst denn, dass ich nicht eifersüchtig bin?«

      Sie scherzte, sie verhöhnte ihn, er wusste es und – war beseligt, dass sie so mit ihm scherzte. »Ja, just – eifersüchtig! Du wirst just eifersüchtig sein«, brummte er, und ein Himmel tat sich vor ihm auf bei dem Gedanken, wie es denn wäre, wenn aus dem Spiel, das sie jetzt mit ihm trieb, einmal ernst werden sollte. Einmal! in der weiten unabsehbaren Zukunft, die noch vor ihm lag und welcher er, wenn auch sonst nichts, doch ein festes Vertrauen auf die eigene Kraft entgegentrug.

      Die Vinska hatte eine Hand auf die schlanke Hüfte gestemmt und streckte die andere nach ihm aus: »Von wem ist der Brief Pavlicek?« fragte sie schmeichelnd und schelmisch, »der Brief, den du an deinem Herzchen versteckst?«

      »Von meiner Mutter«, antwortete er rasch und wandte sich ab.

      Vinska tat einen Ausruf des Erstaunens: »Wenn’s wahr ist! Ich hätt nicht geglaubt, dass die im Zuchthaus Briefe schreiben dürfen. Was könnten sie auch schreiben? – gute Lehren vielleicht, wie man’s anstellen soll, um zu ihnen zu gelangen ins freie Quartier.«

      Pavel nagte gequält an den Lippen.

      »Wirf den Brief weg«, fuhr Vinska fort, »und sag [52]niemandem, dass du ihn gekriegt hast; es soll nicht heißen, dass zu uns Briefe kommen aus dem Zuchthaus. Die Leute sagen uns ohnehin genug Übles nach.«

      »Noch immer weniger, als ihr verdient!« rief Pavel heftig aus, und Vinska errötete und sagte verwirrt und sanft: »Ich hab dein Bestes im Sinn; ich hab gestern den ganzen Tag für dich genäht; ich hab dir ein ganz neues Hemd gemacht.«

      »Ein Hemd – so?«

      »Aber glaub mir, mit der Mutter sollst du nichts zu tun haben; glaub mir, sie hat den Galgen mehr verdient als dein Vater, und er hat gewiss recht gehabt, wie er immer ausgesagt hat vor Gericht: Das Weib hat mich verführt … Er hat nichts von sich gewusst, er war ja immer besoffen; aber sie – oh, sie hat’s hinter den Ohren gehabt! … und es war halt wie im Paradies mit dem Adam und der Eva.«

      Sie sah in lauernd von der Seite an und begegnete in seinen Zügen dem Ausdruck einer außerordentlichen Überraschung.

      »War denn der Adam besoffen?« fragte er mit ehrlicher Wissbegier.

      Vinska fasste ihn an beiden Ohren, rüttelte ihn und lachte: »Oh wie dumm! nicht vom Adam, von deinem Vater ist die Rede, und dass deine Mutter ihn verleitet hat, den Geistlichen umzubringen.«

      »Schweig!« rief Pavel, »du lügst.«

      »Ich lüg nicht, ich sag, was ich glaube und was andere glauben.«

      »Wer, wer glaubt das?«

      Sie antwortete ausweichend, aber er packte ihre Arme mit seinen großen Händen, zog sie an sich und [53]wiederholte: »Wer sagt das, wer glaubt das?« bis sie geängstigt und gefoltert hervorstieß: »Der Arnost.«

      »Mir soll er’s sagen, mir; ich schlag ihm die Zähn ein und schmeiß ihn in den Bach.«

      »Dir wird er’s nicht sagen, vor dir fürchtet er sich – lass mich los, ich fürcht mich auch; lass mich los, guter Pavel.«

      »Aha, fürcht’st dich, fürcht dich nur!« sprach er triumphierend und – entwaffnet. Zum Spaß rang er noch ein wenig mit ihr und gab sie plötzlich frei. Reicher Lohn wurde ihm für seine Großmut zuteil: Die Vinska sah ihn zärtlich an und lehnte einen Augenblick ihren Kopf an seine Schulter. Ein Freudenschauer durchrieselte ihn, aber er rührte sich nicht und bemühte sich, gleichgültig zu scheinen.

      »Pavel«, begann Vinska nach einer Weile, »ich hätt eine Bitte, eine ganz kleine. Willst sie mir erfüllen? – Es ist leicht.«

      Sein Gesicht verdüsterte sich: »Das sagst du immer, ich weiß schon. Was möcht’st du denn wieder?«

      »Der alte Schlosspfau hat noch ein paar schöne Federn«, sagte sie, »rupf sie ihm aus und schenk sie mir.«

      Sie bat in so kindlichem Ton, ihre Miene war so unschuldig und er völlig bezaubert. Er ließ sich’s nicht merken, brummte etwas Unverständliches und schob sie sachte mit dem Ellbogen weg. Dann nahm er die Peitsche vom Herd und ging zur Schwemme, die Pferde zusammenzuholen, mit denen er auf der Hutweide übernachten sollte.

      Die Hutweide lag in einer Niederung vor dem Dorfe, nicht weit vom Kirchhof, der ein längliches Viereck bildete und sich, von einer hohen weißgetünchten Mauer umgeben, ins Feld hineinstreckte. Es war eine Nacht, so lau wie im Sommer; in unbestrittenem Glanz leuchtete der Mond, [54]und die von seinem Licht übergossene Wiese glich einem ruhigen Wasserspiegel. Still weideten die Pferde. Pavel hatte sich in seiner Wächterhütte ausgestreckt, die Arme auf den Boden, das Gesicht auf die Hände gestemmt, und beobachtete seine Schutzbefohlenen. Die Fuchsstute des Bürgermeisters, die weißmähnige, war früher sein Liebling gewesen; seitdem er aber den Sohn des Bürgermeisters hasste, hasste er auch dessen Fuchsstute. Sie kam, auf alte Freundschaft bauend, zutraulich daher, beschnupperte ihn und blies ihn an mit ihrem warmen Atem. Ein Fluch, ein derber Faustschlag auf die Nase war der Dank, den ihre Liebkosung ihr eintrug. Sie wich zurück, mehr verwundert als erschrocken, und Pavel drohte ihr nach. Er hätte alles von der Welt vertilgen mögen, was mit seinem Nebenbuhler in Zusammenhang stand. Das Versprechen der Vinska flößte ihm kein Vertrauen ein; es war viel zu rasch gegeben worden, viel СКАЧАТЬ