Hungern für die Liebe. Cassandra Light
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hungern für die Liebe - Cassandra Light страница 7

Название: Hungern für die Liebe

Автор: Cassandra Light

Издательство: Автор

Жанр: Здоровье

Серия:

isbn: 9783969405451

isbn:

СКАЧАТЬ von bestimmten Vorurteilen auszugehen. »Es sind immerhin Suchtkranke, und deren Glaubwürdigkeit ist oft infrage gestellt.« Zu diesem Thema wird viel gelesen, erzählt und gedacht. Wichtig ist aus meiner Sicht jedoch, vorurteilsfrei zu bleiben und jeden »kranken« Menschen individuell zu betrachten, ihm oder ihr Gehör zu schenken und ein vertretbares Maß zwischen Glauben und Hinterfragen zu finden. Aufgrund von allgemeingültigen Meinungen oder schulmedizinischen Erfahrungsberichten Essgestörte oder andere suchtkranke Menschen einzuordnen und sie zu be- oder verurteilen, halte ich für fragwürdig. Sicher finden sich Parallelen in den Krankheitsbildern, jedoch sollte dies nicht das Maß aller Dinge sein.

      Vielmehr gelten Züge wie »Urteilsfreiheit, interessiertes Hinterfragen und das jeweilige individuelle Wesen für sich zu sehen« als wertvoll. Und zwar in therapeutischer Hinsicht ebenso wie im familiären Umfeld und auch für die betroffene Person selbst. All dies ist in der heutigen Zeit in viele Bereiche übertragbar. Aus meiner Sicht ist es auch sinnvoll, Menschen und Situationen individuell zu betrachten, sie zu hinterfragen und sich dann mit dem globalen Wissen einen Weg zu bahnen.

      Niemand braucht schwarz-weiß zu denken – in die eine oder andere Richtung – und dann die daraus gewonnene Erkenntnis in eine geeignete »Schublade« zu drücken. Nein, denn wir haben die Freiheit, den Menschen mit seinen ganz eigenen Themen, Beweggründen und Vorlieben individuell zu sehen. Und das können wir tun!

       Ich habe es probiert, es aber dann nicht gegessen. Dafür habe ich mir einfach etwas anderes genommen, was nicht erlaubt ist. Ich habe jedoch gefragt, ob ich so einen komischen anderen Kuchen mit Rosinen essen darf. Der hat ekelig süß geschmeckt, weil da purer Zucker drüber war.

       Das war irgendwie alles nicht mein Fall.

       Hauptsache, es gibt zum Abendbrot etwas, was man wenigstens runterbekommt.

       Na ja, zu Hause schmeckt es besser.

       Ich glaube, bald muss ich schon wieder Abendbrot essen. Danach dann Spätstück.

       Das ist viel, was? Das sind sechs Mahlzeiten (2.500 kcal) am Tag. Schrecklich!

      Hier wird klar, dass das Thema »Essen« und eine damit verbundene Angst den größten Teil meiner Gedanken einnahmen. Wann wird gegessen? Was muss gegessen werden? Ist das für mich zu schaffen?

      Mich begleitete eine tiefe Abneigung gegen das Essen und im Endeffekt eine Abneigung gegen mich selbst. Eine Abneigung gegen das Leben.

      Die folgenden Zeilen fühlen sich wie Widerstand, Angst und Verzweiflung an.

       Morgen früh werden wir ja sehen, wie viel ich wiege. Drücke mir BITTE die Daumen für morgen früh und auch dafür, dass das Abendbrot und Spätstück erträglich sind – nicht so ekelig.

       Ich will hier raus!

      Ich war so jung, und ja, ich war verzweifelt und wollte mich befreien. Aber ich konnte es nicht. Das ist heute anders, jedoch hat mich diese intensive Zeit des »Eingesperrtseins« geprägt.

      Heute bin ich meistens hellwach, achtsam und schaue: Komme ich hier raus? Egal wo ich bin, ich versichere mich immer wieder, dass ich irgendwo »rauskomme«.

      Ich fahre weg und achte darauf, nicht in einen Stau zu geraten, bei dem es keine Umleitung gibt. Ich gehe feiern und schaue, wo der Notausgang ist. Oder ich gehe einkaufen und registriere sehr genau, wo der Ausgang ist, wo ich rausgehen darf. Egal in welcher Situation ich auch sein mag, einer der wichtigsten Gedanken für mich ist: Ich kann hier raus!

      Heute bin ich, abgesehen von diesen Gedanken des Bloß-nicht-noch-maleingesperrt-Seins, bereits »frei«. Das versichere ich mir oft selbst in Form der Achtsamkeit bezüglich möglicher »Fluchtwege«.

      Am folgenden Nachmittag schrieb ich folgende Zeilen:

       Samstag, der 02.12.2000

       Hallo liebes Tagebuch!

       Als ich heute Morgen gewogen worden bin, habe ich nicht zugenommen. Jetzt habe ich den ganzen Tag Bettruhe.

       Na toll. Ich bin ganz alleine hier – den ganzen Tag.

       Die anderen Personen aus meinem Zimmer haben heute Tagesurlaub und dürfen nach Hause.

       Mein Essen bekomme ich hier ans Bett. Das ist alles so schrecklich, ich möchte hier raus und nach Hause.

       In einer Viertelstunde bekomme ich Kaffee. Hauptsache, es ist nichts mit Pudding. Hauptsache, ich esse das. Es ist wichtig, weil heute zum Mittag habe ich nicht die ganze Portion aufgegessen. Heute Morgen habe ich mein Brötchen geschafft, aber nur weil sie mich vergessen hatten und ich deshalb Zeit zum Essen hatte.

       Ich hoffe, dass ich morgen keine Bettruhe habe. Morgen ist der 1. Advent und ich will nach Hause. Ich vermisse sie. Wünsche mir Glück.

      Es ist erstaunlich, wie wertvoll mir mein Tagebuch war. Der einzige Gesprächspartner in dieser Zeit voller Druck, Gedanken, Ängste und Hoffen. Hoffen auf Besserung, Hoffen auf ein Wunder, das mich befreit.

       1. Advent, der 03.12.2000

       Heute habe ich keine Bettruhe. Als ich heute Morgen gewogen worden bin, habe ich 34,6 kg gewogen, das heißt, ich habe zugenommen. Vorher waren es 34,3 kg. Das war auch ganz schön schwer gestern. Die eine Schwester kann mich und ich sie nicht leiden.

       Was Mutti, Marleen und Papa jetzt wohl machen?

       Sie sitzen bestimmt mit einer Adventskerze zusammen und trinken Kaffee.

       Ich bin schon fertig damit. Bei mir gab es Baumkuchen und Joghurtdrink – liegt ganz schön schwer im Bauch, aber bis zum Abendbrot ist ja noch Zeit.

       Weißt du, ich habe eben wieder geweint. Ich bin hier ganz alleine und möchte so gerne nach Hause. Der Schmerz ist so groß. Ich vermisse sie so sehr und habe sie so doll lieb. Ich glaube, ich gehe hier ein. Es ist alles so schwer. Mein Herz kann bald nicht mehr.

       Morgen ist Montag und am Dienstag habe ich Geburtstag. Ob sie mich besuchen kommen?

       Ich habe die Regeln des Grazer Modells gelesen, dass ich 1 Mal in der Woche anrufen und 1 Mal für 2 Stunden Besuch haben darf.

       Ich wünsche mir zu meinem Geburtstag, dass ich hier rauskomme.

      Es tut weh und bringt ein bedrückendes Gefühl mit sich, wenn ich lese, dass ich emotional nicht mehr konnte. Wie die kleine Kinderseele von damals gelitten hat.

      Wie bildlich die Worte von damals geschrieben sind: das Herz, das dann nicht mehr kann. Gott hat uns das Herz als Mittelpunkt, als Zentrale des Körpers geschenkt. Das Herz, unser zentrales Organ, ohne das kein Leben möglich ist. Wenn das Herz nicht mehr kann, dann ist es das Ende für unseren physischen Körper. Das Ende des jetzigen Lebens auf dieser Erde. Und ich schrieb damals, dass es das Ende meines Lebens wäre.

      Verhungert. Verhungert an fehlender Liebe und Herzschmerz.

      Das berührt mich sehr. An diesem Punkt gibt es nicht viel zu schreiben, denn СКАЧАТЬ