Wenn dem JA kein ABER folgt. Andreas Müller
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wenn dem JA kein ABER folgt - Andreas Müller страница 4

Название: Wenn dem JA kein ABER folgt

Автор: Andreas Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783035507003

isbn:

СКАЧАТЬ loswerden, sondern die Belastung in einer Situation, in der sich alle pädagogischen Kräfte bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten belastet fühlen.» Das Treffen zum Kennenlernen mit Mutter und Kind war aufschlussreich: Die Mutter alleinerziehend, «engagiert, aber schlicht», der Junge bei den Grosseltern, ohne Anschluss an Gleichaltrige.

      Die zuständige Lehrerin war bereit, ihn aufzunehmen, die Schulleiterin der abgebenden Schule gab dem Kind Bescheid: «Du gehst jetzt», allerdings, ohne die Lehrerin vorher darüber zu informieren. «Ein leider immer noch verbreitetes Verhalten von Vorgesetzten», kritisiert Antje. «Da wird die Kollegialität, die oft zitierte, völlig missachtet. Wie soll bei einem solchen Führungsstil Zusammenarbeit entstehen können?»

      Es zeigte sich, dass die Probleme des Kindes in der neuen Schule durch einige Eltern programmiert waren, die ihren Kindern aufgetragen hatten, mit dem neuen nicht zu spielen. Die Vorsitzenden des Elternbeirats beschwerten sich bei der Schulleiterin über die Aufnahme des schwierigen Falles. Dann weigerte sich die Klassenlehrerin, ihn weiter zu unterrichten.

      «So hörte ich Hilferufe von allen Seiten», sagt Antje: «Hilferufe der Klassenlehrerin, Eltern und Lehrkräfte, Hilferufe der Mutter und Hilferufe des Kindes.»

      In der Kindertagesstätte, wo der Junge die Nachmittage verbringt, macht er keine Probleme. Möglicherweise steckt irgendetwas Physisches hinter dem Verhalten, spekuliert die Schulleiterin, was fehlt, ist einfach eine vernünftige Diagnose. Aufgrund der staatlich vorgeschriebenen Inklusionspolitik sind auch Mittel für Beratungslehrerinnen verfügbar, allerdings begrenzt auf acht Stunden pro Woche. Diese Beratung ist inzwischen eingerichtet. Den Rest der Zeit deckt eine zur Zeit noch überwiegend ehrenamtlich tätige Begleitperson ab, sodass der Junge jederzeit mit einer erwachsenen Begleitung zusammen ist. Ein Teil der Kosten dafür zahlt Antje aus ihrer eigenen Tasche. Befremden und befremdete Äusserungen darüber von den Kolleginnen habe sie «auf pathetische Weise» zurückgewiesen: «Das ist mein Geld, und jeder kann mit seinem Geld machen, was er will. Wie ich mein Geld ausgebe, geht niemanden hier etwas an.»

      Natürlich ist das nicht die Lösung des Problems. Es geht um die Herstellung einer Schulgemeinschaft, die von der Norm des Normalen abweichende Kinder willkommen heisst, weil sie den der Vielfalt innewohnenden Reichtum aufzuschliessen versteht.

      Leitbilder: Beispiel für den Umgang mit Visionen

      Antje erinnert die Eltern am ersten Elternabend, auf Merkblättern und beim Auftritt der Schule im Internet (www.lindenhofschule-brensbach.de) an die rechtlichen Grundlagen eines Bildungsauftrags, der laut Artikel 56, Abs. 1 des Hessischen Schulgesetzes über das unterrichtliche Lernen hinausgeht:

      «Der hier festgelegte Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule ist auf bestmögliche Entfaltung der Persönlichkeit der Mädchen und Jungen gerichtet und schliesst die Sorge um ihr körperliches und seelisches Wohl mit ein. Die Grundschule hat insoweit auch sozialpädagogische Aufgaben.»

      Sie zählt die Kinderrechte auf und schreibt, dass «Kinder unterschiedlich schnell und weit sein dürfen», dass Lernen aktiv sein bedeutet und die Fähigkeit einschliesst, Verknüpfungen herzustellen und eigene Stärken und Kompetenzen erkennen und aufbauen zu können. Sie erklärt, dass die Rolle der Lehrkraft darin besteht, «ein Feuer zu entfachen, und nicht darin, einen leeren Eimer zu füllen», und dass «wissenschaftliches Denken nicht aus der Position des Wissens hervorgeht, sondern aus der Position der Suche nach Wissen.»

      «Kinder dürfen

       unterschiedlich schnell

       und weit sein.»

      Sie schlägt den Eltern zu Schulbeginn vor, auf welche Weise sie ihr Kind unterstützen können, von «Sie können ihr Kind stärken, indem sie ihm etwas zutrauen» bis «Legen Sie gemeinsam Regeln fest für das Erledigen der Hausaufgaben».

      In der Anfangsphase, noch vor Übernahme der neuen Schulleitung, war in Brensbach ein professionell begleiteter Prozess der Schulentwicklung eingeleitet worden, der mit der Suche nach dem besonderen Sinn des Unternehmens dieser Schule begonnen hatte, und bald von den Lehrerinnen selbstständig weiter getrieben wurde. «Sonne im Herzen» sollte das Motto sein, und unter dieser Leitvorstellung wurde von ihnen gemeinsam mit der neuen Schulleiterin ein Logo gefunden, ein herzförmiges Lindenblatt mit fünf Hauptadern:

Image - img_02000007.jpg

      leben – Wir leben in einer offenen und vielfältigen Schule. Jeder ist wichtig.

      fördern – Wir fördern kompetenzorientierten Unterricht.

      bewegen – Wir bewegen uns und sind handlungsorientiert.

      geben – Wir geben Schutz und Stärke.

      lernen – Wir lernen miteinander und voneinander in einer freundlichen Atmosphäre.

      clear

      Absichten, Wörter: Wenn es nicht das Beispiel der Grundschule Beerfurth gäbe, wären sie bloss leere Vorstellungen. Die Erfahrung, dass die Vision einer Schulgemeinschaft auf die Wirklichkeit der Verhältnisse übertragen und umgesetzt werden kann, macht den Vorgang erst verfügbar. Was im Raum A intuitiv gelang und sukzessiv aufgebaut worden ist, wird auf Raum B absichtlich und planvoll angewandt. Dies ist aussichtsreich, selbst dann, wenn es in einzelnen Aspekten nicht auf Anhieb gelingen sollte: Der Vergleich macht es möglich, einzelne Punkte eines Pakets zu isolieren und zu bearbeiten, dessen Umfang sonst Demotivation auslösen müsste. Und der Erhalt der Motivation ist womöglich die knappste Ressource in dem ganzen Geschäft von Schule und Unterricht.

      Antje erzählt, wie sie die Rahmenbedingungen des Unterrichts umgestaltet hat: Vertretungsstunden werden nicht mehr unvergütet erwartet. (Das Problem besteht darin, dass in einer Situation, in der die Leute unzufrieden sind, auch die Krankheitszeiten und Fehltage steigen, die durch Vertretungsunterricht von Kollegen ersetzt werden müssen, was wiederum deren Unzufriedenheit auslöst.) In Hessen ist es gesetzlich geregelt, Vertretungsunterricht über sogenannte VSS Mittel (verlässliche Schule) zu finanzieren und damit nicht zusätzlich das Kollegium zu belasten. Man kann und sollte diese Möglichkeit im Interesse der Kolleginnen abrufen, wobei allerdings entsprechend vorgebildete Vertretungskräfte zur Verfügung stehen müssen, was im ländlichen Raum jedoch teilweise viel Kommunikations- wie auch Organisationstalent voraussetzt.

      Zur Zeit ist sie mit der Einrichtung einer eigenen kleinen Küche für die Lehrerinnen befasst, – gegen einen amtlichen Widerstand, mit dem sie inzwischen umzugehen versteht. «Eine Küche, in der man Kaffee kochen und kleine Snacks zubereiten kann, wird die Zufriedenheit der Kolleginnen mit ihrem Arbeitsplatz erhöhen», sagt sie.

      Umgang mit der Zeit:

       Schule als Modell für eine menschlichere Gesellschaft

      Auch die Schulleiterin strebt nach Zufriedenheit in ihrem Job. Im Streben, ein Vorbild zu sein, neigt sie dazu, ihre Arbeit auszudehnen über die Uhrzeit und die Lebenszeit. Nicht ungewöhnlich, sagt sie, bis morgens um zwei zu arbeiten. Mittagspause? Kannst du vergessen. Das Frühstück morgens wurde eingespart, bis die zweite Schule dazu kam und es nicht länger ohne Stärkung ging. Das Arbeitsleben läuft stets auf hohen Touren. Die Sommerferien sind wichtig, «um runter zu kommen.» – «Da ist noch was: Dass ich keine eigenen Kinder habe, hilft mir, – privat bin ich nie ausgepowert.» Das Wichtigste ist die Wertschätzung, die man durch diese Arbeit erfährt. «Es stand ja zu befürchten, dass mich das Engagement in zwei Schulen kaputt machen würde. Tatsächlich waren die Kolleginnen in der zweiten Schule aber bereits ‹im Aufbruch› und benötigten nur jemanden mit Erfahrung, wie man es anders machen kann und zeigt, wie es gehen kann; eine, СКАЧАТЬ