Was am Ende bleibt. Marija Barisic
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Название: Was am Ende bleibt

Автор: Marija Barisic

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783990013649

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СКАЧАТЬ Frau da ist, obwohl ich gerade in diesen Momenten auch oft an den Tod denke, weil ich weiß, dass uns eine Trennung bevorsteht. Trotz der vielen Jahre, die wir zusammen hatten, und es waren ja wirklich viele Jahre, denke ich, es könnten ruhig noch ein paar mehr sein.

      Wenn mich Menschen fragen, wie wir es denn geschafft haben, so lange zusammenzubleiben, weiß ich gar nicht so recht, was sie hören wollen. Ich könnte von Großzügigkeit, von Toleranz und von Treue sprechen und das stimmt auch alles sicherlich. Aber ich denke, in unserem Fall war es gerade die Tatsache, dass wir erst nach zwanzig Jahren unserer Beziehung zusammengezogen sind. Die Hälfte unserer Zeit haben meine Frau und ich gar nicht zusammengelebt. Das hatte damals mehrere Gründe.

      Einerseits haben wir uns in all den Jahren nicht immer gleichmäßig geliebt und andererseits waren wir durch unseren Beruf viel unterwegs. Diese große räumliche Distanz würde bei anderen Paaren vielleicht gar nicht funktionieren, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass die Liebe eine viel größere Stabilität erfährt, wenn man sich ab und zu trennt. Es ist nichts furchtbarer als in den Alltag zu rutschen und dann nur noch mit Nichtigkeiten zu tun zu haben, über die man sich dann auch noch zu streiten beginnt: Wo der Löffel denn jetzt hingekommen ist und wer ihn weggeräumt hat. Paradoxerweise kann die größte Nähe zwischen zwei Menschen erst durch Entfernung entstehen. Ich denke, Blanche sieht das ähnlich, auch wenn sie damals sehr unter meiner langjährigen Abwesenheit gelitten hat.

      Heute sagt sie, dass sie rückblickend sogar dankbar dafür ist. Durch diese Distanz hatte sie die Freiheit, sich selbst zu verwirklichen und viel Herzblut in ihre Träume zu stecken. Wer weiß, ob sie die Studentenbühne jemals überhaupt gegründet hätte, wenn ich immer da gewesen wäre? Vermutlich nicht. Somit ist ihr durch die Trennung auch etwas Schönes geschenkt worden. Wir haben ja im Nachhinein noch oft über meine Abwesenheit und die Versäumnisse, die damit einhergingen, gesprochen. Ich denke, wir sind uns mittlerweile im Reinen darüber, dass es so sein musste und können heute ganz gut damit leben. Und so verbringen wir unsere letzten gemeinsamen Stunden damit, das Leben und unsere Liebe intensiv zu genießen – das ist oft schwierig, macht es aber nicht weniger schön.

      Fuchs, du hast die Gans gestohlen

      Zuerst wirkt er, als würde er nicht verstehen, wenn man ihn fragt. Doch es ist nur die kurze Bedenkzeit, die er braucht, um in sich zu gehen und die Erinnerung herauszuholen. Zwei bis drei Sekunden Stille, dann kommt die Vergangenheit zurück.

      Aufgeschrieben von: Laura Fischer

      Ich wurde als Bauer geboren, wuchs als Bauer auf und lebte mein Leben lang als Bauer. Ich hatte zwei Brüder und eine Schwester, und vor allem im Krieg mussten wir alle in der Landwirtschaft der Eltern mitarbeiten. Der Hof bestimmte immer mein Leben. Mit zwanzig lernte ich auf einem Kirtag meine erste Freundin kennen, die wollte mich aber nicht heiraten. Ich war ein Bauer und so ein Leben wollte sie nicht. Danach hatte ich immer wieder weibliche Bekanntschaften, aber geworden ist es mit keiner was. Mit meinen Freunden aus der Schule war es ähnlich: Alle sind weggezogen, haben einen Beruf ergriffen oder geheiratet, ich bin am Hof geblieben und habe Zuckerrüben gewaschen. Direkt nach dem Krieg hat es ja keinen Zucker gegeben.

      Rosa lernte ich kennen, da war ich schon alt, 28 glaube ich. Sie war 31. Damals hatte sie noch einen Freund, aber als es bei den beiden aus war, und bei meiner damaligen Freundin und mir auch, kamen wir zusammen. Wir waren aus derselben Ortschaft, sie war auch aus einer Bauernfamilie, also störte meine Herkunft sie gar nicht. Im Gegenteil, zusammen führten wir auch eine Landwirtschaft. Bei unserer Hochzeit war die ganze Verwandtschaft dabei. Da hatten meine Eltern noch nichts gegen sie, wir waren ja schon alt, sie wollten, dass wir heiraten. Die Probleme kamen erst später.

      Kurz gesagt: Rosas Eltern mochten mich nicht und meine Eltern mochten sie nicht. Vor allem mit meiner Mutter war es schlimm. Sie behandelte uns wie Knecht und Dirne, vor allem mit Rosa hat sie immer geschimpft. Am Anfang bekam ich das gar nicht mit, und später sagte ich dann sehr lange nichts. Natürlich war das falsch. Als ich mich endlich auch einmal einmischte, freute sich Rosa, aber besser machte ich es dadurch nicht. Von da an hieß es: wir beide gegen den Rest der Familie. Die Geschwister habe ich gespalten dadurch, die waren auch immer gegen uns.

      Ich und Rosa haben uns aber immer gut verstanden. Zusammen führten wir den Hof, wir haben eine gemeinsame Tochter, vier Enkeltöchter und sogar schon eine Urenkeltochter. Mit den Enkelkindern habe ich gerne viel Zeit verbracht, ich habe sie ins Bad geführt zum Beispiel. In der Pension hatte ich endlich Zeit für so etwas. Urlaub gab es mein ganzes Leben als Bauer nicht, nicht einmal Flitterwochen gingen sich aus. Die ersten Ausflüge machten wir erst in der Pension, zum Beispiel nach Italien. Da war meine Frau noch gesund.

      Es war in der Küche, das weiß ich noch. Rosa saß auf der Eckbank am Tisch und ich am Stuhl. Damals konnte sie schon nicht mehr so gut gehen. Sie stand auf, rutschte aus, und schwupps lag sie am Boden. Ihr Kopf schlug am Fußboden auf, aber zuerst war nichts. Erst ein paar Tage später bekam sie Kopfschmerzen, und wir fuhren ins Krankenhaus. Dort stellten sie fest, es ist eine Gehirnblutung. Das war das zweite Mal, dass Rosa schwer krank war, davor hatte sie schon mal den Brustkrebs überlebt. Eine Gehirnblutung, das ist wie ein Schlaganfall. Sie war zwar bei Bewusstsein und bekam alles mit, aber sonst war nicht mehr viel da.

      Am Anfang konnte Rosa gar nicht sprechen. Jeden Tag half ich zu Hause ein bisschen, nicht viel, der Hof war ja bereits an die Tochter und den Schwiegersohn übergeben, aber ich mähte zum Beispiel den Rasen, dann fuhr ich ins Krankenhaus. Dort versuchten sie, ihr wieder Sprechen beizubringen, aber so richtig wollte es nicht funktionieren. Jeden Tag saß ich im Sessel neben dem Bett im Einzelzimmer und redete mit ihr. Wenn ich wieder heimfahren wollte, hat sie immer geweint, auch wenn sie nicht reden konnte. Sie wollte ja mitfahren nach Hause. Zuletzt habe ich dann nichts mehr gesagt, wenn ich weg bin, sondern immer nur: »Ich muss beim Auto was richten«, und habe mich nicht mal verabschiedet. Dann wurde es ein bisschen besser. Die Schwestern haben mir gesagt, ich soll das so machen.

      Einmal, als ich wieder dort saß, kam eine der Schwestern zu mir. »Kannst du singen?« »Nein«, sagte ich natürlich. »Was soll ein Bauer, der sein Leben lang nur am Hof gearbeitet hat, singen können?« Aber dann fiel mir ein, die einfachen Lieder von früher, »Fuchs, du hast die Gans gestohlen« und so Zeug, die konnte ich noch. Das war das erste Lied, das ich für Rosa gesungen habe. Mitgesungen hat sie da noch nicht, aber sie hat gelächelt, sie hat sich gefreut. Mit der Zeit fielen mir auch andere Lieder ein, und irgendwann fing sie an mitzusingen.

      Mit einem Logopäden lernte sie langsam wieder zu sprechen. Vom Krankenhaus in Horn kam sie für ein paar Wochen auf Reha nach Zwettl. Dort lernte sie wieder neu essen und gehen, alles eigentlich. Auch in der Reha besuchte ich sie jeden Tag und unterhielt mich mit ihr. Und nach vier, fünf Wochen, als sie entlassen wurde, war ich sie abholen und brachte sie wieder nach Hause.

      Dann wurde alles wieder gut, danach war sie wieder so wie vorher. Den Krebs hat sie überlebt, die Hirnblutung auch, nur die Demenz, die später kam, ist dann nicht mehr vergangen. Eh klar, die vergeht ja nicht. Da gibt es kein Medikament dagegen. 53 Jahre waren wir verheiratet. Heuer ist Rosa gestorben.

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