SoulPassion. Silke Naun-Bates
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Название: SoulPassion

Автор: Silke Naun-Bates

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783931560881

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СКАЧАТЬ mein letzter Schutz zu Boden und ich stehe vollkommen entblößt auf der tiefdunklen Tanzfläche. „Gott sei Dank ist es so dunkel, dann sieht mich keiner in meiner Nacktheit“, kann ich gerade noch denken, als Madame Eva zweimal mit den Fingern schnippt und der Ballsaal in strahlend, gleißendes Licht getaucht wird.

      Ein Blick genügt, um zu erkennen, dass all die vorher noch tanzenden Menschen mich stocksteif und schockiert durch ihre Masken anstarren. Jeder Blick ein Dolchstoß mitten in mein Herz. Weinend versuche ich meine Blöße zu bedecken. „Lieber Gott, lass mich im Erdboden versinken!“, bete ich verzweifelt schluchzend. Mein Flehen nützt nichts. Statt sich aufzutun, verwandelt sich der Boden in ein virtuelles Fotoalbum. Bilder und Worte, die ich am liebsten für immer und ewig vergessen wollte, springen mir entgegen. Meine Kehle schnürt sich zu, ich schnappe nach Luft und versuche wegzurennen, doch meine Beine sind wie festgenagelt. Ein Beben fährt durch den Raum, der Boden öffnet sich und ich falle schreiend mitsamt den Bildern und Worten in einen morastig dunklen Sumpf. Wild strampelnd versuche ich, meinen Kopf oben zu halten, doch je stärker ich gegen das Ertrinken ankämpfe, desto tiefer sinke ich. Ich drohe zu ersticken. Zu ersticken an diesen Bildern und Worten, für die ich mich so sehr schäme. Plötzlich verwandelt sich der schleimige, übel riechende Morast in eine eklige, klebende Gestalt. Über und über mit Schlamm und Morast bedeckt, hält sie mich in ihren Armen und beginnt mit mir zu tanzen. Wir drehen uns immer schneller und schneller. Mir wird schlecht und ich muss mich übergeben. Das klebrige Monster lässt mich los und ich lande unsanft auf dem Boden meiner eigenen Übelkeit. Von oben bis unten besudelt und schmutzig.

      Wie ein Häufchen Elend liege ich dort. Madame Eva steht in ihrer majestätischen Haltung vor mir, schaut mich mit strafenden Blick an und hält mir nachdrücklich ihre Karte vor die Nase, damit ich sie auch sicher nicht vergesse, verbeugt sich mit einem formvollendeten Hofknicks und verabschiedet sich von der Bühne.

      Benommen von Madame Evas eindrücklichem Schauspiel beginne ich zu erkennen, wie sie ihre Wirkung in alltäglichen Situationen entfaltet, ohne dass ich mir dessen auch nur im Geringsten bewusst bin. Es gibt so viele Erinnerungen in meinen Leben, derer ich mich in meinem Innersten zutiefst schäme. Manche Dinge sind im Grunde Kleinigkeiten, andere wiegen schwerer: Momente, in denen ich gelogen habe, um möglichen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen, Fehler, die ich nicht eingestanden oder sogar auf andere Menschen geschoben habe, Nächte, in denen ich zu viel Alkohol trank und meinen Körper verschenkte, nur für ein klein wenig Zuneigung, Augenblicke, in denen ich lieber wegschaute, als etwas zu unternehmen, obwohl Hilfe vonnöten war, Situationen, in denen ich mich nicht unter Kontrolle hatte und meine Kinder anschrie …

      Die Scham über all das sorgt dafür, dass ich mich hinter einer Maske verstecke, damit keiner erkennt, wie ich wirklich bin. Sollte nur ein Mensch herausfinden, wie verabscheuungswürdig ich mich verhalten habe, wird er es weitererzählen und alle werden sich von mir abwenden. Wer will schon mit einem Menschen wie mir zusammen sein? Also trage ich die Maske und spiele die schöne Tänzerin. Makellos und rein. Beim genaueren Betrachten wird mir klar, dass wohl kein Mensch „fehlerfrei“ ist und deswegen sehr viele Menschen Masken und schöne Ballkleidung tragen, doch das hilft mir im Moment auch nicht wirklich weiter. Zumindest hat das Schauspiel der als Madame Eva verkleideten Scham bewirkt, dass ich mir ihrer Anwesenheit bewusster werde und ihr Wirken im Alltag erkennen kann.

      Der Richter

      Die nächste Marionette, die sich mir vorstellt, trägt eine tiefschwarze Robe mit einer übergroßen Kapuze. Ihre gesamte Gestalt wirkt groß und übermächtig. Bevor sie mir ihre Karte zum Lesen überreicht, gibt sie mir zu verstehen, dass ich mich vor ihr niederknien und meinen Blick senken soll. Ihre imposante, dunkle Erscheinung wirkt so furchteinflößend, dass ich ihrer Anweisung, ohne zu fragen, folge. Sie greift in ihre Robe, zieht ihre Karte hervor und wirft sie vor mir auf den Boden. Zögerlich lese ich, was dort geschrieben steht:

      Künstlername: Richter

      Ursprünglicher Name: Schuld

      Genre: schwarzes Drama

      Kleidungsstil: tiefschwarze Robe mit übergroßer Kapuze

      Besonderes Merkmal: riesige Gestalt, ausgestreckter Zeigefinger, neunschwänzige Peitsche

      Angst überfällt mich. Reicht es nicht, dass sich mir beim bloßen Anblick bereits die Nackenhaare sträuben? Braucht sie jetzt wirklich noch eine neunschwänzige Peitsche, um ihrer Macht Ausdruck zu verleihen? In mir verkrampft sich alles. Mit gesenktem Blick hebe ich die Karte vom Boden auf und reiche sie ihr mit zittrigen Händen. Aufzuschauen getraue ich mich nicht, so machtvoll und beängstigend ist ihre Erscheinung.

      Meine unterwürfige Haltung scheint sie gnädiger zu stimmen. Sie lässt sich herab und reicht mir die Hand, um aufzustehen. Mit einer harschen Kopfbewegung fordert sie mich auf, ihr zu folgen. Ich versuche, mein Zittern unter Kontrolle zu halten, und folge ihr in gebührendem Abstand. Auf einer Lichtung inmitten eines dunklen Waldes bleibt sie stehen. Am Ende der Lichtung kann ich die verwitterten Reste einer uralten Kirche erkennen, in deren Mitte ein steinerner Altar aus grauer Vorzeit thront. Der Waldboden ist mit feuchten Blättern bedeckt. Es ist Herbst und erste Nebelschwaden ziehen auf. Ein eisiger Wind weht über die Lichtung, verfängt sich in meinen Haaren und beginnt, mit ihnen zu spielen. Mit einem düsteren Blick gibt mir die Marionette zu verstehen, dass ich hier stehen bleiben soll, während sie weitergeht und hinter dem Altar ihren Platz einnimmt. Die große, schwarze Kapuze ihrer Robe wirft Schatten auf ihr Gesicht, was sie noch furchteinflößender erscheinen lässt. Mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger zwingt sie mich, vor sie zu treten. Wie durch ein unsichtbares Band verbunden zieht sie mich näher und näher zu sich heran, bis ich direkt vor dem Altar zu stehen komme. Ihr durchdringender, stechender Blick findet seinen Weg in mein Innerstes und lässt mich erstarren. Ich sinke wieder auf die Knie und erst jetzt entdecke ich, dass sie in der anderen Hand eine neunschwänzige Peitsche hält. Vor Angst fange ich an zu beben. Mit erhobenem Zeigefinger, in der anderen Hand die neunschwänzige Peitsche haltend, donnert ihre mächtige Stimme auf mich herab: „Du bist schuld! Schuldig! Schuldig! Schuldig! Im Namen aller Völker, im Namen aller Götter – du bist schuldig!!“

      Jedes „Schuldig!“ ein Peitschenhieb, bis ich zerfetzt und blutig am Boden liege. Klein und wertlos. Abfall, der des Wegtragens nicht wert ist.

      Die Marionette tritt hinter dem Altar hervor, beugt sich zu mir nieder und fragt mich mit vor Sarkasmus tropfender Stimme, ob ich ihre Karte nochmals sehen möchte. Kopfschüttelnd lehne ich ihr Angebot ab. Ihre Vorstellung war einprägsam genug.

      Ruhig bleibe ich liegen und warte, bis das Schauspiel an Kraft verliert. Das ist ja eindrucksvoller als ein Psychothriller. Die peitschenden Worte „Du bist schuldig!“, hallen in mir nach. „Ich bin schuldig! Ich bin schuldig!“ Immer wieder sage ich diese Worte zu mir, bis sie sich in Tränen auflösen. „Oh Gott, ich fühle mich so verdammt wertlos. Ich habe es nicht verdient zu leben – und schon gar nicht zu lachen oder gar zu lieben. Nimm mich einfach fort von hier!“ Als ich diese Worte laut zu mir selber spreche, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Deswegen kann ich also niemals wirklich frei lachen, tanzen und singen! Wer schuldig ist, darf das nicht! Erneut fließt ein Tränenstrom aus mir heraus. Mit tropfender und schniefender Nase frage ich mich, ob das Wirken der Schuld vielleicht auch der Grund sein kann, wieso ich immer Partner wähle, die mich mit Nichtachtung strafen, mich schlagen oder betrügen? Das wäre verrückt. Doch, wieso heißt es denn „Schulden machen“ und nicht einfach „Leihgabe“? Es wäre doch möglich, dass dieses Schuldgefühl in mir dafür sorgt, dass ich in meinem Alltag nicht vergesse, wie unwürdig ich bin. Wenn ich mich tief in mir drin so schuldig fühle, habe ich es doch nicht anders verdient. Wenn ich mich selbst als wertlos, als Abfall empfinde, wie kann ich dann etwas Gutes, Wahres und Schönes überhaupt annehmen? Vielleicht habe ich deswegen die Männer, die mich wirklich auf Händen getragen hätten, abgelehnt und immer wieder Schulden gemacht, wenn ich kurzzeitig „frei von Schulden“ war. War die Schuld СКАЧАТЬ