Deutschenkind. Herbjørg Wassmo
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Deutschenkind - Herbjørg Wassmo страница 10

Название: Deutschenkind

Автор: Herbjørg Wassmo

Издательство: Автор

Жанр: Современная зарубежная литература

Серия:

isbn: 9783867548663

isbn:

СКАЧАТЬ Und er hatte sich tief in sie hineingegraben und die Sicherheit gefühlt, einen Menschen bei sich zu haben, der ihm mindestens ebenbürtig war im Körper und im Willen. Sie waren wach beieinander, bis der Tag kam und die Arbeit mit dem großen Vorschlaghammer vor dem Bett wartete. Beide lebten voller Wärme und Nähe füreinander. Beide wussten.

      Rakel schaffte sich eine Katze an.

      Der Regen hatte sie überfallen, und unter den Bergkämmen lag der Nebel, dicht wie alte Bosheit.

      Die Berge im Süden gehörten nicht mehr zur sichtbaren Welt. Die Leute heizten ein, schlossen die Haustüren und maulten über die undichten Fenster. Sie suchten Wolljacken und -hosen hervor und grausten sich vor dem notwendigen Geschäft in dem kleinen Häuschen.

      Man knöpfte alles gut zu, wenn man hinausging. Die Gesichter lugten weiß und leuchtend aus den Kleiderbündeln, wenn man unterwegs Menschen traf.

      Am liebsten hockten sie dicht beieinander in den eigenen vier Wänden. Hielten Abstand zu allem, was außerhalb war. Da gab es kein Rufen mehr über Gartenzäune, von denen die Farbe abgeplatzt war, und über rostige, quietschende Wäschegestelle. Die Kartoffeln waren im Haus. Die paar Johannisbeeren, die noch an den Sträuchern hingen, sollten in Gottes Namen die kleinen Vögel fressen.

      Einige Laken und Kissenbezüge hingen dort draußen zwischen den Unterhosen und tanzten im Wind. Aber am Morgen knackte es gewöhnlich in ihnen, wie sie da so in Reih und Glied hingen und sich steif hin und her bewegten. Sie baumelten wie vergessene Leichen in dem eisigen Luftzug.

      In Bezug auf die Unterwäsche besteht ein großer Unterschied zwischen einem Nordnorweger und einem Südnorweger.

      Der Wintermensch hat bedeutend weniger in sich, ist aber umso besser ausgerüstet.

      Das Leben am Kai verlief träge. Es war, als ob beim Winterfischfang an Treibstoff gespart würde. Auf ihren Booten gingen die Männer rund um die Ladeluken und hatten nichts zu tun. Große Hände schlenkerten an der Ölhose entlang oder pusselten ein wenig mit dem Tabak und der Pfeife herum.

      Ab und zu rissen die Männer sich zusammen und schlugen in rasendem Tempo die Arme über der mit der Arbeitsbluse bekleideten Brust zusammen, bis die Hände von der stärkeren Durchblutung und vom Frost glühten.

      »Was treibst du dich denn hier rum?«, konnten die Männer irgendein Kind anschreien, das den Südwest nicht respektierte, sondern einen Spaziergang zwischen den Hütten oder hinter den Bootsschuppen machte.

      Aber viele Männer waren auch um diese Zeit gutmütig und hatten nicht vergessen, dass sie selbst einmal jung gewesen waren. Diese Männer hatten oft leisen Spott im Auge und ein Scherzwort im Mundwinkel, wenn Tora und die Tausendheimbande vorbeikamen.

      Regennasse, glühende Gesichter und quatschende Schuhe an dem einen Tag, eiskalte, schmerzende Finger und triefende Nase am anderen. So war das eben.

      Galoschen mit einem Einmachgummi über dem Rist an dem einen Tag und dicke Socken am anderen.

      Den ganzen Oktober und November war es grau und neblig, aber die Nächte waren trotzdem eiskalt und schlimm und hatten einen tückischen Mond, der für den nächsten Tag gutes Wetter versprach und log. Denn lange bevor die Hühner draußen im Schuppen der Kampfertropfen-Anna zu rumoren anfingen und allmählich an den Tag glaubten, goss es von einem lebensfeindlichen Himmel herunter und gluckste und rann in den morschen Dachrinnen vom Tausendheim. Die Männer trafen sich in dem neuen Laden in Nordvika oder in der alten, dunklen Hütte von Ottar. Sie schwatzten und blieben hängen. Nach ein paar Stunden kam vielleicht der eine oder andere darauf, dass er noch einkaufen musste. Das brauchte dann auch seine Zeit und hatte keine große Eile.

      Ottar stand hinter dem Ladentisch und wog ein bisschen und maß ab. Er rechnete und beteiligte sich an den Klagen über das Wetter, wenn er gerade nichts anderes zu tun hatte.

      »Der Teufel soll das Wetter holen«, konnte er ehrlich überzeugt und mit mühsam unterdrücktem Zorn sagen, wenn er den Südwester aufsetzen musste, um nach draußen zum Lager zu gehen und Heringe oder Sirup zu holen. Denn Ottar hatte einen »Scheitel«.

      Die dünnen Haare von unbestimmter Farbe waren sorgfältig gekämmt, mit einem Scheitel auf der rechten Seite. Das hätten sie damals in Bodø so gehabt, als er dort als Verkäufer gearbeitet hatte, erklärte er stolz.

      Bei den täglichen Anforderungen hatte er natürlich nicht die Zeit, sich dauernd zu kämmen, deshalb benutzte er einen großen Südwester, wenn er nach draußen musste. Dieser hing stets griffbereit auf einem Nähgarnröllchen hinten bei der Tür mit dem abgesprungenen Emailleschild, das die Aufschrift PRIVAT trug.

      Aber lästig war es sowohl mit dem Südwest, der draußen wütete, als auch mit dem Südwester, der drinnen am Haken hing. Es konnte ihm passieren, dass er schon am Kai war, bevor er sich an seine Kopfbedeckung erinnerte. War es windig, was sehr oft der Fall war, dann war der ganze Scheitel zum Teufel. Dann musste er hinauf ins Private eilen und seine Haare in Ordnung bringen, während kostbare Verkaufsminuten sich in Luft auflösten. Denn die heimliche kleine Glatze musste vertuscht werden, koste es, was es wolle.

      Das Wetter war nicht dazu angetan, dass ein armer Teufel wegen eines Mittagessens nach draußen schleichen mochte. Gute Mächte schienen zu meinen, sie sollten mit den Händen im Schoß dasitzen und sich zu Tode hungern, obwohl die Speisekammer gleich vor dem Kai lag. Die Männer spuckten in den großen Napf an der Tür, ob sie nun Tabak kauten oder nicht, und waren sich einig.

      Tora saß auf einer Tonne hinten in der dunkelsten Ecke und wartete. Sie hatte eine Liste mit dem wenigen, was sie einkaufen sollte.

      Die Wollstrümpfe kratzten. Die Mutter hatte sie ihr auch dieses Jahr wieder aufgezwungen. Jedes Mal, wenn jemand kam oder ging, spürte sie den Luftzug langsam herangleiten und genau die Stelle finden, wo die Hosenkante aufhörte und die bloße Haut zum Vorschein kam, weil sie im letzten Sommer so gewachsen war, dass die Strümpfe zu kurz geworden waren. Sie merkte die Kälte nicht sofort, die schlich gleichsam lauernd, wie mit Eisnadeln, die Schenkel herauf.

      Ihr graute vor dem Augenblick, da Ottar ihr zunicken würde und sie an der Reihe wäre, denn sie hatte auch heute kein Geld mit. Nur den Zettel, feucht von den schweißnassen Händen und dem Regen. Auf dem Zettel stand in Ingrids Schrift:

      ¼ kg Kaffee

      1 kg Margarine

      1 kg Weizenmehl

      100 g Hefe

      1 l Sirup

      Kannst du das bitte anschreiben, bis ich herunterkomme?

      Ingrid

      Ottars Gesicht warf Falten in der verkehrten Richtung und wurde ein wenig dunkler, als sie ihm den Zettel gab. Er räusperte sich und holte ihr die Waren. Danach nahm er das große, dicke Buch, das einmal grün gewesen war und ein marmoriertes Muster in allen Farbschattierungen aufwies.

      Langsam und traurig suchte er Ingrid Tostes Namen, den Zeigefinger drohend vor sich haltend. Dann fügte er den neuen Betrag zu den vielen anderen, die schon dastanden. Zuletzt schlug er das Buch mit einem Knall zu und seufzte halblaut.

      In dieser ganzen Zeit war Tora von einem Fuß auf den anderen getreten und hatte das Gefühl gehabt, Ameisen zwischen ihren Kleidern und dem Körper herumkrabbeln zu spüren.

      Dauernd hätte sie Pipi machen können. Obwohl sie sich, bevor sie in den Laden gegangen war, noch hinter den hohen Holzzaun СКАЧАТЬ