Название: 1918
Автор: Johannes Sachslehner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990402566
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Nur an der Front „frei und glücklich“: Leutnant Otto Gallian – Soldat für den Kaiser und den „Führer“.
Nur die Gebirgsfront hatte sich auch heute wieder brav gehalten; dort ist das zersetzende Gift aus dem Tale noch nicht auf die umkämpften Höhen gelangt. So kommt es zur traurigen Erkenntnis, dass auch der militärische Widerstand hiermit erledigt ist und es jetzt nur mehr darauf ankommt, an die weiteren Konsequenzen der gänzlich verunglückten Politik zu denken. Diesbezüglich zeigt sich, dass die revolutionären Umtriebe im Hinterland immer ärger werden; Nationalräte, -ausschüsse, -garden etc. gemahnen lebhaft an die Ereignisse im Jahre 1848; wir stehen bereits mitten in der Revolution!“
Anton von Pitreich ist einer jener führenden k. u. k. Offiziere, die an der Konstruktion einer österreichischen „Dolchstoßlegende“ arbeiten und schreiben, eigene militärische Versäumnisse und Unzulänglichkeiten, fehlende Vorbereitung, auch unter den zweifellos schweren Umständen, werden in diesen Aufzeichnungen verschwiegen; so hatte Generaloberst Freiherr Wenzel von Wurm, der Kommandant der Isonzoarmee, noch bis zum Abend des 26. Oktober gemeint, dass man es beim Angriff der Alliierten auf die Insel Papadopoli bloß mit einem Ablenkungsmanöver zu tun hätte – und war dann überrascht, als plötzlich wenige Stunden später massiert britische Infanterie über die Insel hinweg angriff.
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Baden bei Wien, Armeeoberkommando. Einen bewegten Tag hat auch Generaloberst Arthur Albert Baron Arz von Straußenburg hinter sich, seit 1. März 1917 Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht Österreich-Ungarns und Generalstabschef des Armeeoberkommandos. Der gebürtige Siebenbürger hat so wie Pitreich eine glänzende Karriere im Generalstabsdienst und bei verschiedenen Kommanden hinter sich, sein Vorbild und Vorgänger Conrad von Hötzendorf hatte ihm schon 1907 in einer Dienstbeschreibung nur das beste Zeugnis ausgestellt: Hervorragend taktvoll, weltmännisch, sehr gewinnendes Auftreten, würdevolle Repräsentation, eignet sich speziell zu Ehrendiensten bei allerhöchsten und höchsten Herrschaften sowie zu repräsentativen Missionen im Ausland … ist stets im Gleichgewicht … vollendeter Kenner des gesamten Dienstbetriebs … fürsorglich für die Truppe … zum Regimentskommandanten hervorragend geeignet … besitzt in vollem Umfang alle Qualitäten sowohl als Truppenführer wie für leitende Stellen der Zentralbehörde.
Nun jedoch scheint diese erfolgreiche Laufbahn einem düsteren Ende zuzusteuern. Aufgewühlt, schlaflos analysiert der Dirigent der k. u. k. Armeen die Lage, lässt die Ereignisse des 27. vor seinem Auge abrollen. Um 7 Uhr morgens waren die Allerhöchsten Majestäten, Kaiser Karl und Kaiserin Zita, mit dem Hofzug am Südbahnhof eingetroffen und hatten sich anschließend zur Entwirrung der österreichischen Krise sofort nach Schönbrunn fahren lassen. Arz war als Verantwortlicher für die militärische Lage als Erster beim Monarchen zum Vortrag geladen – und bei diesem Gespräch gab es die erste böse Überraschung: Er erfuhr, dass mit dem Hofzug auch Graf Mihály Károlyi nach Wien gekommen sei, der Mann, der als Kandidat der radikalen nationalen Kräfte neuer Ministerpräsident in Ungarn werden möchte. Der Generaloberst ist entsetzt, beschwört den Kaiser, Károlyi nicht zum Chef des ungarischen Kabinetts zu ernennen, er sei das Unglück der Monarchie – noch klingen ihm die Worte des Magnaten vom 16. Oktober im Ohr: Wenn wir nicht stürmisch die Gemeinsamkeit mit Österreich aufheben, so werden wir nicht nur den Krieg, sondern auch den Frieden verloren haben …
Beeindruckt vom Widerstand Arzens, der in Ungarn am liebsten eine Militärdiktatur errichten und Károlyi ins Gefängnis werfen lassen möchte, lässt Karl daraufhin den Grafen nicht nach Schönbrunn kommen und in seinem Zimmer im Hotel Bristol „verhungern“, auch die geplanten Gespräche von Károlyi mit Lammasch und Andrássy finden nicht statt; gegen Mittag kann Karl seinem Generalstabschef mitteilen, dass Károlyi noch am Nachmittag wieder abreisen werde. Als Ersatz für den radikalen Grafen fasst Karl den Honvédminister Baron Szurmay ins Auge und fragt bei diesem telefonisch an, ob er sich zutraue, das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen – Szurmay lehnt jedoch sofort entschieden ab; die Krise in Budapest ist damit prolongiert. Erst im Exil werden Karl und Zita erfahren, dass die Mitnahme Károlyis im Hofzug auch ihre gute Seite hatte: Radikale ungarische Eisenbahner beabsichtigten den Zug mit dem Kaiserpaar zu stoppen, verzichteten aber auf diese Aktion, als sie von der Anwesenheit des Grafen im Zug erfuhren …
Am Nachmittag hatte dann Feldmarschall Erzherzog Joseph von der Front in Italien kommend in Wien kurz Station gemacht. Kaiser Karl hatte dies zu einem Gespräch mit dem ehemaligen Kommandanten der Heeresgruppe Tirol genutzt und Eindrücke gewonnen, die ihn alles andere als optimistisch stimmten: Auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden bei Asiago hatten ungarische Truppen, die 27. und 38. Honvéddivision, gemeutert, weitere Meutereien würden nur mehr eine Frage der Zeit sein. Der Abschluss eines Waffenstillstandes, so Erzherzog Joseph, müsse daher sofort ins Auge gefasst werden. Karl und auch Arz stimmen dieser Ansicht zu; der Kaiser will zunächst aber eine Lösung für das ungarische Problem finden und greift nun eine Idee des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Dr. Sándor Wekerle auf: Er ernennt den 46-jährigen Erzherzog Joseph, den ältesten Sohn von Erzherzog Joseph Karl Ludwig, zum homo regius, zum „Stellvertreter des Königs“, der als solcher zwischen den rivalisierenden Parteien vermitteln solle. Erzherzog Joseph erklärt sich mit dieser ehrenvollen Aufgabe einverstanden, erbittet sich jedoch zur Unterstützung eine zuverlässige Division, vor allem ein Regiment, das ihm Treue geschworen habe. Der Kaiser sagt zu, man kommt überein, dass diese Einheiten so rasch wie möglich nach Budapest verlegt werden sollen.
Erzherzog Joseph hatte sich daraufhin sofort zum Ostbahnhof bringen lassen; um 14 Uhr 30 rollte der Schnellzug nach Budapest aus der Station. Am Ende des Zugs war der Salonwagen Erzherzog Josephs angehängt worden; unter den Fahrgästen auch – Graf Mihály Károlyi, der am Vormittag vergeblich darauf gewartet hatte, beim Kaiser einen Gesprächstermin zu erhalten. Angeblich, so berichtete später etwa Prinz Ludwig Windisch-Graetz, Sektionschef im Ministerium des Äußeren, hätte Karl ihn mit Andrássy vertrösten wollen, auf ein Treffen mit seinem Landsmann und Schwiegervater im Ministerium soll wiederum der höchst aufgebrachte Károlyi keinen Wert gelegt haben – die Abneigung der beiden gräflichen Herren zueinander beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit: Andrássy hatte sich seinerseits geweigert das Außenamt zu übernehmen, sollte sein Schwiegersohn Károlyi Ministerpräsident in Budapest werden. – „Wenn Sie Károlyi ernennen, können Sie mich genauso gut in ein Irrenhaus schicken, dort würde ich mehr am Platze sein!“, war angeblich Andrássys Kommentar auf Karls Vorschlag gewesen. Nun versucht Károlyi sein Glück beim Erzherzog, der ihn im Beisein seiner Frau, Erzherzogin Augusta, im luxuriös ausgestatteten Salonwagen empfängt. Aber auch hier kommt er nicht weiter, der Erzherzog, nicht unbedingt ein Freund des ehrgeizigen Adeligen im Dienste der Revolution, lässt sich zu keinerlei konkreten Erklärungen bewegen. Ich fühlte instinktiv, dass, während der König Hals über Kopf dem Untergang entgegeneilte, der Erzherzog bestrebt war, für sich zu sichern, was nur möglich war.
Erfreulicher für Károlyi, der überzeugt war, dass der Kaiser ihn hatte fallen lassen, sollte seine Ankunft in Budapest verlaufen: Tausende Menschen bereiteten ihm am Bahnhof einen stürmischen Empfang, hatte man doch fest damit gerechnet, dass er als Ministerpräsident zurückkehren würde, nun war man überzeugt, dass er Opfer eines schmutzigen Tricks des Königs geworden wäre. „Wenn du nicht als Ministerpräsident des Königs gekommen bist, so werden wir dich zum Ministerpräsidenten des Volkes ernennen!“, meinte sein Freund Martin Lovaszi bei der Begrüßung zu ihm. Gleichzeitig demonstrierte man gegen den Erzherzog – „Diktator Erzherzog!“, „Wir brauchen keinen Diktator!“ und СКАЧАТЬ