Singapur – oder tödliche Tropen. Volker Schult
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Singapur – oder tödliche Tropen - Volker Schult страница 9

Название: Singapur – oder tödliche Tropen

Автор: Volker Schult

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783961450244

isbn:

СКАЧАТЬ er schon seine offizielle Schlussfolgerung: Langkawi ist als Kohlenstation außerordentlich geeignet. In einem geheimen Zusatz, der aber ausschließlich für Berlin bestimmt ist, wird es dann heißen: Außerdem ist ihr militärischer und ihr wirtschaftlicher Wert ein so großer, dass der Erwerb der gesamten Insel als Stützpunkt nur wärmstens befürwortet werden kann. Das Codewort dafür lautet: „Iltis schwimmt sehr gut.“ Aber das weiß außer ihm nur noch Admiral Tirpitz.

      Jetzt erst merkt Kurz, wie ausgelaugt er ist, obwohl er sich im Innersten unruhig fühlt. Kribbelig. Ein verrückter Zustand. Merkwürdig. Wahrscheinlich machen das der Alkohol und die besondere Atmosphäre einer Tropennacht.

      Während Wilhelm Kurz noch über seinen Geheimauftrag nachdenkt, ist Liang, Hengs Tochter, auf dem Weg zum Bungalow mit den versprochenen Erfrischungen. Kurz davor bleibt sie abrupt stehen. Genau in diesem Bungalow ist etwas anderes vor gar nicht so langer Zeit geschehen. Sie ruft sich das Gesicht des weißen Mannes ins Gedächtnis. Und dabei hatte sie sich wirklich in ihn verliebt. In der Nacht erwiderte er auch ihre Liebe, so meinte sie jedenfalls. Und nun denkt sie mit Furcht an ihren zukünftigen chinesischen Ehemann, dem sie durch ihre Familie versprochen ist. Gedankenverloren streicht sich über ihren Bauch, bleibt einige Sekunden regungslos stehen.

      Spontan fasst Liang einen Entschluss.

      Sie klopft an die Tür und ihre schlanke Gestalt huscht in den Bungalow. In der einen Hand hält Liang eine Karaffe mit Wasser, in der anderen Hand einen Teller mit Erfrischungen. Sofort fallen Wilhelm Kurz die langen schwarzen Haare, das runde Gesicht mit den strichförmigen Augen, der zierliche Körperbau und ihre grazilen Züge auf.

      Verstohlen schaut sie Wilhelm Kurz an, der darüber etwas verwirrt scheint. In einem halbwegs verständlichen Englisch beginnt Liang ein kleines Gespräch mit dem Fremden zu führen. Der ist zunächst überrascht, lässt sich dann aber darauf ein. Natürlich weiß Liang schon von der anderen Langnase, in die sie sich verliebt hat, und von ihrem Vater, warum der schneidige deutsche Marineoffizier auf der Insel weilt.

      „Gefällt es Ihnen hier, mein Herr?“, flötet Liang fragend mit junger Stimme und in einem lieblichen Tonfall, wobei sie ihren Kopf dezent senkt. Ihr Mund lächelt sanft.

      „Äh, äh, ja, ja doch“, kommt es stotternd aus Wilhelm Kurz Mund. Dann wird ihm klar, dass diese Worte deutlich zu wenig und zu allgemein sind.

      „Nein, wirklich. Es ist ausgesprochen schön hier. Geradezu fantastisch. Eine tropische Wunderwelt, wie ich sie noch nie gesehen habe“, betont er.

      „Mein Herr, Sie haben einen wirklich wertvollen Auftrag für Ihr Land zu erfüllen“, lenkt Liang wie zufällig das Gespräch auf Kurz Auftrag. Der will sie unterbrechen, doch Liang kommt ihm zuvor.

      „Mein Herr, bei uns ist es Brauch, jemanden bei einer so wichtigen Mission Glück zu wünschen und ihm ein kleines Geschenk zu machen.“

      Ohne den Blick von Wilhelm zu lassen, wandern ihre Hände zu ihrem Nacken. Dort öffnet sie den Verschluss ihrer Halskette.

      „Es ist ein Familienschmuckstück, ein Jadeamulett, das die Form einer Acht hat.“

      Regungslos verfolgt Wilhelm die Szene mit großen Augen.

      „Die Zahl acht“, so erklärt Liang, „ist die Glückszahl bei uns Chinesen.“

      Dabei nimmt sie die Kette von ihrem Hals und übergibt sie Wilhelm. Der ist vollkommen gerührt. Sprachlos. Schaut das Jadeamulett in seinen Händen an, sammelt seine Gedanken. Nur langsam findet er Worte.

      „Das ist ja überaus reizend und eine sehr freundliche Geste. Von wem, wenn Sie mir erlauben zu fragen, habe ich dieses unglaublich schöne Geschenk bekommen?“

      „Liang, mein Herr. Meine Name ist Liang.“

      „Ein reizender Name, Liang. Also, Liang ganz ganz herzlichen Dank. Es möge mir Glück bringen. Das habe ich dann Ihnen zu verdanken.“

      Dann weiß Wilhelm Kurz nicht weiter. Soll er ihr einen Handkuss geben? Tut man das hier überhaupt? Vielleicht wird das auch missverstanden. Und das ist das allerletzte, was er bei seinem Auftrag gebrauchen kann. Bloß kein unnötiges Aufsehen erregen. Vorsichtig, als ob es zerbrechen könnte, legt er das Amulett auf den Tisch. Fast gleichzeitig beginnt Liang das Bett von Wilhelm Kurz herzurichten und streicht das Laken unter dem Moskitonetz straff. Danach verabschieden sie sich und wünschen einander eine gute Nacht.

      Währenddessen dauert es Vater Heng zu lange, bis seine Tochter zurückkommt. Sie sollte doch nur schnell die versprochenen Erfrischungen vorbeibringen. Deshalb schickt er Liangs jüngeren Bruder hinterher. Kurze Zeit später kommt der atemlos zurück und berichtet seinem Vater, dass er eine weibliche Gestalt im Schatten der Petroleumlampe im Zimmer dieser Langnase gesehen hat, wie sie sich über das Bett gebeugt hat. Das kann nur seine Schwester gewesen sein. Schockiert ist er deshalb sofort zurückgelaufen, um Vater Heng davon zu berichten.

      Als Liang nach Hause zurückkommt, bemerkt sie den strengen Gesichtsausdruck ihres Vaters.

      „Was hast du in dem verfluchten Zimmer der Langnase so lange gemacht?“, fragt er Liang mit ernster Stimme.

      Liang bleibt wie erstarrt stehen und schaut zu Boden. Die Sekunden der Stille kommen ihr wie eine Unendlichkeit vor. Dann bricht Liang zusammen, schluchzt und fängt an zu weinen.

      Während Wilhelm Kurz unter dem Moskitonetz bereits in einen unschuldigen Schlaf gesunken ist, erzählt Liang ihrem Vater stockend und mit tränenerstickter Stimme, dass diese elende Langnase sich an ihr vergangen hat. Ungläubig starrt Heng seine Tochter an. Er kann ihre Worte nicht begreifen. Dann holt er aus und schlägt seine Tochter rechts und links ins Gesicht. Danach will er wutentbrannt in den Nachbarbungalow stürmen und diesen schrecklichen Mistkerl, der ihm von Anfang an unsympathisch war, wie er jetzt meint, den Garaus zu machen. Er hat schon die Messerklinge in der einen Hand und ist dabei, die Klinke der Tür herunterzudrücken.

      Doch dann hält er inne, unterdrückt seinen ersten Impuls, versucht sich etwas zu beruhigen und fängt an nachzudenken. Wenn er jetzt zur Tat schreitet, kommt alles heraus. Zwar ist der Schänder dann tot, aber die Schande seiner Familie ist auch öffentlich. Nein, sagt er sich. Zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, ist die Tugend der Stunde.

      Dieses Jahr steht im Sternzeichen des Schweins, dem letzten im zwölfjährigen Zyklus des chinesischen Kalenders. Im nächsten Jahr fängt es mit der Ratte wieder von vorne an. In erster Linie wird das Schwein mit Fruchtbarkeit und Potenz verbunden. Ein Kind im Jahr des Schweins zu bekommen gilt als großes Glück.

      Aber natürlich nicht unter diesen unwürdigen Umständen, denkt Heng. Eine Schande für die ganze Familie.

      Eigentlich steht das Schwein für Charakterzüge wie Mitgefühl, Großzügigkeit und Fleiß. Man genießt die Gesellschaft anderer und bringt den Mitmenschen viel Freude. Doch bei aller Gutherzigkeit des Schweins, wenn es verletzt wird – und das ist hier der Fall – kann es richtig böse werden. Und Heng ist richtig böse. Dazu hat er wohl auch allen Grund. So meint er.

      Außerdem genießen es Schweine, mehr auszugeben als zu sparen. Wie wahr, wie wahr, sagt sich Heng. Wirklich sparsam ist auch er, Heng, in diesem Jahr nicht gewesen. Aber sein Neffe Low hat es vorgemacht, wie man die Deutschen um ihr Geld erleichtern kann. Heng beschließt, von dieser deutschen Langnase eine erhebliche Geldsumme als Sühnegeld zu fordern. Dazu will er den Deutschen nach Singapur fahren lassen, um ihn in Sicherheit zu wiegen. In Singapur leben viele Mitglieder seines weitverzweigten Familienclans. Zum einen hat Heng dadurch größere Zugriffsmöglichkeiten auf die Langnase und СКАЧАТЬ