Название: ... und hinter uns die Heimat
Автор: Klaus-Peter Enghardt
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783957448422
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Manchmal verfehlte nach so einem üblen Wetter ihr Besuch jedoch sogar den eigentlichen Grund. Dann nämlich, wenn sie völlig durchnässt bei einer Familie eintraf und erst einmal »trocken gelegt« und aufgewärmt werden musste.
Nach zwei oder gar drei heißen Bärenfang war selbst der engagiertesten Lehrerin die Lust auf ernsthafte Schulgespräche vergangen. Viel lieber hörte sie sich dann die Erzählungen der alten Leute an, die endlich auf jemanden trafen, mit dem sie noch nicht über die Geschichten aus der alten Zeit plachandert hatten. Diese Gesprächsabende verschafften der jungen Frau jedoch schon bald Sympathien im Ort, denn es sprach sich herum, dass diese tüchtige Lehrerin nicht nur über die Probleme in der Schule sprechen wollte, sondern sich ihrerseits auch für die Belange der Menschen im Dorf interessierte und zuhören konnte.
Dass man die Dorfschullehrerin mitunter mittels zwei oder drei Gläschen Grog oder Bärenfang von den eigentlichen Themen abbringen konnte, blieb selbstverständlich unerwähnt.
An einem jener Abende, an dem die Schulprobleme eine untergeordnete Rolle spielten und Katharina sich wieder einmal die Geschichten und Erlebnisse aus alter Zeit anhören musste, trat die alte Frau Penschat mit einer Frage an die Lehrerin heran.
»Sajen Se mal Frollejn, man hat Se sonntachs noch nie nich in unsere Kirche jesehen, sind Se etwa nich jläubig? Es spricht sich schnell herum, wenn ejns nich in die Kirche jeht.«
»Liebe Frau Penschat, natürlich bin ich gläubig, in Köln bin ich mit meinen Eltern regelmäßig zum Gottesdienst gegangen. Es war ja sogar ein Einstellungskriterium, dass ich meine Glaubenszugehörigkeit nachweisen kann, aber ich hatte in den letzten Wochen so viel für die Schule zu tun, da blieben die Kirchenbesuche leider auf der Strecke. Meine Wirtin hat mich aber bereits zum Gottesdienst am nächsten Sonntag eingeladen.«
Die Antwort schien Frau Penschat zufrieden gestellt zu haben, denn sie schabberte nun über den allgemeinen Dorftratsch. Herr Penschat hatte auf seinem Stuhl am Ofen gesessen und stand missmutig brummelnd auf, um sich einen Knösel zu stopfen. Ihm missfiel es, wenn seine Frau den Dorftratsch weitergab, da paffte er aus Protest dicke Qualmwolken an die Decke.
Am Donnerstag fuhr Katharina zum Vorwerk Eichgraben, um sich den Müttern einiger ihrer Schüler vorzustellen und mit ihnen über ihre Sprösslinge zu sprechen.
Die Vorwerke Eichgraben, Karlshof und Buchwäldchen waren nur auf unbefestigten Wegen zu erreichen, die vorbei an hügeligen Feldern durch einen dichten Wald führten.
Der Regen der letzten Tage hatte die grundlosen Wege aufgeweicht und die Lehrerin sank auf freier Strecke mit ihren Rädern im Schlamm ein, sodass sie mit einem beherzten Sprung von den Pedalen direkt in den Schlamm hopsen musste. Leise fluchend schob sie ihr Fahrrad durch den Morast auf festen Weg und stieg schließlich wieder auf.
Ihre Schuhe waren bis zu den Knöcheln beschmutzt, doch die Lehrerin setzte ihren Weg unbeirrt nach Eichgraben fort, denn was sie sich einmal vorgenommen hatte, das führte sie auch zu Ende.
Bereits wenige Tage später waren auf dem Weg nach Buchwäldchen die tiefen Fahrspuren der eisenbeschlagenen Räder der Pferdefuhrwerke gefroren.
Die junge Frau zog es nun vor, ihr Fahrrad zu schieben, ehe sie womöglich in eine der gefrorenen Rillen geriet und stürzte.
Von einer Anhöhe aus konnte sie das Vorwerk Buchwäldchen sehen und war froh, dass sie den beschwerlichen Weg fast geschafft hatte, doch gänzlich aufatmen würde sie erst, wenn sie wieder wohlbehalten in ihrer Wohnung angekommen war. Ihr schoss plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass dies der tägliche Schulweg einiger ihrer Schüler war, egal ob bei Sonne, Regen oder Schnee, doch gerade die Schüler aus diesen abgelegenen Vorwerken waren fast immer pünktlich, und vor allem, sie schwänzten nie.
Als Katharina eines Tages nach der Schule nach Hause kam, lächelte ihre Wirtin sie geheimnisvoll an und deutete mit einer Kopfbewegung zum Küchentisch. Dort lehnte an ihrer Kaffeetasse ein Brief. Sie erkannte die Schrift sofort.
Den Brief hatte Wolfgang geschrieben und Katharinas Freude war riesengroß. Auch Marie hatte einen Brief von ihrem Sohn bekommen. Es schien ihm gut zu gehen, das zumindest verriet Maries Lächeln.
ZU WEIHNACHTEN IN KÖLN
Überhaupt hatte sich Marie in den vergangenen Wochen verändert. War sie bei der ersten Begegnung mit Katharina noch gezeichnet von der Trauer um ihren Mann, der an der Front gefallen war und lebte still und in sich gekehrt, voller Sorge um ihre Söhne, so hatte sie inzwischen ihre Lebensfreude wiedergefunden. Sie war eine wunderschöne Frau im besten Alter und hatte sogar wieder die Freude am Singen entdeckt. Seit kurzer Zeit besuchte sie wieder regelmäßig den Kirchenchor, in dem sie vor dem Tod ihres Mannes viele Jahre Mitglied war.
Katharina nahm den Brief an sich und lief eilig die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Sie schlüpfte aus Mantel und Schuhen, warf sich auf ihr Bett und öffnete den Brief. Als sie ihn las, konnte sie es nicht verhindern, dass sie weinte.
Wolfgang schrieb ihr mit zärtlichen Worten, dass er sie liebte, obwohl sie nur wenige Tage miteinander verbracht hatten. Von der Situation an der Front stand nicht viel im Brief, aber mit dem feinen Gespür einer Frau las Katharina zwischen den Zeilen die Befürchtung Wolfgangs, dass ihm in den kommenden Wochen wohl schwere Tage bevorstehen würden. An einen Urlaub zu Weihnachten war momentan nicht zu denken.
Das war sehr schade für Wolfgangs Mutter, denn Katharina würde über die Weihnachtsfeiertage auch nicht in Loditten sein, denn natürlich wollte sie das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel bei ihren Eltern verbringen.
Bereits zwei Tage später musste sich Katharina keine Sorgen mehr darum machen, dass Marie Schimkus das Weihnachtsfest allein verbringen muss, denn endlich, nach wochenlanger Sorge, kam ein Brief ihres zweiten Sohnes Georg, in dem er nicht nur mitteilte, dass es ihm gut ging, sondern auch, dass er einen Tag vor dem Heiligen Abend auf Weihnachtsurlaub kommt.
Nur wenige Tage dauerte es noch bis zum Heiligen Abend. Die Vorweihnachtszeit hatten beide Frauen gemütlich bei Kerzenschein in der Küche verbracht, doch an den Adventssonntagen saßen sie im Wohnzimmer bei leckerem Weihnachtsgebäck, das sie gemeinsam nach Rezepten ihrer Regionen gebacken hatten.
Es roch nach Plätzchen, Zimtsternen und Pfeffernüssen und im Kachelofen knisterte Tannenreisig, das einen würzigen Duft im Haus verströmte. In der »Röhre« des Kachelofens bereitete Marie Schimkus nebenher zwei leckere Bratäpfel, die ihren Duft bereits in der Stube verbreiteten. Am Abend gab es Glühwein, Grog oder heißen Bärenfang.
Katharina hätte nie gedacht, dass sie so weit von zu Hause eine so schöne Adventszeit erleben würde.
Inzwischen hatte es längst geschneit und noch nie hatte die Lehrerin solche Schneemassen erlebt.
Das Thermometer zeigte Temperaturen von minus elf Grad Celsius an, die in Köln nicht oft erreicht wurden. Zum Glück hatte sich die junge Frau rechtzeitig auf diese Temperaturen vorbereitet und von zu Hause wärmende Wintersachen und dicke, gestrickte Wollhandschuhe schicken lassen.
Der Schnee lag wie ein riesiger Watteteppich über dem Land. Die Eiskristalle funkelten wie Diamanten und der Vollmond strahlte so hell am Himmel, dass man selbst in der Nacht ohne Beleuchtung wunderbar sehen konnte.
Noch nie hatte Katharina so einen grandiosen Sternenhimmel erlebt. Von einem Horizont zum anderen tummelten sich abertausende Sterne am Himmel, die СКАЧАТЬ