Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert
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СКАЧАТЬ alte Frauen und Jungfrauen der Stadt versammelt, an welchen ich genug zu trösten hatte, denn ihrer keine hatte erlebt, was ich schon mehr erlebte: Gottes Rettung aus Todes-Nöthen.

      Ich sagte ihnen, daß beym Uebergang einer Stadt die ersten Stunden der Wut die fürchterlichsten seyn, so nun verfloßen. Auch des Mordens und der Gewaltthat werden die Teufel müde; die oberste Macht gebietet Stillstand, und das Stündlein der Gnade hat geschlagen.

      Auch das unsrige schlug. Man gelobte uns freyen Abzug, die Flügel der Domkirche öffneten sich, mein Oheim an unserer Spitze, wir alle ihm nach in geschloßener Ordnung zogen heraus.

      Als wir vorgeführet wurden vor den Tilly, graute mir doch ein wenig, wieder einen Savelli zu finden, maßen mir die Frauen, als wir aufgefordert wurden, selbst das Wort vor dem Sieger zu thun, einhellig das auftrugen, und das wol recht wider meinen Willen. Ich indeß, einen fast bejahrten grauhärigen Alten vor mir sehend, faßte ein Herz; dachte an den alten Senator von Pasewalk, den ich aus dem Feuer gerißen und dann bey uns in dortiger Kirche geborgen. Hat mir solcher noch beym Abschied geweissagt, ich werde allezeit Gnade finden bey den Alten. Wagts also, redete mit dem Tilly vernünftig, freundlich und herzhaft, daß er auch sagte: Jungfrau, ihr habt wohl geredet; was ihr bittet, soll geschehen, denn nun hat die Stunde der Gnade geschlagen.

      Ich gedachte also nun einzugehen in die Ruhe des stillen Hauses, welches der Jungfrau liebste Wohnung ist, maßen der Feldherr uns bringen ließ nach dem Neuenhofe, der ganz unversehrt geblieben von dem Feuer, und schier abgesondert war jeder dieser Stunden Erinnerung. Wolten dort arbeiten für der Verwundeten Verband, bis, wie mir versprochen war, ich und meines Oheims Töchter sicher Geleit erhielten gen Augspurg, zu den Fuggern, unsern Verwandten.

      Aber so hats mein Schicksal nicht gewolt; mußt erst noch tiefer hinein in das Unglück, mußt erst meinen trauten Schweden wiedersehen, und in welcher Gestalt!

      Als der Tilly sein Wort hielt und wir schon des zweyten Tages bereit waren in den Wagen zu steigen, ich mich fast freuend auf Augspurg, denn unter uns die Rede ging, der Schwede gedenke dort hin, bei welchem ich wol Einen wußte, der mir lieb war: da kam schnell Botschaft von dem Feldherrn, die andern Jungfraun möchten nur abreisen, aber die Margaretha Fuggerin solte eilig zu ihm kommen.

      Als ich dann kam, zitternd eben nicht, aber etwas verlegen, sagte er: Jungfrau, mir ist eben von euch gerühmt, daß ihr übernatürlicher Dinge kundig seyd, auch in der Heilkunst erfahren, und will ich, ihr solt hier bleiben, mir in beyden zu dienen. Ich will euch täglich sehen und von euch erfahren, was der Wallenstein aus seinen Sternen steht; doch solt ihr nicht bey mir wohnen, zu meiden bösen Verdacht: denn ob ich gleich gar alt und dafür bekannt bin, daß mir nie ein Weib behagte, so seyd ihr doch ein schönes Mensch, und die Welt ist bös. Es ist aber hier eine edle Jungfrau aus Thüringen, die Lucardis von Lichtenhayn, meines alten Waffenbruders Tochter, so ich nicht gewußt: die ist fliehend vor dem Eindringen eines meiner Hauptleute, etwa aus einem Fenster gesprungen, und hat sich das Bein verletzt ist aber gar schamhaft, will keinen Mann zu ihren Wunden sehen lassen, sondern lieber sterben. Gehet zu ihr, verbindet sie und wartet ihrer, das Arztlohn will ich euch zahlen.

      Schweigend gehorchte ich, und gehorchte, was das letzte betraf, herzlichen gern. Meine Basen waren einmal dahin: wo konnte mir, da ich hier bleiben mußte, beßer gerathen seyn, als in der ehrenhaften Nähe einer meines Geschlechts? Von der Lucardis heldenmüthigen Flucht an jenem Tage des Schreckens; wo der Jungfrauen viele den Tod wählten, hatten wir wol gehört, und bedenkend, daß heute war der dritte Tag nach dem Fall, habe ich fast geeilt zu ihr zu kommen; und sie reichte mir schwächlichen die Hand und nannte mich ihren Engel, gönnte mir auch sogleich des Schadens Ansicht, worüber ich sehr erschrocken, maßen Hülfe hier fast zu spät war. Als mir aber nach einigen Wochen es doch gelang sie zu heilen, und sie nur mit einem leichten Hinken, so ihr nicht übel ließ10, davon kam, da haben die Leute wieder Wunder geschrien und von verborgenen Künsten geredet. Ich, nicht wissend, was solch Gerücht mir bereits für Schaden gethan in eines Biedermannes edlem Herzen, lachte deß, widerlegts auch nicht groß, dankte aber heimlich Gott und meinem Vater, daß ich Gelegenheit gehabt, statt Saitenspiel, Sang und Tanz, den Künsten andrer Jungfraun, als wovon mir wenig bewußt, gefährlicher Wunden Behandlung aus dem Grunde11 zu lernen. Denke noch dran, daß mein Vater zu mir sagte: Margaretha, du hast zum Erbe den fuggerschen Namen, aber nicht den fuggerschen Reichthum; weil du nun auch geerbt hast der Fugger mildreiches Herz, so gehe aus in die Häuser, die deine Anherrn den Armen und Preßhaften12 bauten, und lerne lindern mit eigner Hand, was du nicht vermagst mit Gold und Gelde; bin also unter des seligen Licentiaten13 Weingarten Anweisung wohl gelehrt worden, in dem, was ich jetzo übte.

      Die Uebung des andern, was der Tilly mir aufbürdete, wurde mir schwer, denn, obschon gegen ihn hartnäckiglich leugnend, daß mir von verborgenen Dingen ichtwas14 bewußt, wie dem auch wahr war, mußte ich ihm am Ende doch seinen Glauben lassen. Meine Lucardis, mir durch die innigste Freundschaft verbunden, dazu ein Hoffräulein, des Sinns der Weltleute kundig, rieth mir allermaßen, nicht länger zu streiten mit des Feldherrn Wahn, sondern klüglich zu nutzen, was mir durch denselben in die Hand gegeben ward; und, hilf Gott! welch ein Schatz war dies! wär er früher mein worden, wärs gut gewesen für Magdeburg! die erlaubte Lust, die der Wüterich seinen Bluthunden meynte dort einen Tag oder einen halb gönnen zu müssen, hätte ich ihnen schon verkümmern wollen! Habe viel durch dies Mittel gehindert und gelindert, manche Grausamkeit zurückgehalten, hab auch oft den Feldherrn gewarnt vor eigner Gefahr, denn obschon er ein grausamer Tyrann war, so war mir doch etwas wie Dank gegen ihn in meinem Herzen, weil er mich ehrte und hochhielt, mir auch die Lucardis geschenkt, und oftermalen mir folgte; hoffte immer noch, ganz ihn herumzubringen, und einen Menschen aus ihm zu machen.

      Was mich am meisten hier schmerzte, war, daß ich eins seyn und scheinen mußte mit dem Feinde des Guten, mit dem Feinde der mir so theuren Schweden, die ich nie aus dem Sinne ließ, absonderlich den Einen, von dem ich oft jammerte gänzlich vergessen zu seyn; wär auch vergangen ohne Lucardis Trost, die nicht von mir wich, obschon sie dessen Erlaubniß hatte von dem Freunde ihres Vaters. Sie besaß ein schönes Schloß in Thüringen auf einem Felsen am Ufer der Saale, vom Kriege noch unversehrt; hätte auch wol dort ruhig leben können, wärs ihr möglich gewesen mich zu verlassen.

      Wie viel Tage nun verfloßen in solchem Zustand, wie auch des Kriegs wechselnde Auftritte, das laßt euch von eurem Vater erzählen, ihr Töchter! Ich eile zum letzten meiner Unglücksfälle; ach, zu jenen Tagen in 1632sten Jahr nach unsers Herrn Geburt, da Friedrich von Lilienström sich losriß auf ewig von seiner Margaretha — wie er meynte, muß ich sagen! O hätte ichs damals geahndet, einst noch sein zu werden, und so glücklich!

      Im May, in der schönsten Pracht des Frühlings war es, da wir uns Leipzig näherten, und war wol dieser guten Stadt das nämliche Schicksal zugemessen, wie Pasewalk und Magdeburg. Alle mein Bitten und Warnen half diesmal bey dem Tyrannen nichts, und sah ich wol, daß ich nichts geschafft an seinem bösen Herzen, auch hier wenig Gehör finden würde im Lindern und Retten. Es hielt mir der General unabläßig vor der Leipziger Unbesonnenheit und Tücke, indem sie ihm die Zufuhr des Proviants abgeschnitten, auch, als er letztmals nahte jetzt im Herbst, in ihre eigene Eingeweide wüthend, ihm zum Trotz und Hinderung alle Vorstädte abgebrannt bis zum hallischen Thor.

      Die Tage, zum Untergang Leipzigs bestimmt, waren schon genannt; persönlich der Stadt nahend, um einsam einiger Umstände Augenkunde einzunehmen, fand sich kein Zugang für den Feldherrn, als am besagten Thor. Mir war fast Angst über dem Schicksal der armen Stadt, denn solche persönliche Erkundigungen des Generals waren immer, wie ich aus den Berichten seiner Leute wußte, Vorboten des Unwiderruflichen. Lucardis und ich brüteten über Nacht einen Anschlag aus, den einzigen, durch arglistige Kunst erfunden, der schaden konnte indem er half, dessen ich mich je bezüchtigen kann, der aber im Grunde mehr auf Rechnung des Hoffräuleins kam, als aufdie meine. Es war aber solche Lucardis eigentlich in Leipzig geboren, und wolte schier verzweifeln über dem Schicksal ihrer Vaterstadt, und verschiedener darin wohnender СКАЧАТЬ