Phalansterium. Matthias Falke
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Название: Phalansterium

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

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isbn: 9783957770578

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      Jennifer blieb verschwunden. Daran war nichts Besorgniserregendes. Sie war schon immer eine Herumtreiberin gewesen, eine Ausreißerin. Morgens stand sie auf und tigerte irgendwo herum. Auf der ENTHYMESIS fand man sie im Labor, auf der MARQUIS DE LAPLACE ging sie gerne aufs Drohnendeck. Schon früher war sie eine gewesen, die sich nicht festlegen ließ und schon gar nicht einsperren. Auf der Akademie galt es als aussichtslos, dass jemand sie heimführen könne. Ihr Wille nach Freiheit und Unabhängigkeit war größer als alles andere. Mit dem einen oder anderen ging sie aus, aber nie länger als für eine Nacht. Sie würde sich niemals binden, hieß es, und es wurden Wetten abgeschlossen, wer sich als nächstes an ihr die Zähne ausbeißen würde. Eine Zeitlang sah es so aus, als würde Wiszewsky das Rennen machen. Er war die mit Abstand beste Partie in der gesamten Union. Gutaussehend, charmant, und nach Persephone wurde er Oberkommandierender der neuen MARQUIS DE LAPLACE.

      Aber dann hat sie doch einen gewissen Frank Norton erwählt und ist den Rest ihres Lebens mit ihm zusammengeblieben.

      Ich saß auf dem Felsblock mitten in der Wiese, ließ mich von Insekten umsummen und saugte die Sonne in mich auf.

      Jennifer.

      Je älter ich wurde, umso unwahrscheinlicher kam mir alles vor. Nicht, dass wir das Universum umrundet und das Sinesische Imperium in den Staub getreten hatten, sondern die scheinbar ganz alltäglichen und selbstverständlichen Dinge. Dass ich Kommandant eines Schiffes war. Dass wir die Akademie abgeschlossen hatten. Manchmal vergaß ich das und war dann wieder der neunzehnjährigen College-Absolvent, der sich voller Angst und Abenteuerlust zu einer Karriere bei der Union entschlossen hatte. Staunend betraten wir am ersten Tag den Campus und standen lange vor dem originalgetreuen Nachbau eines ENTHYMESIS-Explorers, der fünfzig Meter hoch und zweihundert Meter breit den Zugang zu den Instituten und Hörsälen versperrte. Hier war es ein Modell im Massstab eins zu eins, in dem die Verwaltung untergebracht war. Aber solche Schiffe gab es wirklich. Wir würden mit ihnen fliegen.

      Und dass ich eine Jennifer Ash mein eigen nannte.

      Mein Sitz auf dem sonnenwarmen Stein war wie ein Horst auf einer Bergspitze, von der ich über eine weite Landschaft hinaussah. Die Jahrzehnte wurden zu einer Ebene, die ich überblickte und auf der ich in Gedanken hin und her wandern konnte. Schlachten tobten darauf und Passagen düsterster Einsamkeit. An Aufregung hatte es nicht gemangelt. Aber eine war immer neben mir gegangen.

      Auch wenn sie gerade einmal nicht zu sehen war. Vielleicht streifte sie am Fluss entlang oder sie kraxelte in einem Seitental herum. Oder sie hatte sich einen Platz wie diesen gesucht, um darauf zu meditieren. Nachts hatte sie gestöhnt und geschrien. Ich hatte immer wieder versucht, sie zu beruhigen. Obwohl das sensorielle Gewebe ihre Körperfunktionen überwachte, war sie schweißgebadet gewesen. Sie hatte den Schlafsack abgeschüttelt und lag ungeschützt im Zelt, dessen äußere Planen von Raureif knisterten. Sie knirschte mit den Zähnen wie damals, bei der Hochzeit der kuLau, und sie trat mit den Beinen aus, als erwehre sie sich einer imaginären Meute, die nach ihren Knöcheln schnappte.

      Irgendwann war ich eingeschlafen. Ich hatte nicht mitbekommen, wie sie das Zelt verlassen hatte. Jetzt war sie fort. Ich konnte sie anpingen. Dann fiel mir ein, dass sie ihr Handkom fortgeworfen hatte. Sie wollte offline sein auf dieser Wanderung. Und ganz langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen.

      ***

      Am Nachmittag wachte sie wieder auf. Das unternehmungslustige Funkeln in ihren Augen drückte aus, dass sie vollständig wiederhergestellt war. Sie schwang die Beine aus dem Bett und sah sich suchend im Zimmer um. Ihre Gala-Uniform, in der sie zu der Hochzeit gegangen war, hatte ich auf unsere Kabine gebracht.

      »Würdest du mir bitte etwas zum Anziehen bringen?« Ihre Stimme war noch immer heiser, aber ihrem Elan tat das keinen Abbruch.

      »In dem Nachhemd siehst du entzückend aus!«

      Tatsächlich kleidete der knielange Kittel, der aus sensoriellen Gewebe bestand und mit Elektronik vollgestopft war, sie vorzüglich.

      »Idiot. Soll ich so über die Plaza laufen?«

      »Warum nicht.«

      Sie feixte.

      »Ich habe dich über die Plaza getragen«, sagte ich. »Und der Schaum ist dir vor dem Mund gestanden.«

      Sie zog die Brauen hoch.

      »Ganz zu schweigen davon, wie du ausgesehen hast, als wir dich von G.R.O.M. geholt haben.«

      »Frank Norton. Würdest du bitte das Geschwätz abstellen und mir etwas Vorzeigbares zum Anziehen organisieren? Vielleicht reichen deine Befugnisse als ranghöchster Offizier der Union noch weit genug, an eine Uniform oder einen Freizeitanzug zu kommen!«

      »Reg dich nicht auf«, lachte ich. »Wir müssen erstmal sehen, was der Doc dazu sagt.«

      Ihr Blick durchbohrte mich und nahm einen »Da hast du es!«-Ausdruck an. Natürlich war die Krankenschwester, die in einem Nebenraum gewartet hatte, auf uns aufmerksam geworden. Sie kam herüber und scheuchte Jennifer ins Bett zurück.

      »Nicht so hastig, junge Frau!«

      Sie starrte mich strafend an. Ich hob entschuldigend die Hände. Offenbar wusste sie nicht, mit wem sie es zu tun hatte, wenn sie mir zutraute, einer Jennifer Ash einen fremden Willen aufzuzwingen.

      »Sie müssen noch mindestens vierundzwanzig Stunden zur Beobachtung hier bleiben.«

      Jennifer schnaufte angewidert. Einige Sekunden lang schossen ihre Augen zwischen mir und der Schwester hin und her. Dann schien sie es einzusehen. Sie zog die Beine wieder unter die Decke, fuhr das Kopfteil des Bettes ganz nach oben und hockte sich mit schmollender Miene hin.

      »So ist brav!« Die Schwester tauschte einen verschwörerischen Seitenblick mit mir. »Sie müssen erst einmal wieder vernünftig essen und trinken, Kind. Ein bisschen zu Kräften kommen. Morgen früh ist Visite, und dann sehen wir weiter.«

      Sie verschwand in ihrem Kabuff und kam mit einem Tablett wieder, auf dem ein frugales Mahl aus Tee, Zwieback und Suppe prangte.

      Jennifer stieß noch ein paar Mal ein genervtes Keuchen aus, aber die Schwester pflanzte sich neben dem Bett auf und blieb dort stehen wie ein Wachtposten bei einer Inhaftierten. Das Namensschild an ihrem Matronenbusen wies sie als »Olga« aus. Ihr Akzent war osteuropäisch, polnisch oder ukrainisch. Ich hatte in den letzten Tagen vermieden, mich mit ihr anzulegen, und selbst Jennifer kam jetzt zu dem Schluss, dass es das Beste sei, ihre Anweisungen zu befolgen.

      »Gut«, knurrte Olga drohend, als sie sich davon überzeugt hatte, dass mit Flucht für den Moment nicht zu rechnen war. »Ruhen Sie sich aus, sie haben alle Zeit der Welt.«

      Jennifer reagierte nicht. Mit leeren Blicken kaute sie einen Zwieback.

      Die Schwester ging hinaus, nicht ohne mich noch einmal ins Gebet zu nehmen.

      »Passen Sie auf sie auf, Commander. Sie fühlt sich jetzt stark, aber sie ist noch sehr schwach. Noch ein solcher Zusammenbruch, und wir können sie nicht wieder zurückholen!«

      Dann ließ sie uns allein.

      »Du hast es gehört«, sagte ich.

      Jennifer erwiderte nichts. Aber die fünfminütige Quälerei, die es sie kostete, einen halben Zwieback zu essen und СКАЧАТЬ