Phalansterium. Matthias Falke
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Название: Phalansterium

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783957770578

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      Der Translator übersetzte. Den kuLau war der Vorfall unangenehm. Ihre Hochzeit hatte der festliche Höhepunkt der Neugründung der Union sein sollen. Die Wirkung auf die Zuschauer hatten sie so nicht vorhergesehen. Dass ausgerechnet Jennifer einen lebensbedrohlichen Zusammenbruch erlitten hatte, erfüllte sie mit Bestürzung. Der Repräsentant Ang’Laq, der aus der zeremoniellen Vereinigung hervorgegangen war, drückte seine Besorgnis und Anteilnahme aus. Ich dankte ihm und nahm das Geschenk entgegen. Eine Art Honig, der von seinem Heimatplaneten stammte und dessen Genuss heilkräftige Wirkung zugeschrieben wurde. Angesichts der Erschütterungen, die der bloße Anblick ihrer Hochzeit im Publikum hervorgerufen hatte, verspürte ich wenig Lust, das Zeug zu mir zu nehmen oder damit an Jennifer zu experimentieren. Aber das sagte ich natürlich nicht. Ich dankte dem Repräsentanten für seine Anteilnahme und versicherte ihm, dass ich ihn über das Stabslog auf dem Laufenden halten werde, was Jennifers Genesung anging. Dann komplimentierte ich ihn hinaus. Noch lange hing der üppige Geruch im Raum, wie von einem blühenden Gehölz nach einem Monsunregen auf einer fruchtbaren Tropenwelt.

      Laertes kam herein. Er war Ang’Laq noch im Durchgang begegnet, der zum Unionsmodul führte, und hatte ein wenig Konversation mit ihm gemacht. Jetzt reichte er mir die Hand.

      »Beneidenswert«, sagte er nachdenklich.

      »Was meinst du?«

      »Man sagt, Geliebte würden im Himmel zu einem Engel. Diesen Kreaturen ist das schon im Diesseits vergönnt.« Er lächelte melancholisch.

      »Würdest du das wollen?«, fragte ich.

      »Man wäre nie mehr allein.« Er hob die Schultern und sah mich an. Dann wurde er ernst. »Wie geht es ihr?«

      Ich beschrieb eine ausweichende Geste. »Ihr Zustand ist stabil.«

      Der alte Philosoph las in meiner Miene wie in einem Buch. »Kann ich sie sehen?«

      »Sie lassen niemanden hinein.«

      Er nickte.

      Ich trat an die Tür zum Krankenzimmer und öffnete sie einen Spalt. Laertes lugte hindurch. Wir blickten auf das Bett und die abgemagerte Jennifer, die seit achtundvierzig Stunden im Koma lag. Sofort sprang die Krankenschwester auf, die zu ihrer Bewachung abgestellt war.

      »Bitte, meine Herren«, fauchte sie. »Die Patientin benötigt absolute Ruhe!«

      Laertes zog sich zurück. Ich schloss die Tür wieder. Er kaute auf den Lippen. Ich sah, dass der Anblick ihm nahegegangen war.

      »Wird sie ...« Er brachte den Satz nicht zuende.

      »Sie wird zurückgeholt«, sagte ich. »Voraussichtlich morgen.«

      Er stieß gequält die Luft aus. »Warst du die ganze Zeit bei ihr?«

      Ich nickte.

      ***

      Nach ihrem Kollaps hatte ich sie auf die Krankenstation gebracht, die die Union auf dem Torus unterhielt. Man hatte sie an die Überwachung angeschlossen und in einen künstlichen Heilschlaf überführt. Zwei Tage und zwei Nächte wachte ich an ihrem Bett. Ihre Werte normalisierten sich allmählich. Am Kopfende hingen die Apparate, die ihren Kreislauf überwachten. Medikamente und Nährlösungen tröpfelten aus durchscheinenden Schläuchen in ihre Armvene. An Brust und Schläfen hafteten Sensoren, die jeden Herzschlag, jeden Atemzug, jede Veränderung des Muskeltonus oder der Hautelektrizität registrierten.

      Und am Fußende baumelten die Beutel, die ihre Ausscheidungen auffingen. Die Schwester wollte mich hinausschicken, wenn sie sie erneuerte. Aber ich weigerte mich. Da gab es nichts, weswegen man sich hätte schämen müssen. Ich trat beiseite, um ihr Platz zu machen, und sah dann zu, wie sie sie wusch und ihre Hilfsmittel auswechselte. Jennifer lag da, zum Skelett abgemagert. Von oben führten Schläuche zu ihrer Nase und ihren Armen. Aus ihrem Unterleib kamen andere Schläuche hervor. Der menschliche Organismus war nur ein Durchlauferhitzer für unterschiedliche Säfte. Eine Maschine, die Zucker in Harn verwandelte, und nichts außerdem? Die Apparate registrierten ihre Hirnströme. Es gab Phasen der Ruhe und Phasen starker Aktivität.

      »Sie träumt«, sagte der behandelnde Arzt, wenn wir auf die fiebrigen Ausschläge der Diagramme starrten.

      Ich wusste, dass es keine normalen Träume waren. Es waren Traumata, Urängste, nicht wiedergutzumachende Verstörungen und mentale Verletzungen. Ein seelischer Krebs fraß an ihr.

      Ihr Haar wurde immer ungebärdiger. Ich half der Schwester, es zu kämmen und in einem Netz zu verstauen, wie Jennifer es auch verwandte, wenn sie einen Helm trug. Wir würden es abschneiden müssen, wenn sie noch länger im Koma blieb. Aber der Arzt beruhigte mich. Mehr als ein oder zwei Tage waren nicht nötig.

      Es gab auf dem Torus weder Tag noch Nacht. Die gigantische Raumstation trieb frei auf ihrer Bahn um das Doppelsystem, dessen rotes und blaues Licht seinem eigenen Rhythmus folgte. Ich programmierte das Krankenzimmer auf einen Vierundzwanzigstunden-Modus, so dass die Außenfenster selbsttätig die Polarisation vertieften, wenn es »Abend« wurde. Dann hatte auch die Schwester Schichtende. Ich saß in dem gravimetrischen Stuhl, den ich an das Bett herangefahren hatte, und döste, Jennifers Hand in der meinen. Ab und zu zuckten ihre Finger, als wolle sie mir im geheimen Zeichen-Alphabet der Prana Bindu etwas mitteilen. Aber es waren nur Reflexe, die durch ihre Nervenstränge liefen. Es war dunkel. Lediglich die Anzeigen der Apparate glimmten grün und blau durch die künstliche Finsternis. Im Grunde war es wie auf der Brücke eines Schiffes, wenn man die Nachtwache übernommen hatte. Nur Dunkelheit und das leise Rauschen der Lüftung und der sonstigen Instrumente. Gedanken kamen und gingen. Der eigene Atem wurde aufdringlich. Manchmal war es so still, dass man den Puls hören konnte, der einem in der Brust schmetterte, als müsse das einfach so sein. Ich schlief ein und schrak wieder hoch. Eine Stunde war eine gelinde Ewigkeit, eine uferlose Ebene aus Zeit. Aber wenn die Nacht vorbei war und die Panoramascheiben ganz von selber wieder transparent wurden, hatte ich das Gefühl, dass ich mich gerade erst hingesetzt hatte. Die Zeit war verdunstet, in dem Moment, da sie vergangen war. Sie hinterließ nicht die geringste Spur in meinem Bewusstsein.

      Morgens half ich der Schwester, Jennifer zu waschen und ihre Anschlüsse zu erneuern. Ich ging duschen und holte mir einen Kaffee. Und dann saß ich wieder da und sah sie an, die immer noch schöner wurde.

      Immer wieder musste ich die Freunde abwimmeln, die im Vorraum herumlungerten oder über Stabslog anfragten. Es tat ungeheuer gut, ihre Anteilnahme zu spüren. Aber solange es nichts zu berichten gab, hatten die Erkundigungen auch etwas Quälendes. Sie sahen das in der Regel ein und verabschiedeten sich wieder. Ein ums andere Mal sagte ich den Satz, dass ich sie auf dem Laufenden halten werde. Aber es geschah nichts. Jennifer war wie eine Pflanze. Organisches Gewebe, in dem Flüssigkeiten zirkulierten. Ich konnte nur mutmaßen, was in ihr vorging, und hoffen, dass das künstliche Koma, in das man sie gesperrt hatte, für ihren Geist nicht zu einem Verlies wurde, in dem sie den Ungeheuern hilflos ausgeliefert war. Was, wenn die Monster, die sie in sich trug, sich losgerissen hatten und ihre Seele zerfleischten, und die Flucht ins Bewusstsein ihr einziger Ausweg war, aber diesen Ausweg hatte man ihr verlegt?

      Ich versuchte Hoffnung aus der routinierten Teilnahmslosigkeit des Arztes und der Schwester zu saugen. Sie gingen ihren Aufgaben nach, als handele es sich um die Bedienung einer robusten und gefühllosen Maschine. Ab und zu notierte der Mediziner etwas in seinem Log oder er gab der Schwester halblaute Anweisungen. Dann fummelte diese an der Steuerung der Überwachung. Vielleicht wurde das Dopamin erhöht oder der Blutzucker abgesenkt? Mir teilte man davon nichts mit, obwohl ich anwesend und der nächste Angehörige war. Ich ließ es auf sich beruhen und tröstete mich СКАЧАТЬ