Majdanek. Mordechai Strigler
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Название: Majdanek

Автор: Mordechai Strigler

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783866744745

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СКАЧАТЬ Notdurft mitten in der Baracke, auf dem Fußboden. Andere wollen eine letzte Rache nehmen, sie kriechen hinauf auf die Betten, quetschen das letzte aus sich heraus, schmieren alles ein, was ihnen unter die Hände kommt und schreien dabei über alle Maßen.

      Der kleine Abele, der Lebensmittel ins Lager schmuggelt und Handel treibt, ist schon ganz heiser vom sinnlosen Schreien. Er schleppt aus irgendeinem hintersten Winkel einen Korb mit rohen Eiern hervor. Seine Stimme bittet: Leute! Wer will, soll nehmen! Eine Wüste werde ich ihnen hinterlassen! Etliche zögernde Hände strecken sich aus in hungriger Gier. Sie wissen selbst nicht, was hier vor sich geht. Die Wildheit in ihren Augen kann gar nicht glauben, dass Abele heute kostenlos austeilt. Aber alles drum herum ist versunken in sich selbst und in den eigenen Jammer. Abele steht finster da bei seinem Korb mit Eiern und fordert ein letztes Mal mit verlöschendem Kratzen seiner ausgetrockneten Stimme auf:

      Nehmt, ich bitte euch, nehmt!

      Plötzlich überkommt ihn der Zorn. Als ob er durch irgendetwas beleidigt worden wäre, springt er hinein in den Korb! Unter den Eiern entsteht Panik. Eines drängt sich ans andere, vergießt dabei seine gelbe Galle. Unter Abeles Schuhen dringt ein kratzendes Geräusch hervor. Auf seinen Schuhspitzen erscheint eine gelbe glänzende Flamme. Doch seine Augen sehen jetzt gar nichts mehr. Das Gesicht ist vertieft in leidenschaftliche Arbeit. Schon sind alle Eier aufgebrochen. Eine schwere, fette Flüssigkeit quillt durch die kleinen Löcher im Korb und umschlingt ein vertrocknetes Stück Brot, das von einem zerstörten Bett hergeflogen war. Aber Abele steht immer noch, hebt die Füße und tritt zu, immer wieder mit demselben Zorn.

      Mehr Erfolg dagegen hat der dicke Kurt, der Händler gedrehter Zigaretten im Lager. Aus dem doppelten Brett unter seinem Bett zieht er etliche kiloschwere Packen mit gelbem feingeschnittenem Tabak hervor. Er lockert und zerpflückt eigenhändig die feuchten festgepressten Ballen und wirft alles in die Mitte der Baracke.

      Leute! Wer will, soll rauchen! Nehmt euch auch mit für den Weg! Das ist das Beste für solch eine Reise! Es zieht schon alle Hände dort hin, ich fühle mich wie ein Schlafwandler. Er erkennt mich aus der Ferne und bringt mir ein einzelnes Päckchen. Er ist verlegen und aufgewühlt, er will sich bei mir entschuldigen, dass er mich mitten in meinen letzten Gedanken stört. Er sucht irgendwelche anderen Wörter, kann aber keine finden. So wiederholt er nur immer wieder:

      Es ist das Beste für solch einen Weg, das Beste.

      Ich reiße inzwischen von irgendwoher ein großes Stück Zeitung ab, stopfe es mit Tabak und stecke es in den Mund. Eine zitternde Hand reicht Feuer. Ich nehme einen Zug von dem Rauch und fühle mich, als wäre ich aufgesessen auf einen feurigen Streitwagen und aufgefahren in den Himmel.

      In der Baracke stieg ein Gestank auf, der sich in der Luft mit umherirrenden Federn und abgerissenen Fetzen von Geschrei stieß. Fliegende Flicken dreckiger Wäsche tanzten einen verrückten Wirbel in der Luft und liebkosten für eine Weile den beginnenden Tag.

      I

      Große Lastwagen, besetzt mit Sturmtrupps, kamen zum Lager gefahren. Ihr Schreien, ihre schweren, rohen Stimmen, drangen bis in die Baracke. Jemand in einer Ecke stellte resigniert fest: Jetzt sind sie da! Die Tür wurde aufgerissen. Der Gestapo-Chef Langenkämpfer1 blieb auf der Schwelle stehen. Es wurde still, als wären alle von geheimer Zauberhand erstarrt.

      Er machte es kurz:

      In fünf Minuten muss alles bereit zum Abmarsch sein! Ihr kommt in ein anderes, gut eingerichtetes Lager. Decken können mitgenommen werden. Habt ihr das alle verstanden?

      Eine Anzahl Stimmen aus den Ecken antwortete aus unterwürfiger Gewohnheit:

      Jawohl!

      Der größte Teil der Baracke blieb aber in tiefes Schweigen versunken. Niemand glaubte mehr den Reden einer deutschen Uniform. Aber einen Rat wusste man auch nicht. Man muss sich schnell für den Weg vorbereiten. Jeder will den letzten Gedanken an Widerstand damit abtöten, dass er ein Bröckchen Hoffnung in die Herzen wirft. Und vielleicht will die Gestapo genau das? Langenkämpfer geht hinaus. Hektisch verteilt die Menge sich über die riesige Baracke. An allen Betten stehen aufgerissene Kästchen voller Armseligkeit, die man von Ghetto zu Ghetto, von Lager zu Lager geschleppt hatte. Jetzt liegen die zerdrückten Sachen da und sorgen sich, dass sie bald verwaist zurückgelassen werden. Die Decken auf den Betten sind unordentlich aufgerollt, als ob sie sich vor Schmerzen krümmten. Die strohernen Kissen fallen mit stimmlosem Rascheln herab, jedem Einzelnen zu Füßen, und bitten um Mitleid. Fiebernde Hände beginnen zu packen, man packt und weiß doch nicht, was. Man hebt etwas auf und steckt es in den Sack; dann wirft man es wieder hinaus; man nimmt es wieder in die Hände. Das alles geschieht noch dazu in knapp bemessenen Sekunden.

      Die Wachen hinter den Fenstern werden spärlicher. Unser Fenster geht hinaus auf die gegenüberliegenden militärischen Kasernen. Deshalb ist hier eine starke Wache nicht so nötig.

      Der kleine Josef-Ozer steht die ganze Zeit und schaut durch das Fenster. Der Kasernenhof ist jetzt leer. Hohe Heuhaufen türmen sich auf, Futter für die Militärpferde. Der Kleine beißt mit den Zähnen in die geballte Faust. Irgendetwas ruft ihn dort in einer Sprache, die nur ihm verständlich ist. Auch ich stehe und gucke hinaus durch das Fenster. So nehme ich Abschied von meiner Stadt. Der Kleine sieht mich und flüstert mir still zu: Ich hau ab! Ich will ihm nichts entgegnen. Sein Gesicht sieht nicht im Mindesten jüdisch aus. Wer weiß? Vielleicht kann es ihm gelingen. Das Herz lechzt nach etwas Aufregendem, das geschehen soll. Während man selbst wie gelähmt ist, wünscht es doch risikofreudig, dass zumindest jemand anders etwas tun soll, wenigstens einer. Der Kleine hat unterdessen ganz ruhig den untersten Luftschlitz des Fensters geöffnet. Im großen Lärm bemerkt es niemand. Er steckt den Kopf in das offene Loch und zwängt den Körper vorsichtig ein Stück hindurch, dann noch ein Stück. Beim Bauch wird es schwierig. Dafür zieht aber dann das Übergewicht den unteren Teil des Körpers schnell hinunter. Man hört einen harten Fall. Einen Moment reißt sich etwas los von meinem Herzen. Des Jungen katzengleiche Dreistigkeit hat mich in ihren Bann gezogen. Ich denke nicht mehr an mich. Das eigene Leben ist bereits wie aufgegeben und es gibt nichts mehr, worüber nachzudenken wäre. Hier dagegen, hier hat sich jemand auf den Wettkampf eingelassen, und alle meine Sinne beschäftigen sich mit ihm, geradeso, als ob mir hier gar nichts drohen würde. Ich fiebere vor Ungeduld und Neugier, als hätte ein Teil von mir sich mit dem Jungen losgerissen. Ich zittere: Hört nicht womöglich jemand von der Wache den Fall? Ich erwarte einen Schuss. Stille. Dann erscheint der Kleine auf dem Drahtzaun, und schon ist er im Kasernenhof. Und immer noch nichts.

      Eine Vielzahl von Augen folgt inzwischen gebannt dem Spiel. Der Kleine, der sich jetzt bereits im Hof befand, hob spielerisch grüßend die Hand, gerade als ob er irgendwo einen Spaziergang machte, als ob er gespürt hatte, dass man ihn von der Baracke aus beobachtete − und verschwand.

      Alle waren wie versteinert: Heißt das, man hätte sogar jetzt noch fliehen können? Einfach so? Über den Zaun in die Kaserne, sich irgendwo bis zur Nacht verstecken und am Abend über den Zaun springen, in eine abgelegene Gasse? Neid griff um sich auf den Jüngsten und einzig Kühnen, der es gewagt hatte. Dabei fühlte aber jeder irgendwie eine innere Befriedigung darüber, dass niemand bemerkt hatte, wie der Kleine sich hinausgestohlen hatte. Geradeso, als wäre er jedermanns Botschafter. Jeder Einzelne wurde mitgerissen von der einen Sorge:

      Oh weh, man soll ihn bloß nicht schnappen!

      Bald ging ein schweigender Wächter unter dem Fenster durch, der keine blasse Ahnung davon hatte, was hier vor einigen Sekunden passiert war.

      II

      Die ersten Schläge mit Gewehrkolben rissen die Menschen aus ihrer Verwunderung. Alle drängten in Panik zur Tür. СКАЧАТЬ