Название: Unbekanntes Wien
Автор: Isabella Ackerl
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990402061
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8. Die „Fenstergucker“
von St. Stephan:
KANZEL UND ORGELFUSS
Bis vor wenigen Jahren ging man in den kunsthistorischen Beschreibungen des Domes von St. Stephan davon aus, dass die beiden „Fenstergucker“, jene männlichen, sich aus dem Fenster lehnenden Figuren an der Kanzel und am Orgelfuß, von der Hand eines einzigen Meisters stammen, nämlich vom Dombaumeister Anton Pilgram, der sich beim Porträt am Orgelfuß mit seinem Monogramm MAP und der Jahreszahl 1513 verewigte.
Die stilistischen Unterschiede zum Fenstergucker an der Kanzel erklärte man mit unterschiedlichen Schaffensperioden des Meisters: Der Kanzelfuß und damit die ganze Kanzel seien ein Frühwerk Pilgrams, da das Porträt noch sehr formalistisch erscheint, während jenes am Orgelfuß deutlich realistischer ausgefallen sei.
Über lange Zeiträume wurde Ähnlichkeit mit Identität gleichgesetzt, und damit wurde die Kanzel in ihrer unglaublich filigranen räumlichen Konstruktion auch Meister Pilgram zugeschrieben.
Tatsache ist, dass sich wesentliche stilistische Divergenzen aber nicht nur mit verschiedenen Schaffensperioden erklären lassen. Mittlerweile lässt sich der Schalldeckel der Kanzel – er wird nun als Deckel des Taufbeckens verwendet – ziemlich eindeutig mit 1480 datieren, ein Jahr, für das es keinerlei Beweise für einen Aufenthalt Pilgrams in Wien gibt.
Für den Skulpturentyp des Fensterguckers existiert eine Reihe von Vorbildern in Frankreich. Überdies ist erwiesen, dass Niclaes Gerhaert van Leyden, der die Straßburger Kanzel, aber auch den Sarkophag Porträt des Meister Pilgram Friedrichs III. im Stephansdom schuf, sich bis 1487 in Wien und Wiener Neustadt aufgehalten hatte. Die Verwandtschaft der anderen Kanzelfiguren mit den Werken van Leydens ist stupend. Vor allem die fast entmaterialisierte Bearbeitung des Steins verweist eher auf ihn oder zumindest auf seine Schule.
Typischer Fenstergucker, neutrales Porträt
1010 Wien, Stephansplatz (U1 und U3, Autobus 1, 2 und 3)
Daher erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unbestritten, dass die beiden Fenstergucker in St. Stephan das Werk verschiedener Meister sind. Ob van Leyden oder einer seiner Schüler die Kanzel schuf, wird noch weiter zu erforschen sein.
„WO DIE KUH AM BRETT SPIELT“
UND ANDERE WIENER HAUSZEICHEN
Das seltsame Hauszeichen am Haus Bäckerstraße 12 erzählt nicht von einem erfinderischen Tierbändiger, der einer Kuh das Brettspiel beibrachte. Das Fresko, das um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden sein mag, macht sich vielmehr über die Protestanten lustig. Es entstand zu einer Zeit, als in Österreich und vor allem in Wien schon längst die Gegenreformation gesiegt hatte. Andere Erklärungsversuche interpretieren das Fresko als einen bösen Scherz für einen Hausherrn.
Im Vorgängerbau des jetzigen Hauses wohnte zu Ende des 14. Jahrhunderts der Wiener Bürgermeister Konrad Vorlauf. Er erlangte traurige Berühmtheit, da er sich als Wiener Bürgermeister im habsburgischen Erbstreit zwischen Herzog Leopold IV. und Herzog Ernst wie alle begüterten Bürger der Stadt auf die Seite von Herzog Ernst gestellt hatte. Nachdem sich die beiden Kontrahenten geeinigt hatten, wurde Vorlauf auf Forderung der anderen Partei verhaftet und quasi als Sündenbock am 11. Juli 1408 hingerichtet. Er war damals etwa 73 Jahre alt. Bis zur Zerstörung 1945 gab es im Wiener Stephansdom eine Tafel zu Füßen des Friedrich-Grabes, die an ihn erinnerte.
Hausbezeichnungen wie „Wo der Wolf den Gänsen predigt“ – der Wolf steht für die „bösen“ Protestanten und die Gänse für die „guten“ Katholiken – (Wallnerstraße 11; das Original des Hauszeichens befindet sich heute im Wien Museum) und „Wo die Böck’ aneinander stoßen“ (Postgasse 1) beziehen sich ebenfalls auf den Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Im Haus Wallnerstraße soll es sogar zu geheimen protestantischen Zusammenkünften gekommen sein. Ein späterer Hausbesitzer wollte mit dieser Bezeichnung eine Warnung an die Bürger richten. „Wo der Teufel mit der Bognerin rauft“ ist ein Hausschild (Bognergasse 3), das an eine alte Wiener Sage anknüpft. Anspielend auf eine Rauferei zwischen dem Teufel und einem alten Weib, trug das Haus die Inschrift: „Pestilenz und Not ein Übel ist, Krieg ein arger Zeitvertreib. Schlimmer als des Teufels Tück und List, Gott behüt uns †††, ist ein böses Weib.“ 1904 wurde dieses Haus abgetragen.
Auch das Hausschild „Wo die Jungfer zum Fenster hinausschaut“ thematisiert eine Wiener Sage von einer Jungfer während der Pestzeit. Als sie vom Fenster aus die Leiche ihres Liebsten im durch Hochwasser angeschwollenen Alserbach vorbeitreiben sah, stürzte sie sich in die Fluten.
Andere recht skurrile Hausbezeichnungen sind uns mit „Wo der Hahn den Hühnern predigt“ oder „Wo der Hahn sich im Spiegel schaut“ überliefert und lassen sich nicht mehr erklären.
1010 Wien, Bäckerstraße 12, Bognergasse 3, Postgasse 1 und Wallnerstraße 11 (mehrere U-Bahn-Anbindungen)
10. Oasen der Stille:
HEILIGENKREUZERHOF, BLUTGASSENVIERTEL
UND DEUTSCHORDENSHOF
Einer der stillsten Plätze der Innenstadt ist der große HEILIGEN-KREUZERHOF, etwa seit dem 13. Jahrhundert in seinem Kern im Besitz des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz. Die bedeutenden und reichen niederösterreichischen Stifte, wie etwa noch Melk, Göttweig oder Seitenstetten, erwarben in Wien Hausbesitz, um in der Stadt ihre Produkte, in erster Linie Wein, zu verkaufen. Denn seit 1221 besaß Wien mit dem Stadtrecht auch das Stapelrecht, d. h. jeder Kaufmann, der Waren nach Wien brachte, musste diese in der Stadt zum Verkauf anbieten. Diese Güter wurden in den Besitzungen des Stiftes in tiefen Kellern gelagert, die im Laufe der Jahrhunderte gewaltige Dimensionen annahmen. Daneben dienten diese Keller auch der Vorratshaltung, denn Kartoffel, Zwiebeln oder Karotten wurden in kühlen Kellern über den Winter aufbewahrt. Gerade unter dem Heiligenkreuzerhof befindet sich ein riesiges Kellernetz, das nur schwer nutzbar zu machen ist. Andere Weinlagerkeller wie der Esterházykeller am Haarhof oder der Urbanikeller am Hof wurden zu höchst beliebten „unterirdischen“ Weinschenken umfunktioniert. Der Aufstieg ans Tageslicht nach einigen „Vierteln“ war des öfteren ein Test für die Trinkfestigkeit der Besucher.
Die Gebäude des Heiligenkreuzerhofes stammen in ihrem Kern vermutlich aus dem 12. Jahrhundert, romanische und gotische Bauteile sind erkennbar. Im 17. Jahrhundert wurde die dem hl. Bernhard gewidmete Kapelle errichtet, neben der durch eine Mauer das Prälatengärtchen vom übrigen Hof getrennt wird. Heute ist die kleine Kapelle eine beliebte Hochzeitskapelle, das Altarbild stammt von Martino Altomonte, der im Stiftshof eine Werkstatt betrieb, sich dem Orden als Familiar anschloss und im Heiligenkreuzerhof seinen Lebensabend verbrachte. In den vermieteten Teilen des Heiligenkreuzerhofes lebte im 19. Jahrhundert Ignaz Franz Castelli, dem wir die Idee des Tierschutzes verdanken und im 20. Jahrhundert der Schauspieler und Autor Helmut Qualtinger.
Unweit des Heiligenkreuzerhofes verbindet die BLUTGASSE die Domgasse mit der Singerstraße. Dieser Straßenverlauf СКАЧАТЬ