Название: Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten Deutschlands
Автор: Wolfram Letzner
Издательство: Автор
Жанр: Книги о Путешествиях
isbn: 9783943904376
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Abb. 5 Tollensetal, Blick über eine Ausgrabungsfläche. Im Vordergrund sind deutlich Skelettreste erkennbar.
Bei den bisherigen Untersuchungen kam man zu dem Ergebnis, dass der Fundort nicht unbedingt auch Tatort gewesen sein muss. Darauf deuten die ungeordneten und nicht im anatomischen Zusammenhang liegenden Skelettreste hin; die Leichen müssen vor ihrer endgültigen Ablagerung im Wasser getrieben und dort zerfallen sein. Die Fundsituation entspricht nicht der einer Begräbnisstätte, zumal keine Grabbeigaben gefunden wurden. Eine Opferstätte anzunehmen wäre spekulativ.
Das Tollenstal war noch für weitere Überraschungen gut. Im Uferprofil des Flusses konnten an einer neuen Fundstelle weitere Skelettreste unterhalb der Wasserlinie geborgen werden. Ein Fund inmitten der Knochen war außergewöhnlich; man entdeckte einen goldenen Spiralring. Ein ähnliches Stück war bereits im Vorjahr an anderer Stelle im Tollensetal gefunden worden.
Derartiger Schmuck stammt in Mecklenburg-Vorpommern sonst überwiegend aus Gräbern und Depotfunden.
Neben einem Oberschenkelknochen entdeckten die Archäologen an derselben Fundstelle zwei dunkel gefärbte, spiralförmig gewundene Ringe, deren Material als Zinn identifiziert werden konnte. Weil sich Gegenstände aus Zinn nur sehr schlecht im Boden erhalten, gibt es nur wenige Funde aus der Vorgeschichte.
Denken wir heute an Zinn, so fällt uns zunächst ein, dass dieses Material über viele Jahrhunderte hinweg in besseren Haushalten für Teller, Tassen und andere Gefäße genutzt wurde. Aber im Lauf der Menschheitsgeschichte kam dem Material eine ganz andere Bedeutung zu: Zinn war ein Rohstoff, ohne den die Bronzezeit nicht denkbar gewesen wäre; Bronze entsteht durch die Verbindung von Kupfer und Zinn, einem seltenen und daher kostbaren Rohstoff, der über weite Strecken gehandelt wurde.
Will man die Funde bewerten, so kann man der Interpretation der dort tätigen Archäologen folgen: „Der Nachweis eines Gruppenkonflikts der Bronzezeit von bislang ungeahntem Ausmaß verleiht den Fundstellen im Tollensetal überregionale Bedeutung. Mit dem Auftreten von Gold und Zinn bekommt die Deutung des Konflikts eine zusätzliche Dimension.“
Literatur
D. Jantzen – T. Terberger, Gewaltsamer Tod im Tollensetal vor 3200 Jahren, AiD 2011/4, 6–11.
Von der Pleite zum Superfund! Unter diesem Motto könnte der Grabhügel von Seddin stehen, der im späten 19. Jh. aus wirtschaftlichen Gründen von den damaligen Eigentümern ausgebeutet werden sollte. In der Gegend gab es neben dem „Königsgrab“ zahlreiche andere Grabhügel, die durchweg im 19. Jh. abgetragen wurden, da man das Steinmaterial der Grabkammern (Findlinge) und anderes Geröllmaterial aus den Hügeln gut für den Straßenbau verwenden konnte.
[06] Seddin – ein Königsgrab?
Brandenburg • Berlin
Wer heute das „Königsgrab“ von Seddin, wie es in der Literatur immer noch genannt wird, besuchen will, muss sich zunächst an der Ortsangabe Groß Pankow, Ortsteil Wolfshagen, orientieren. Schon vor langer Zeit war Seddin dem Ort Wolfshagen zugeschlagen worden. Die Grabanlage findet sich etwa 2 km südwestlich des Ortskerns von Seddin und ist über die K 7017 zu erreichen, von der man rechts abbiegt.
Der Grabhügel und seine Funde
Ein Hügel, der einen Durchmesser von etwa 90 m und eine Höhe von 11 m aufwies und ein Volumen von rund 30.000 m³ – das entspricht etwa dem Fassungsvermögen von 100 Transportcontainern – besaß, zeichnete sich im 19. Jh. noch deutlich im Gelände ab. Im Jahr 1888 erweckte er das Interesse des Grundeigentümers, der, so heißt es, große wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. In der lokalen Überlieferung wurde der Hügel mit der Grablege eines Riesen in Verbindung gebracht, der in einem goldenen Sarg beigesetzt sei. Schatzsuche war also das Motiv und von einer wissenschaftlichen Ausgrabung konnte daher auch keine Rede sein. (Abb. 6)
Abb. 6 Seddin, Königsgrab. Zeichnerische Rekonstruktion (Schnitt durch den Grabhügel und Grundriss der Grabkammer).
Nachdem der Besitz seinen Eigentümer gewechselt hatte, sollte die wirtschaftliche Ausbeutung weitergehen, nun aber mit realistischen Plänen: Statt nach Gold zu suchen, ging es nun um die Gewinnung von Steinmaterial aus dem Hügel. Im Herbst 1899 stieß man bei der Steingewinnung in der Mitte des Hügels auf einen Steineinbau, bei dem es sich nur um eine Grabkammer handeln konnte. Diese Kammer, deren Höhe und Durchmesser später mit 2 m angegeben wurde, besteht in seinem Grundriss aus einem Neuneck aus aufrecht stehenden Steinblöcken; die Abdeckung ist ein falsches Gewölbe, d. h. Steinplatten wurden so übereinander gelegt, dass die jeweils folgende ein kleines Stück vorsprang. Die Steinblöcke wiesen einen Lehmverputz auf, der wohl bemalt war.
Im ersten Moment gewann offenbar der Schatzsucherinstinkt die Oberhand. Ohne fachliche Anleitung und ohne Dokumentation wurde die Kammer geöffnet und die wertvollen Funde geborgen. Entweder hatte man die Befürchtung, der Wert des Ausgegrabenen könne durch Gerüchte an die zuständigen Behörden gelangen, oder der Finder war zur Einsicht gekommen, was er auf seinem Grund gefunden habe, müsse doch gemeldet werden.
Die Funde wurden nun von Seiten des Staates gesichert und zunächst in das Märkische Provinzialmuseum nach Berlin gebracht. Nach 1945 gelangten die Funde, soweit sie die Wirren des Zweiten Weltkrieges überstanden hatten, in das Museum für Vor- und Frühgeschichte zu Berlin. Mit der Einrichtung des Brandenburgischen Landesmuseums im Jahr 2008 wurden sie dorthin abgegeben. Zeitgleich mit der Sicherung der Funde erfolgte die Unterschutzstellung des Grabhügels. Im Zuge dieses Verfahrens wurde die Grabkammer zugänglich gemacht; dieser Zustand ist noch heute aktuell.
Die Funde verteilen sich auf mehrere Bestattungen. Die Hauptbestattung war die eines etwa 30- bis 40-jähren Mannes, dessen Leichenbrand (Asche und Knochenreste) in einer reich verzierten, aus mehreren Teilen gefertigten Urne aus Bronzeblech beigesetzt wurde. Die Urne selbst fand sich in einem rund 0,5 m hohen Tongefäß; ob kultische Gründe für diese Art der Aufbewahrung verantwortlich waren oder ob man die kostbare Urne vor Schäden schützen wollte, lässt sich nicht beantworten.
Neben der Hauptbestattung fanden sich zwei Nebenbestattungen, die vom Material der Urnen deutlich bescheidener waren. Es handelte sich um Tongefäße, in denen jeweils der Leichenbrand einer 20 bis 30 Jahre alten Frau gefunden wurde.
Das Inventar des Grabes erwies sich als überaus reich, weil es neben der Urne der Hauptbestattung zahlreiche Bronzeobjekte enthielt. Darunter befanden sich u. a. ein Schwert, ein Messer, ein Rasiermesser, ein Tüllenbeil, zwei Schalen, Schmuck und eine gegossene Tasse. Aufsehenerregend waren aber zwei Nadeln aus Eisen, die zu dieser Zeit besonders wertvoll waren.
Die kostbare Ausstattung des Grabes und die beiden Nebenbestattungen – die Forschung sieht in ihnen Witwenopfer – deuten darauf hin, dass es sich hier СКАЧАТЬ