Paul Guenther und seine Schule in Geithain. Gottfried Senf
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Название: Paul Guenther und seine Schule in Geithain

Автор: Gottfried Senf

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783960086444

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СКАЧАТЬ in die Stadt. Der Sumpf dazwischen wurde mit einem hohen Damm aufgefüllt. Ein völlig neuer Stadtteil entstand im Norden. Später nannte man diese Zeit in Deutschland die „Gründerjahre“. Der aufgeweckte Knabe Paul Guenther nahm mit seinen Schul- und Spielkameraden das alles mehr oder weniger bewusst auf. Er besuchte die Schule von der ersten bis zur achten Klasse und wurde 1874 in St. Nikolai konfirmiert. Im Konfirmandenbuch „K2, Jahrgang 1874“ steht zu Paul Guenther: „Konfirmiert, Zensuren Sitte 2, Katechismus 2a“. Zur Geithainer Schule gehörten seit 1847 neben den Räumen in der Kantorgasse auch zwei Lehrzimmer mit einer Lehrerwohnung in der Chemnitzer Straße, im Haus des heutigen Elektrogeschäftes Löffler. (17) Als 1877 die wegen Schulraumnot neu gebaute „Bürgerschule“ (später Rathaus bzw. Rat des Kreises, Landratsamt) eingeweiht wurde, war Paul Guenther schon ein junger Bursche von 17 Jahren. Er ahnte nicht, dass ihn 45 Jahre später ein Brief aus seiner alten Heimat erreichen würde, in dem von großer Schulraumnot in Geithain die Rede war, denn 1922 war das Gebäude für die gestiegene Schülerzahl abermals zu klein!

      Tischlermeister Martin Diebler, in Tautenhain geboren und heute in der Region Geithain durch seine „Erinnerungen“ bekannt, lernte in den 1920er Jahren in Geithain bei Meister Rudolph das Stellmacherhandwerk. Der Nachbar, Schmiedemeister Lohse, erzählte besonders in der Zeit des Schulbaus von Paul Guenther. Louis Lohse kannte ihn als Schulkamerad aus der Kindheit. Lohse beschrieb den Schüler Paul Guenther als einen sehr aufgeweckten Burschen, der „im Gaupeln“ (damals ein Ausdruck für „etwas aushandeln, verkaufen oder tauschen“) ganz groß war. An Selbstbewusstsein mangelte es dem Knaben keinesfalls. Details über Paul Guenthers Kinder- und Schuljahre konnten bis dato in den Quellen leider nicht gefunden werden. Umso bedeutender ist es, dass ein Kinderbild des Schulstifters auch heute noch existiert (s. S. 16).

       1.2 Ausbildung in Limbach

      Der Sohn trat in die Fußstapfen von Vater und Großvater und wollte ebenfalls in der Textilbranche arbeiten. Aber Geithains große Zeiten, da die Stadt ein Zentrum der sächsischen Leinwandproduktion war und über die Leipziger Messe Geithainer Leinwand bis nach Spanien und Italien exportiert wurde, lagen lange zurück. In der Chemnitzer Gegend werden die Ausbildungsmöglichkeiten besser gewesen sein. Auch die Chancen, später Arbeit zu finden, waren dort wesentlich größer. Textilindustrie und Textilmaschinenbau, insbesondere auch die Strumpfwarenproduktion, entwickelten sich in rasanter Weise. Kein Wunder, dass der Vater den Sohn dorthin zur Ausbildung gab. Ein Unterkommen bei Verwandten war auch gesichert.

      So besuchte Paul Guenther nach seiner Konfirmation von 1874 bis 1878 die Strumpfwirkerschule in Limbach. Wahrscheinlich hatte es sich bis Geithain herumgesprochen oder die Verwandten der Guenthers in der Chemnitzer Gegend übermittelten die Nachricht: Am 6. April 1869 wurde die Wirkschule Limbach unter Leitung von Professor Willkomm eröffnet. Die Eltern Paul Guenthers hatten eine ausgezeichnete Ausbildungsstätte für ihren Sohn gewählt. Die Schule in Limbach war weltweit die erste Fachschule für Strumpfwirkerei. „Man hatte damit (mit Direktor Willkomm, G.S.) eine gute Wahl getroffen, denn in zäher und emsiger Arbeit … schuf er einen neuen Wissenschaftszweig der Textiltechnologie, die Technologie der Wirkerei. … Die Einrichtung wuchs über Limbachs Grenzen hinaus. Sie wurde in aller Welt bekannt. So besuchten Schüler aus Amerika, Frankreich, Russland, England, der Schweiz und anderer Länder die Schule.“ (23)

      Bild 2: Paul Guenther als Kind im Alter von 9 oder 10 Jahren neben seinem Vater, aufgenommen um 1870. Das Bild dürfte zu den ersten und ganz wenigen Fotografien gehören, die überhaupt damals in Geithain entstanden sind. Wir verdanken es Herrn Werner Pechstein aus Geithain, Großcousin mütterlicherseits von Paul Guenther.

      Bild 3: Gebäude der ehemaligen Wirkschule Limbach, um 1995

      Bild 4: Gedenktafel für Prof. Willkomm

      Bild 5: Historische Aufnahme „Höhere Wirkschule“ Limbach

      Zur Geschichte der Wirkschule ist vom Heimatverein Limbach-Oberfrohna viel Informationsmaterial herausgegeben worden. Die vier Ausbildungsjahre Paul Guenthers können anhand von Lehrplänen, Stundentafeln, Angaben zur Ausstattung der Schule für den theoretischen Unterricht und der praktischen Ausbildung an Maschinen gut nachvollzogen werden. Es haben sich auch eine Reihe von Schülerlisten erhalten, leider nicht die aus den 1870er Jahren.

      Das hohe Ausbildungsniveau und die Forderungen bezüglich Gründlichkeit und Disziplin während der Lehrzeit waren mit Sicherheit auch für Paul Guenther gute Voraussetzungen für die sich anschließende Tätigkeit in der Chemnitzer Region, aber ebenso entscheidend für sein späteres erfolgreiches Wirken in den USA. Wir dürfen annehmen, dass die Jahre in Limbach Impulse gaben für die 1890 erfolgte Auswanderung. In den vorhandenen Schülerlisten ist der hohe Anteil ausländischer Schüler bemerkenswert. Bereits im Gründungsjahrgang 1869/70 waren es 8 von 23 Schülern! Das ist einerseits erstaunlich, andererseits sind die Attraktivität und der gute Ruf deutscher Technikerschulen im Ausland für die damalige Zeit typisch.

      Sicherlich lernte Paul Guenther in seiner Ausbildungszeit ausländische Mitschüler kennen, vielleicht sogar einen jungen Amerikaner?

       1.3 Arbeitsjahre in Thalheim und Chemnitz

      Bild 6: Mutter Therese Guenther (r), Paul Guenther (2. v. l.) vor dem Geburtshaus „an der Heiste“ in Geithain, um 1885

      Guenther blieb auch nach den Limbacher Jahren in der Gegend. Die Großstadt Chemnitz bot vielen Arbeit und manchen jungen Mann zog es zu dieser Zeit vom Land oder der Kleinstadt in die großen Industriezentren. Über die Lebensjahre Paul Guenthers von 1878 bis 1890 war lange Zeit praktisch nichts bekannt. Im Vorwort der Stiftungsurkunde schreibt er lediglich: „Nach gründlicher theoretischer und praktischer Ausbildung auf der Wirkschule in Limbach und in den hervorragenden Chemnitzer Strumpffabriken wanderte ich 1890 nach Amerika aus.“ (18) Eher zufällig und über private Kontakte ergab sich im Jahr 2000 eine Verbindung zu Herrn Rudi Hofmann, Heimatforscher aus Hohenstein-Ernstthal. Seinen Forschungen, insbesondere den Hinweisen auf Quellen im Chemnitzer Stadtarchiv (26), verdanken wir die folgende fast lückenlose Auflistung der Wohnanschriften Paul Guenthers bis zum entscheidenden Jahr 1890. Er besuchte die Eltern und damit Geithain gelegentlich, Lebensmittelpunkt war aber die Gegend Chemnitz/Thalheim. Das Bild 6 gehört wieder zu den Seltenheiten und stammt abermals von Werner Pechstein.

      1874 wohnte Paul Guenther zunächst bei einem Onkel in Burgstädt. Ab November 1875 finden sich im Chemnitzer Meldebuch (26) verschiedene Adressen, jeweils mit Angabe der Familie, bei der der junge Mann „in Logis“ wohnte. Wichtig erscheint die folgende Eintragung: „16. August 1880 Abmeldung nach Geithain“. Doch schon kurze Zeit danach war er ab 15. November 1880 in Thalheim gemeldet. Der „Eisenhammer“ in Thalheim (heute Zwönitztalstraße 29) war bereits seit längerer Zeit stillgelegt, als sich 1880 einige Thalheimer Strumpfwirker selbstständig machten, hier Räume mieteten und auf schon veralteten Paget-Maschinen Strümpfe herstellten. (27) Diese Maschinen waren Wirkstühle, deren erste Form Arthur Paget 1857 erfunden hatte.

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