Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Zwei Freunde

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783957840127

isbn:

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       Nachwort

       Weitere Bücher

       Ein Anfang und das Ende

      Der junge Mensch löste sich aus dem Schlaf. Aus dem Mutterschoß des Unbewußten gelangte er wie das Neugeborene in Träume und Ahnungen; durch noch geschlossene Lider grüßten ihn rote und grüne Sonnen des werdenden Lichts. Er öffnete die Augen, und die bunten Sonnen erloschen. Im Dämmer zerfloß noch gnädig die Härte begrenzter Gegenstände. Das Bewußtsein schied den Erwachenden nur langsam aus dem Eins, in das die Arme des Kosmos ihn geschlungen hatten.

      Das Schrillen des Weckers vernichtete die harmonischen Schwingungen von Leib und Seele. Dieses hassenswerte künstliche Werk, in dem Oskar Wichmann am Abend seinen Willen mechanisiert hatte, um zur festgelegten Stunde in die bürgerlichen Einteilungen zurückzukehren, schrillte mit unaufhörlichem Schreien. Der Fünfundzwanzigjährige hörte ohnmächtig dem Rufen seiner eigenen Entschlüsse zu. Er schlug die seidenbezogenen Daunendecken zurück, erhob sich von der Couch und lief bloßfüßig über den Teppich zu dem Kalender, auf dem nach dem Lösen des obersten Blattes der »1. Oktober 1928« in schwarzen Lettern erschien.

      Die Wandlung war vollzogen. Der Regierungsassessor, Doktor der Rechte, begriff, daß ihn das hohe Ministerium, Erzeugnis desselben menschlichen Geistes, der Uhr und Kalender erfunden hatte, ab heute zum Dienst berief. Er begab sich durch die weiträumige Wohnung in das Badezimmer, dessen Benutzung in dem Mietpreis eingeschlossen war. Durch die grüne Fensterscheibe fiel schwindsüchtig das Herbstlicht. Die Wanne war gestrichen und an den Stellen, die der Wasserstrahl traf, verfärbt. Aus dem kalten Wasser stieg für den Badenden noch einmal ein Phantasiebild von nachtkühlem See und ersten Sonnenstrahlen auf. Die gesunden, kräftigen Glieder fröstelten. Dann verflog das Bild, und es blieben Seife, Frottierhandtuch und Rasierapparat.

      Nach der Rückkehr in sein Zimmer hielt sich der Regierungsassessor vor dem Standspiegel auf, den die verwitwete Geheimrätin ihm abgetreten hatte. Er streckte das Kinn vor und strich über die glatte Haut, an der kein dunkler Schimmer mehr zu sehen war. Hemd, Socken, Krawatte, die zu dem gewählten Anzug paßten, lagen schon bereit, aber er verwarf die Entscheidung des vergangenen Abends wieder und kramte das noch bessere Hemd mit den feinen Streifen, die noch diskreter gemusterte Krawatte aus den Tiefen der Schublade hervor. Als der Scheitel durch das braune Haar gezogen, die Nägel geschnitten waren, rief die Klingel nach dem Frühstück.

      Der Wartende trat an das rechte der beiden altmodisch hohen Fenster. Vor dem Haus tanzte die Sonne in den Nebelschleiern, die die Nymphen des nahen Parks nächtlicherweile in die Kreuderstraße hinübergeworfen hatten. Der Zuschauer verfolgte das Spiel, während sich seine Fingerspitzen im eindringenden Sonnenlicht wärmten. Die Straße unten lag morgendlich still. Die glatte Ruhe des Asphalts war nicht von Schienen durchfurcht, und nur wenige Spuren bremsender Autoreifen deuteten auf das Ausundeingehen der Familien und Gäste in den anliegenden Häusern. In der Mitte der Fahrbahn lagen drei welke Ahornblätter, die den Bemühungen des täglich und sorgsam reinigenden Besens entgangen waren. Der Wind hatte ihr sterbendes Leben von jenen Zweigen gepflückt, die das Gartentor der gegenüberliegenden Villa verschatteten. Die gilbenden Blattfächer der noch lebendigen Schwestern und Brüder fraßen tausendfältig Lichtstrahlen in ihre Zellen und Adern und ließen den sandbestreuten Gartenweg mit den Rasenrändern unter sich im Moderduft. Weit hinter dem Ahornbaum, der die Neugier ausschloß, schimmerte das undurchsichtige Glasauge eines Fensters.

      Es klopfte und Martha trat ein. Ihre Augen blinkten munter. Sie brachte den duftenden Kaffee, Brötchen, Butter und das Ei, das Oskar Wichmann sich zur Stärkung seiner Willenskraft an einem bedeutenden Tag gestatten wollte.

      Nein, der Herr Doktor hatte sonst keine Wünsche.

      Der junge Mann schaute noch immer durch das geöffnete Fenster, während er schon am Frühstückstisch saß und seine Zunge Butter und Dotter langsam zergehen ließ. Das versteckte Haus drüben lockte die Phantasie. Eine kühle Frau oder ein morgenfrisches Mädchen hätten aus diesem Hause heraustreten können. Aber der sandbestreute Weg blieb leer, und die schmiedeeiserne Rose des Torgriffs wurde nicht bewegt.

      Die Uhr, deren Schreien sich vor einer halben Stunde überschlagen hatte, wollte nicht mehr vorrücken. Der Assessor hatte den Wecker zu früh gestellt. Wenn er sich diese Tatsache eingestand, mußte er auch zugeben, daß sein Unterbewußtsein wieder einmal mit mehr Achtung vor einem gewissen Ministerium gearbeitet hatte, als sein wacher Wille wahrhaben wollte. Mochte das Ministerium einem kleinen Regierungsassessor gegenüber von seiner Größe sehr überzeugt sein; Oskar Wichmann, von Bad und Frühstück gekräftigt, sah die Welt in anderen Dimensionen. Man hatte ihn berufen, und er wollte eine Probe machen, ob ihm die neue Dienststelle zusagte. Einem jungen Mann standen heute, da es der Wirtschaft nicht schlecht ging, viele Türen offen. Die Herren Ministerialräte würden sich ein wenig bemühen müssen, wenn sie Oskar Wichmann festhalten wollten. Es war ein bedeutsames Zeichen für ihre Einsicht in dieser Richtung, daß sie sich entschlossen hatten, einen sehr jungen Assessor in die Reihen ihrer Unnahbarkeit aufzunehmen. Es handelte sich allerdings um einen Assessor mit vorzüglichen СКАЧАТЬ