Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch. Peter Langer
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Название: Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch

Автор: Peter Langer

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783874683913

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СКАЧАТЬ „Das Ergebnis war eine Zuweisung an die Schwerarbeiter von 2 Pfund Kartoffeln auf die Schwerarbeiterkarte, außerdem Ersatz in Gries, Graupen und Sauerkraut.“ Diese Sonderzuteilungen kamen offenbar aus den Vorräten der GHH, denn prompt weigerte sich auch „der in Osterfeld wohnende Teil [der Jacobi-Belegschaft], welcher keinerlei Klagen vorzubringen hat“, anzufahren. Nach Anhörung des Arbeiter-Ausschusses werde er über das weitere Vorgehen entscheiden.215 Am folgenden Tag fuhren alle Arbeiter auf Jacobi wieder an.

      Jetzt streikten aber die Kumpel auf der benachbarten Zeche Osterfeld, die von ihren Nachbarn sicher über die Zugeständnisse auf Jacobi informiert worden waren. „Die Leute sind zur Waschkaue gekommen, haben dann aber die Arbeit nicht angetreten.“ Die Mitglieder des Arbeiter-Ausschusses würden von „Agitatoren“ gedrängt, den Schlichtungsausschuss anzurufen. Die noch unschlüssigen Ausschussmitglieder sollten durch eine Belegschaftsversammlung „vergewaltigt“ werden.216

      Einen Tag später klang alles schon viel weniger dramatisch: Woltmann hatte Reusch telegraphiert, dass auf den beiden Osterfelder Zechen wieder „alles zur Arbeit angefahren“ sei. Auf Jacobi habe der Arbeiterausschuss getagt, ohne aber irgendwelche Forderungen zu beschließen. Deshalb gebe es dort keine Notwendigkeit zum „Eingreifen“ des Schlichtungsausschusses. Auf Osterfeld habe sich eine große Arbeiterversammlung stundenlang nur mit der Einrichtung eines kommunalen Lebensmittelausschusses beschäftigt, zur Erörterung von Lohnfragen sei die Versammlung gar nicht gekommen.217 Noch am gleichen Tag gab Paul Reusch aus Stuttgart telegraphisch grünes Licht: „Speckverteilung kann vorgenommen werden. Preisfrage ist offen zu lassen.“ Darüber wollte er persönlich nach seiner Rückkehr nach Oberhausen entscheiden. Veranlasst durch die kürzlich in Berlin geführten Verhandlungen – konkreter wurde er dabei nicht – werde er voraussichtlich entscheiden, dass der Speck „zum Höchstpreise abzugeben“ sei.218 Ging ihm das von den Betriebsleitern vor Ort empfohlene Entgegenkommen schon wieder zu weit? Reuschs harte Haltung in der Preisfrage entsprach der Empfehlung des Gutachters Edler von Braun, wonach die Landwirte nur durch höhere Preise zu bewegen waren, mehr Nahrungsmittel für die offizielle Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

      Bei der Rückkehr an seinen Schreibtisch in Oberhausen fand der Konzern-Chef ein Schreiben vor, in dem auf der ganzen Linie Entwarnung signalisiert wurde. Der Arbeiterausschuss der Zeche Jacobi habe keine Anträge an die Betriebsleitung beschlossen. Bei der stundenlangen Arbeiterversammlung auf Osterfeld sei auch nichts herausgekommen. Der Amtmann der Gemeinde Osterfeld habe die Leute dadurch beruhigt, dass er die Einrichtung eines Lebensmittelausschusses zusagte. Auf beiden Zechen wurde am 19. April wieder voll gearbeitet. „Das Einstellen der Arbeit sowohl auf Jacobi als auch in Osterfeld kennzeichnet sich als ein ganz unüberlegtes Unternehmen.“219 Das besonnene Verhalten der Arbeiterausschüsse und der offenbar geringe Einfluss radikaler Agitatoren mussten den Schluss nahelegen, dass man mit den durch das Vaterländische Hilfsdienstgesetz eingerichteten Arbeitervertretungen durchaus zusammenarbeiten konnte und dass Zugeständnisse sich auszahlten. Zu diesem Schluss kam Reusch jedoch nicht; denn schon im Sommer 1917 fuhr die Konzernleitung der GHH gegenüber den Forderungen der Arbeiter eine ganz harte Linie.

      Reusch hielt alle Zugeständnisse an die organisierte Arbeiterschaft für schädlich. Als durch das Hilfsdienstgesetz Schlichtungsausschüsse ohne Beteiligung der gelben Werkvereine eingerichtet wurden, versuchte er deren Arbeit zu behindern, indem er empfahl, diese in Angelegenheiten der Mitglieder von wirtschaftsfriedlichen Werkvereinen als befangen abzulehnen.220 Nach den Aprilstreiks wurde seine Haltung auch gegenüber den friedlichen Werkvereinen härter, als diese es wagten, kollektiv die Beibehaltung der Kriegszulage zu fordern. Die „Gelben“ bekamen es jetzt zu spüren, dass „die Arbeiterschaft durch die Wahlen zu den Ausschüssen gezeigt hat, dass sie vollständig in den Händen der Gewerkschaften ist.“ Zwar wusste Reusch, dass Lohnerhöhungen nicht ganz zu vermeiden waren, er legte „aber Wert darauf, dass die Arbeiterschaft individuell behandelt wird, dass also nur derjenige eine Lohnzulage bekommt, der sie auch verdient hat.“ Woltmann erhielt den Auftrag, die Lohnforderungen des – gelben (!) – Werkvereins zurückzuweisen.221

      Im Juni 1917 versuchten die Arbeiter des Walzwerks Neu-Oberhausen, ihre Forderung einer 100% igen Zulage für Sonntagsarbeit mit einem Streik durchzusetzen. Reusch hatte seinem Stellvertreter Woltmann und dem Betriebsdirektor Lueg eingeschärft, auf keinen Fall dieser Forderung nachzugeben.222 Im Arbeiter-Ausschuss sorgte Woltmann denn auch persönlich dafür, dass die Betriebsleitung keine Zugeständnisse machte. Daraufhin riefen die Arbeiter den Schlichtungsausschuss an und weigerten sich, sonntags zu arbeiten.223 Ob die Betriebsleitung bereits im Juni Repressalien gegen einzelne Arbeiter, d.h. die Einberufung an die Front, einsetzte, um sie gefügig zu machen, ist nicht bekannt. Im Herbst würde dieses Druckmittel dann rigoros angewandt werden: Wer streikt, kommt an die Front!

      Die Herren der Schwerindustrie, Reusch eingeschlossen, machte die innenpolitische Krise im Frühjahr und Sommer 1917 nicht nachdenklich. Im Gegenteil: Sie hielten umso hartnäckiger an ihren alten Positionen fest. Trotzdem lagen manchmal die Nerven blank. Mitte des Jahres zum Beispiel ließ sich Reusch aus nichtigem Anlass zu einer erstaunlichen verbalen Entgleisung hinreißen: Er hatte in der „Kölnischen Zeitung“ gelesen, dass ein Ingenieur, der einem Bekannten seine Brotkarte abgetreten hatte, dafür zu sieben Wochen Gefängnis verurteilt worden sei. In einem Brief an den Redakteur fragte er, ob dies stimme, ob wirklich „auf Gottes Erdboden ein solcher Schafskopf herumläuft“, der derartige Urteile spreche. Reusch verlangte, „für dieses Menschenexemplar einen besonderen Galgen auf dem Potsdamer Platz zu errichten. Dummköpfe sind in der heutigen Zeit viel gefährlicher wie Verbrechernaturen.“224 Die Zeitungsmeldung wurde richtiggestellt: Der Mann hatte keine Brotkarte verschenkt, sondern angeblich 14 Brotkarten verkauft.225 Reuschs gereizte Reaktion zeigt, wie angespannt die Ernährungslage war und wie groß deshalb die Angst der Mächtigen vor Unruhen in der Arbeiterschaft. Die Unternehmer des Reviers erwarteten – besser: befürchteten – weitere harte Arbeitskämpfe um die Herabsetzung der Arbeitszeit, Lohnerhöhungen und die Anerkennung der Gewerkschaften als Tarifpartner. Um diese Fragen, aber auch um die Gleichstellung der Handwerker und Maschinisten mit ihren Kollegen auf den Walzwerken, ging es Ende Juli bei einer großen Arbeiterversammlung auf der Eisenhütte Oberhausen der GHH.226

      Dies hing zweifellos mit der innenpolitischen Krise zusammen, die sich im Sommer 1917 immer mehr zuspitzte. Die Lage in den Industriebetrieben hatte sich nach den April-Streiks nur für kurze Zeit beruhigt; im Sommer wurde in Schlesien, wo die Gewerkschaften bis dahin kaum hatten Fuß fassen können, wochenlang gestreikt; gleichzeitig traten, nach dem Mitgliederschwund der ersten Kriegsjahre, die Arbeiter wieder massenweise in die streikbereiten Gewerkschaften ein, und dies stand in direktem Zusammenhang mit einem rasanten Mitgliederschwund bei den „Gelben“; zwar meinte die politische Rechte mit dem Rücktritt des „schlappen“ Reichskanzlers Bethmann Hollweg einen Erfolg verbuchen zu können, aber wenige Tage später setzten SPD, Zentrum und ein Teil der Liberalen im Reichstag die Friedensresolution durch, was die Oberste Heeresleitung und die Herren der Schwerindustrie in höchstem Maße empörte; ihre unmittelbaren Interessen wurden noch stärker durch die „Denkschrift über die Notwendigkeit eines staatlichen Eingriffs zur Regelung der Unternehmergewinne und Arbeiterlöhne“ berührt, die General Groener, der Chef des Kriegsamtes, Ende Juli 1917 dem neuen Reichskanzler überreichte; der Zorn der Mächtigen in Militär und Industrie richtete sich deshalb nach Bethmanns Sturz vor allem gegen das Kriegsamt, das seine Kompetenzen in Konkurrenz mit dem Kriegsministerium und der OHL angeblich zu stark ausgeweitet hatte, und gegen General Groener, der als Leiter des 1916 eingerichteten Kriegsamtes immer auf die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften gesetzt hatte. Noch im August 1917 setzten Groeners Gegner seine Entlassung durch.227

      Die miserable Stimmung in der Zivilbevölkerung nahm Carl Duisberg, der Generaldirektor der Bayer-Werke in Leverkusen, im August 1917 zum Anlass, zwanzig führende Industrielle von Rhein und Ruhr, u. a. Reusch, zu einer Besprechung in den Industrieclub zu Düsseldorf einzuladen. In der Liste der bekannten Namen fehlte nur Stinnes, aus welchem Grund auch immer. Neben den Unternehmern waren acht СКАЧАТЬ