Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch. Peter Langer
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Название: Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch

Автор: Peter Langer

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783874683913

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СКАЧАТЬ seine harsche Kritik ein. Wenn er „von der Absicht des Herrn Reichskanzlers Kenntnis erhalten hätte, das Kriegsernährungsamt zu politischen Kundgebungen zu gebrauchen“, wäre er nicht in den Vorstand eingetreten. An den Präsidenten des KEA gewandt, drohte er auch hier – in der ihm eigenen markigen Diktion – seinen Rücktritt an: „Ich bitte Euer Excellenz zur Kenntnis zu nehmen, dass ich es ein für allemal auf das allerbestimmteste ablehnen muss, in meiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied des Kriegsernährungsamtes mich irgendwie politisch zu betätigen.“186 Sollte es weitere „politische“ Aktionen geben, so würde das unmittelbar seinen Rücktritt auslösen.

      Mehrere prominente Persönlichkeiten aus dem Centralverband der Deutschen Industrie versuchten in den folgenden Wochen, Reusch zu besänftigen. Hugenberg schrieb ihm handschriftlich einen Brief aus seinem Urlaub in Berchtesgaden.187 Aber erst als der Geschäftsführer des CDI sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass Reusch in eine „peinliche Lage“ geraten sei, und versprach, künftig bei allen das KEA betreffenden Fragen mit ihm „Fühlung zu nehmen“, widerrief Reusch seinen Rücktritt. Es kann als wichtiger Hinweis auf die Machtverteilung im Centralverband gelten, dass Hugenberg der Einzige war, dem Reusch seinen Entschluss sofort persönlich mitteilte.188

      Parallel zu dem Gezanke um den Durchhalte-Aufruf bombardierte Reusch den Präsidenten des Kriegsernährungsamtes mit seinen zum Teil recht skurrilen Vorschlägen: Kaffee dürfe in Hotels und Restaurants nur noch in Tassen, nicht mehr in Kännchen ausgegeben werden.189 Die Bevorzugung schwangerer Frauen bei der Zuteilung von Lebensmittelkarten sei abzuschaffen, da viele Frauen eine Schwangerschaft nur vortäuschen würden. Ledige Schwerarbeiter sollten keine Zusatzkarten mehr für Margarine, Hülsenfrüchte und Fleisch erhalten, nur noch für Wurst, da Einige von ihnen damit einen „schwunghaften Handel betrieben“ hätten. Nicht ohne Stolz meldete er auch die Erfolge der GHH in der Landwirtschaft. Die GHH habe auf 52 Morgen Roggen angebaut, 10 Morgen davon seien bereits abgedroschen.190 Woher er wusste, dass die deutschen Bauern zuviel Milchkühe und „unreifes“ Vieh geschlachtet hatten, verriet er nicht, verlangte aber aus eben diesem Grund von Präsident Batocki, den „Fleischgenuss für etwa 4 Wochen ganz zu untersagen“.191 Die Bevölkerung werde die Einführung einer fleischlosen Zeit „ohne das geringste Murren entgegennehmen“.192 Wegen der „Verwüstung des Rindviehbestandes“ müssten vom Kriegsernährungsamt „die radikalsten Mittel“ ergriffen werden. Mit unverkennbarem Sarkasmus empfahl er, die Gewerkschaftsführer des Industriereviers mit ins Boot zu holen. Sie stünden in dieser Sache auf demselben Standpunkt wie er. „Bei der ausschlaggebenden Rolle, welche diese Herren heute bei der Reichsregierung spielen, wage ich noch, auf den Erfolg meiner Anregung zu hoffen.“193

      Reuschs drastische Forderungen bezogen sich nur auf Rindfleisch, nicht auf Schweinefleisch oder Geflügel. Jeder wusste offenbar, dass davon große Mengen aus Holland ins Rheinland geschmuggelt wurden. Da sich daran nicht nur Privatpersonen, sondern auch Werke des Industriereviers beteiligten, hatte Reusch an dem Schmuggel prinzipiell nichts auszusetzen. Er verlangte jedoch vom Kriegsernährungsamt, für eine gleichmäßige Verteilung der eingeschmuggelten Nahrungsmittel zu sorgen.194

      Bei Kartoffeln hatte sich, anders als beim Fleisch, seiner Ansicht nach die Lage etwas entspannt, denn General Groener gab er grünes Licht für die erneute Belegung der Lazarette im Industrierevier mit Verwundeten.195 Als im Herbst bei der Kartoffelernte gute Erträge gemeldet wurden und die Bauern ihre Überschüsse teilweise den Chemiebetrieben im Tausch gegen Kunstdünger anboten, verlangte Reusch von Präsident Batocki, die gesamte Ernte zu beschlagnahmen.196

      Einen Besuch in Belgien nahm Reusch zum Anlass für sehr harte Forderungen hinsichtlich der Lebensmittelversorgung in diesem besetzten Land. Die Ernährung der belgischen Bevölkerung sei gesichert, auch „wenn die Einfuhr von Lebensmitteln aus Amerika abgeschnitten“ würde. Man solle die Amerikaner – sie zählten zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Deutschlands Kriegsgegnern – „so bald als möglich aus dem Land jagen“. Bei einer straffen Rationierung der Lebensmittel – dafür legte er eine detaillierte Liste vor – könne sich Belgien „ohne weiteres“ selbst ernähren. Im Durchschnitt seien die Belgier „noch wesentlich besser dran als die deutsche Bevölkerung“.197

      Im September 1916 beschäftigten sich die in der „Nordwestlichen Gruppe“ zusammengeschlossenen Arbeitgeber der Schwerindustrie bei einer Sitzung im Düsseldorfer Industrieclub ausschließlich mit Ernährungsfragen. Grund war die große Unzufriedenheit bei den Schwerarbeitern, die zwar angeblich genug Brot und Hülsenfrüchte erhielten, aber zu wenig Speck und Fleisch. Wieder wurde der Mangel vor allem als Verteilungsproblem dargestellt. Solange dieses Problem nicht beseitigt sei, wären die Werke darauf angewiesen, Nahrungsmittel für ihre Betriebsangehörigen durch Schleichhandel zu beschaffen. Deshalb wurde beschlossen, an den Minister des Innern ein Telegramm zu schicken, damit von staatlicher Seite eine gerechte Verteilung angeordnet würde. Auch müsste der Begriff „Schwerarbeiter“ neu definiert werden. Als Vorstandsmitglied des Kriegsernährungsamtes fiel Reusch in dieser Sitzung ganz selbstverständlich eine Expertenrolle zu. In langatmigen Ausführungen bot er zum wiederholten Male die Schweinehaltung der GHH den anderen Unternehmern als Modell an. Einen gemeinsamen Einkauf von Lebensmitteln lehnten die versammelten Unternehmer ab, „da weder nennenswerte Mengen zu haben sind noch eine Verteilung durchführbar ist“.198 Es war also doch nicht nur eine Frage der Verteilung, sondern auch der insgesamt vorhandenen Menge!

      Außerhalb der Tagesordnung besprachen die Herren im Düsseldorfer Industrieclub noch die von einigen Mitgliedern gemachten Vorschläge, die Ernährungssätze für Kriegsgefangene zu erhöhen. „Das Kriegsministerium hat unsere Anträge abgelehnt, da es die bisherigen Sätze für zureichend hält, bei Einhaltung der den Gefangenen zu gebenden Höchstmengen von Nahrungsmitteln.“199 Der Verband wollte zunächst durch eine Umfrage prüfen, ob die Höchstmengen „für schwere Arbeitsleistungen genügen und ob die im Speiseplan des Kriegsministeriums angegebenen Kosten den wirklichen Preisen entsprechen“.200 Wie erbärmlich mussten die Rationen für die schwer arbeitenden Kriegsgefangenen gewesen sein?!

      Die Besprechung im Industrieclub diente der Vorbereitung einer großen Geheimkonferenz, zu der das Kriegsministerium für den 16. September 1916 eingeladen hatte. Dort ging es am Rande auch um Ernährungsfragen, wobei sich eine kurze Kontroverse zwischen Duisberg und Reusch entwickelte: Duisberg verlangte, dass die Beschaffung von Nahrungsmitteln aus Holland auf dem Schleichwege weiterhin zu tolerieren sei. Anders als bei der internen Vorbesprechung der Unternehmer widersprach Reusch jetzt in Anwesenheit der Regierungsvertreter. Diese offenbar weit verbreitete Praxis – so seine Argumentation – habe zu einer sehr ungleichen Versorgung der Betriebe geführt, was wiederum – so Reusch – Ursache für die jüngsten Streiks gewesen sei.201 Wie das Problem zu lösen sei, d. h. wie die notwendigen Nahrungsmittel beschafft werden konnten, dafür hatte Reusch keine Lösung anzubieten, wusste er doch sehr genau, dass „nennenswerte Mengen nicht zu haben“ waren. Irgendwelche Konsequenzen hatte dieser kurze Wortwechsel nicht; Reusch unternahm nichts, um den von Firmen betriebenen Schleichhandel zu unterbinden. Der Wortwechsel mit Duisberg eignet sich kaum als Beleg für Reuschs angeblich hartnäckigen Kampf gegen die Verwilderung der Geschäftspraktiken im Krieg.

      Die öffentliche Kritik an der mangelhaften Versorgung mit Lebensmitteln wurde im Herbst 1916 immer schärfer. Reusch wusste aus dem Industrierevier zu berichten, dass sich die Angriffe zunehmend gegen das Kriegsernährungsamt selbst und dessen Präsidenten richteten. Besonders störte ihn, dass die Kritik jetzt aus den Stadtverordnetenversammlungen und kommunalen Verwaltungen kam. Gegen diese „Hetze“ müsse schleunigst „eingegriffen werden“, denn sie beruhe auf „Unkenntnis“ der Verhältnisse und der gesetzlichen Bestimmungen. Die Kritik aus den Rathäusern brachte ihn umso mehr in Rage, als sie Unruhe in die Bevölkerung trug, die die Werke der Rüstungsindustrie jetzt überhaupt nicht brauchen konnten.202

      Für den Experten im Vorstand des Kriegsernährungsamtes, der den Präsidenten an manchen Tagen СКАЧАТЬ