Schlacht um Sina. Matthias Falke
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Название: Schlacht um Sina

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

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isbn: 9783957770295

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СКАЧАТЬ antwortete nicht. Die Servos in seinem linken Arm surrten und die Relais in seiner Schulter klickten, als er das HoloSkop nachführte und systematisch den nördlichen Horizont abtastete. »Irgendetwas ist da los«, sagte er nach einer Weile gedämpft. »Aktivitäten.«

      Er schaltete das hochauflösende Nachtsichtgerät ab, wandte sich um und ließ sich mit dem Rücken die nackte Steinwand heruntergleiten. Dann saß er neben Jill und streckte die rechte Hand nach ihr aus. Er wusste, dass das Tloxi-Implantat sie immer noch ein wenig gruselte, und achtete daher darauf, ihr stets die Rechte zuzuwenden, die intakte und organische Körperhälfte. Er selbst hatte sich an die sensorielle, durch mehrere KI-Entitäten gestützte Prothese längst gewöhnt. Vom ersten Augenblick an, als er aus der Narkose erwacht war, hatte er sich ihrer wie einer gewachsenen Extremität bedienen können. Kein Einlernen, keine zeitraubende Reha, keine Phantomschmerzen oder das unangenehme Gefühl, das ihn bei dem ersten Ersatzarm immer gestört hatte, dass das ehemalige Glied irgendwie auch noch vorhanden war und der Wahrnehmung des neuen in die Quere kam. Von all dem konnte diesmal nicht die Rede sein. Die Tloxi-Ingenieure hatten ganze Arbeit geleistet. Kraft und Feingefühl, Tastsinn und Körperbild waren vom ersten Moment an vollkommen natürlich gewesen. Immer öfter vergaß er, dass er überhaupt eine Prothese trug, und er hätte es auch längst vollständig vergessen, wenn Lambert nicht mit einer Miene unterdrückten Angewidertseins seiner linken Seite ausgewichen und stets seine Rechte gesucht hätte.

      Das war umso erstaunlicher, als sie ihn schon als Prothesenträger kennengelernt hatte. Sie hatte ihn nie anders erlebt. Als sie sich auf der MARQUIS DE LAPLACE näher kamen, in WO Reynolds’ Sondenbauprogramm und bei Taylors Einführung in der Crew der ENTHYMESIS, hatte er seinen natürlichen linken Arm längst eingebüßt. Das hatte Lambert nie gestört. Vielleicht hatte das mechanische Surren der integrierten gravimetrischen Kupplungen und die manchmal noch etwas unbeholfenen Bewegungen sie sogar auf den jungen Corporal aufmerksam gemacht, der im Lauf der nächsten Jahre zu Reynolds’ Nachfolger als WO in General Nortons Team aufstieg. Mit der puren Tatsache, dass sein dreißigjähriger, zierlicher und doch kraftvoller Körper einen Defekt aufwies, konnte es also nichts zu tun haben. Taylor vermutete, dass Jills Vorbehalte gegen die Tloxi und die sonderbar kalte und anonyme Perfektion ihrer Technik hereinspielten. Auch im tagtäglichen Umgang mit dem höflichen, besorgten, aufmerksamen und aufopferungsvollen Volk konnte Lambert eine letzte Distanz und Reserviertheit nie überwinden. Sie störte sich an dem unpersönlichen Stil des Androiden-Kollektivs, und gerade die lückenlose Geschlossenheit seiner Organisation schien sie abzustoßen. Taylor konnte nur hoffen, dass zumindest der Teil dieser Abneigung, der sich auf seine linke Leibeshälfte, genauer: auf die Strecke von Schulter und Schlüsselbein bis zu den Fingerspitzen, bezog, mit der Zeit legen würde.

      Noch immer waren sie Gäste und Schutzsuchende der Tloxi, des geheimnisvollen Sklavenvolks der Sineser. Noch immer wanderten sie allnächtlich von einer der Enklaven und Vorstädte zur nächsten. Noch immer lebten sie in ständiger Gefahr und Todesangst, die durch die beinahe alltäglichen Berichte über Tloxi, die den brutalen Nachstellungen der Herrenkaste zum Opfer gefallen waren, nicht gerade gelindert wurde. Wie Symbionten in einem Ameisen- oder Termitenstaat bewegten sie sich durch die Quartiere und Verstecke der Tloxi. Sie lebten ausschließlich in dem Katakombensystem des insektenhaften Robotervolkes, das seine Schlafstädte miteinander verband, Industriebrachen, Hafen- und Fabrikgelände und Teile der Kanalisation mit einbezog und wie ein lymphatisches Geflecht ganz Sina City unterhalb seiner monumentalen Oberfläche durchzog. Tagsüber schliefen sie in den roten Ziegelstädten, die entlang der großen Magistralen und Radialstraßen in die Außenbezirke der Megalopolis eingelassen waren, und nachts nahmen sie ihre ruhelose Wanderung wieder auf. Durch Tunnel und Stollen, miteinander vernetzte Bunker, leerstehende Lagerhallen, stillgelegte Produktionsstätten, verfallene Schächte und sogar Pipelines gingen ihre Wege, selten auch unter freiem Himmel, über riesige Abraumhalden, Depots ausgebrannter thermischer Elemente, Müll- und Schrottplätze und ganze Schiffsfriedhöfe, auf denen komplette Raumflotten in den ätzenden Winden und dem sauren Regen dieses unwirtlichen Planeten vor sich hinrotteten. Das alles sahen sie nur in den kalten windigen Nächten von Sina, und unterschwellig blieben sie dabei immer auf das Zentrum der Metropole ausgerichtet, dessen Türme sie stets in der Ferne leuchten sahen und das sie wieder und wieder umkreisten.

      Zu Lamberts Argwohn gegenüber den Tloxi mochte auch die unverhohlene taktische Rationalität beigetragen haben, deren Zeuge und beinahe auch deren Opfer sie geworden waren. Jennifer hatte recht behalten: es war den Tloxi ein leichtes, Taylors verlorene Gliedmaße zu ersetzen, aber sie warteten damit bewusst, bis Norton und seine Frau den Planeten verlassen hatten. Es war eine unausgesprochene Geiselnahme, mit der die Tloxi sicherstellten, dass die Mitglieder der Union ihr Interesse an ihrer Sache nicht wieder verloren. Während das Scharmützel am Raumhafen noch andauerte, in dessen Verlauf Frank und Jennifer ein kleines sinesisches Shuttle kapern und darin fliehen konnten, wurden Taylor und Lambert zu einer der rätselhaften Tloxi-Fabriken geführt. Der Atem stockte ihnen, als sie die mehrere hundert Meter lange, aus gelbgrünen Elastalplatten gefügte Halle betraten. Es war eine Fertigungsstätte, das sah man auf den ersten Blick, und das Produkt, das hier hergestellt wurde, war kein anderes als die Tloxi selbst. Gegenwärtig standen die Bänder still. In großen Vorratscontainern stapelten sich halb- und dreiviertelsfertige Wesen, die unverkennbar dazu bestimmt waren, das arbeitsame Sklavenvolk zu ergänzen. Gliedmaßen, Torsi, Köpfe, Hände und Füße in separaten übermannshohen Glocken aus durchscheinendem Elastilglas – alle Elemente waren vorhanden. Ihr Innenleben wurde anderswo fabriziert; hier wurden die Teile nur noch zusammengefügt. Auch Bauteile, die auf den ersten Blick nichts von ihrem anthropoformen Zweck verrieten, waren zu sehen. Feldgeneratoren von der Größe einer Faust oder eines Fingergelenks, optische, akustische und andere Sensoren, deren Aufgabengebiete nicht prima vista zu erkennen waren, Servos und Holo-Schnittstellen, stählerne Korsagen und halbkugelförmige grünschimmernde Gebilde, die wie große Walnüsse geriffelt waren und an Hirnschalen erinnerten – alles war bereichsweise in Vorratsbehältern gestapelt oder schwebte an langen Förderbändern quer durch die riesige Halle. Allerdings waren die Maschinen abgeschaltet. Dutzende Köpfe baumelten gleichsam an einer langen Wäscheleine, die sich diagonal durch den unzureichend erleuchteten Raum zog. Am Tag schien eine neue Ladung von KI-Entitäten eingetroffen zu sein; ihre Wafer füllten mehrere Bottiche. Auf Pritschen – oder ruhenden Förderbändern? – lagen Tloxi, die äußerlich unversehrt schienen. Sie waren bereits fertiggestellt, aber noch nicht zum Leben erweckt. Oder sie waren zur Instandsetzung hier, zur Reparatur.

      Atemlos von dem Anblick, den in sich aufzunehmen er nicht nachkam, und gekrümmt von den Schmerzen, die ihn marterten, war Taylor in die Halle gewankt. Man geleitete ihn zu einer der Pritschen, die den vorderen Teil der Fertigungsstätte einnahmen. Vielleicht wurden hier auch neue Prototypen erprobt?, durchzuckte es ihn. Er tauschte einen letzten Blick mit Jill und versuchte ihr tapfer zuzulächeln. Dann wurde er auf die Pritsche gelegt und verlor wenige Augenblicke später das Bewusstsein. Lambert wandte den Blick ab, als man seinen Körper auf die gesunde Seite drehte, den von Blut, Schweiß, Schmutz und seröser Flüssigkeit verunstalteten Anzug von ihm löste, den Knochen bloßlegte, der von Eitergeschwüren und vernarbtem Gewebe überzogen war, und den Bohrer ansetzte. In der folgenden Stunde saß sie abseits auf einem Schemel, starrte in die albtraumhafte Halle, deren groteske Details vom flackernden Licht der Instrumente erleuchtet wurden, und versuchte den Brechreiz niederzukämpfen, den der Anblick der vielen herumliegenden Gliedmaßen und Körperteile und die schmatzenden Geräusche in ihr auslösten, die von der Pritsche zu ihr drangen.

      Als man sie herbeirief, um das Resultat zu begutachten, war es mit ihrer Selbstbeherrschung zuende. In dem Moment, als ihr Blick auf die schwarzen Stahlklammern fiel, mit dem Taylors Brust und die künstliche Schulter zusammengetackert waren, brach sie in die Knie und sank in sich zusammen.

      Die beiden erwachten nebeneinander, in einem der austauschbaren, ihnen bis zum Überdruss vertrauten Quartiere. Taylor war schmerzfrei. Er konnte sich des neuen Arms ohne jede Anpassungsschwierigkeit bedienen und klagte einzig über Hunger und reißenden Durst. Lamberts Kommentar war, warum man nicht schon längst diesen Weg beschritten hatte. Dass die Tloxi Taylors Qualen mit angeschaut und seinen СКАЧАТЬ