Schlacht um Sina. Matthias Falke
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schlacht um Sina - Matthias Falke страница 10

Название: Schlacht um Sina

Автор: Matthias Falke

Издательство: Автор

Жанр: Научная фантастика

Серия:

isbn: 9783957770295

isbn:

СКАЧАТЬ stellen. Und das große Wort von der Unierten Menschheit bekam dadurch wieder einen neuen, anderen, inhaltsvolleren Sinn. Ob es ursprünglich Cole Johnson selbst war, der die zündende Idee hatte, mag im Nachhinein als nebensächlich erscheinen; fest steht, dass es seiner Tatkraft zuzuschreiben war, dass das Projekt auch verwirklicht wurde. Mit großem organisatorischen Aufwand und bei strengster Geheimhaltung wurden die Kontinente durchforstet. Und in den anschließenden Monaten füllten sich die Fracht- und Passagierschiffe, die zu den Marsbasen, den Asteroidenwerften und den letzten Außenposten auf den Saturnmonden unterwegs waren, mit seltsamen Reisenden.

      Alte Samen aus den abgelegenen Tundren Skandinaviens flogen zu Verwandtenbesuchen auf den Roten Planeten. Kauzige Professoren, die sich vor Jahrzehnten des Uigurischen, Mongolischen oder Serbokroatischen angenommen hatten, hielten Seminare und Ringvorlesungen quer durch das Sonnensystem. Man stöberte zahnlose Tibeter auf, und die Fährschiffe waren bevölkert von Indiofrauen, die noch des Qechua mächtig waren. Die Steppen- und Gebirgsregionen der Erde wurden nach einsamen Stämmen durchstöbert, deren Vertreter man zu Folkloredarbietungen und Weiterbildungen auf die weit entfernten Stationen schickte. Und allmählich verschwand das Unierte Englisch aus dem offiziellen und weniger offiziellen Funkverkehr. Ein babylonisches Stimmengewirr füllte die Kanäle. Man holte die letzten Navajo und Papua aus ihren Reservaten und ließ sie über Milliarden Kilometer hinweg Belangloses plaudern. Man verstreute Familien und Sippen, die sich ihres eigenen Idioms bedienten, über riesige Räume. Schließlich entdeckte man die Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation. HoloVideos wurden übertragen, auf denen Trachtenumzüge zu sehen waren, wobei die Nuancen der Kostümierung oder die Details der Abläufe nur noch den Bewohnern eines einzigen Dorfes verständlich waren. Die Gebärdensprache der afrikanischen Tschagga kam ebenso zum Einsatz wie das unverständliche und gehaltvolle Gestammel buddhistischer Schamanen. Das Sonnensystem verwandelte sich in einen Basar der Kulturen, bei dem nicht zwei Nachrichten in der gleichen Sprache übermittelt wurden und bei dem der Reichtum der Dialekte, der religiösen Anspielungen, der traditionsgebundenen Rituale und der Geheimwörter jeden Mithörer in die Verzweiflung treiben musste. Details der Triebwerkstechnik oder der Sondenprogrammierung wurden in korsischer oder kretischer Mundart durchgegeben. Oder man bediente sich philosophischer Zitatenschätze und Sprichwortsammlungen konfuzianischer Weistümer, um Marschbefehle und Truppenverlegungen zu transportieren. Alte Frauen aus Feuerland oder von den Sundainseln hockten, Pantoffeln an den Füßen, Wollsocken strickend, in den schweren Kreuzern und auf den wenige Mann starken Vorposten jenseits der Neptunbahn und nuschelten miteinander über Familientratsch und längst verblichene Affairen, in die sie hin und wieder ein Codewort oder eine Produktionsziffer einfließen ließen. Aus den Lautsprechern der offenen Kanäle scholl das heisere Bellen arabischer Untersprachen, die nur noch von wenigen libyschen Nomaden beherrscht wurden. Der Äther war erfüllt vom Singsang hinduistischer Tempelzeremonien oder hebräischer Gebete, in deren Variationen der Eingeweihte eine verklausulierte Information zu entdecken vermochte. Und um das Chaos perfekt zu machen, war der gesamte Funkverkehr auf eine Stunde am Tag beschränkt. Dann quollen die Kanäle über, während in der restlichen Zeit im ganzen Sonnensystem Funkstille herrschte. Das erklärte auch, warum bei unserem Anflug auf die Erde sämtliche Wellenlänge geschwiegen hatten wie nach einem Weltuntergang.

      »Das Programm«, schloss Kauffmann, als er mich davon in Kenntnis setzte, »war ein voller Erfolg. Nicht nur deshalb, weil es uns eine Vielzahl von Verschlüsselungsmöglichkeiten bot, die wir kaum selbst noch überblickten, sondern auch, weil es uns den Reichtum unserer gemeinschaftlichen Überlieferung wieder zum Bewusstsein brachte, den wir beinahe dem Vergessen hätten anheimfallen lassen. Selten habe ich so viele stolze und selbstbewusste Menschen gesehen wie unter den anatolischen Hirten und indonesischen Fakiren, den singapurer Geschäftsleuten und australischen Aborigines, die wir anheuerten, weil sie über ein Wissen und eine Fertigkeit verfügten, die in der ganzen Galaxis einzigartig und nicht zu reproduzieren ist.«

      Ich mochte das gerne glauben, verriet das Leuchten in seinen Augen mir doch, wie sehr das Projekt ihn begeistert hatte und noch begeisterte. Vor allem aber setzte es uns in Stand, den geplanten Aufmarsch voranzutreiben. Selbst wenn noch eine der sinesischen Sonden ablegen und ihre Informationen nach Sina bringen sollte, würde man dem zum Prinzip erhobenen Kauderwelsch dort schwerlich etwas entnehmen können. Und was für Informationen wurden in diesen Tagen nicht verschoben! Endlose Listen mussten abgearbeitet werden. Truppenstärken, Aufstellungen von Material und Nachschub, Treibstoff- und Munitionsvorräte, Organisation von Konvois und Zusammenstellung von Geleitzügen, komplizierte Staffelung von Befehlsstrukturen, Flugrouten, Computerprogrammierungen, Gefechtspläne. Alles wurde im speziellen Argot der Unterwelt von Buenos Aires oder im scholastischen Jargon theologischer Experten übermittelt.

      Endlich waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Die größte interstellare Armada, die je einem Kommandanten unterstellt worden war, stand bereit, auf meinen Befehl hin in den Warpraum aufzubrechen. Selbst ein Stein hätte ein mulmiges Gefühl gehabt. Seit Tagen schlief ich schlecht. Mein Magen, dessen Dienste zur Wiedererlangung meines Kampfgewichtes dringend nötig gewesen wären, revoltierte. Ich musste mich zu den Mahlzeiten zwingen; dennoch stagnierte mein Heilungsprozess. Aber darauf durften wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.

      Bis jetzt war alles nur Papier und vielstimmige, babylonisch verbrämte Absicht. Noch war kein Schuss gefallen, kein Triebwerk gezündet, hatte sich kein Hangartor geöffnet. Selbst für den aufmerksamen Beobachter dürfte sich allenfalls eine Zunahme des Funkverkehrs ergeben haben. Alles andere hatte im Verborgenen stattgefunden, in unterirdischen Werften oder in der Kryptik unverständlicher Mitteilungen. Das würde sich nun ändern. Mit dem Befehl zum Abheben durchschritten wir ein Tor, das sich im selben Augenblick krachend hinter uns schließen würde. Noch konnten wir die ganze Aktion abbrechen, aber wenn morgen die ENTHYMESIS und die Jägerstaffeln die Feldgeneratoren anwarfen und die Reaktoren zündeten, gab es kein Zurück mehr. Dann waren die Würfel geworfen, die fallen würden, wie sie fallen mussten. Alles lag dann in Gottes Hand. Leider gab es keinen Gott, dessen tröstlicher Grausamkeit wir uns anvertrauen konnten. Wir mussten selbst wissen, was wir taten. Es hing alles von uns selbst ab. Das machte es nicht gerade leichter.

      Am letzten Abend vor dem Starttermin kamen wir in kleinem Kreis mit dem Kanzler und seinem Persönlichen zusammen. Es wurde ein exquisites Menü serviert, dazu erlesene Weine, teilweise allerneuester Jahrgänge. Zumindest was die Agrikultur betraf, war die Menschheit wieder über den Berg. Was ihre galaktischen Ambitionen anging, das mussten die nächsten Tage erweisen. Gedämpfte klassische Musik erfüllte den Raum, ein kleines Kabinett in einer der höchsten Etagen der Bunkerfestung. Es war eine ausgeschalte Bergspitze, einige hundert Stockwerke über den Wohn- und Regierungstrakten, in denen wir die letzten Wochen verbracht hatten. Massive Felswände schlossen sich zu einer Kuppel über dem privat anmutenden Zimmer. Nach allen Seiten waren große Fenster in das Gestein gebrochen, sodass wir einen umfassenden Blick über die Landschaft genießen konnten. Tief unter uns rauschte der Fluss in seinem gewundenen Bett. Das Tal hatte sich in den vergangenen Tagen von der Sohle her zu begrünen begonnen. Die Mandelbäume hatten die Blüte beendet und hellgrün knospendes Laub hervorgetrieben. Krokusse bildeten blaue Lachen, die aus dieser Höhe wie schimmernde, vom Wind gewellte Weiher aussahen. Aber auch Magnolien und wilde Obstbäume blühten schon. Der Abendhimmel war klar. Im Lauf der Mahlzeit trübte er sich flamingofarben ein und loderte dann für wenige Augenblicke wie Lava auf, ehe er rasch erkaltete und steingrau wurde. Die ersten Sterne zogen auf. Die Ringe wurden sichtbar, die bei Tag von der Sonne überstrahlt wurden, sich jetzt aber als hauchfeine silberglänzende Filamente über das südliche Firmament zogen. Ich hatte darauf gedrungen, die Batterien, die sich dort befanden, zu verstärken. In den größeren Trümmern, die nach Kilometern maßen, waren zahlenkräftige Einheiten untergebracht, die mit ihren Geschützen einen wirkungsvollen Sperrgürtel bildeten. In den kleineren Bruchstücken bis herab zu Felsbrocken von wenigen Metern waren automatische, KI-gesteuerte Kanonen montiert worden. Man hoffte so, die erste Welle einer Invasionsarmee auffangen oder sie so lange in Schach halten zu können, bis die Jagdgeschwader aufgestiegen waren. All das war ungewiss. Aber allein die Anstrengungen der zurückliegenden Wochen hatten noch einige besonders eklatante Lücken geschlossen.

      Dem Kanzler war mein СКАЧАТЬ